Gilles Normand kümmert sich bei Renault als Senior Vice President um E-Mobilität. Das ist leichter als bei anderen Autobauern, hat Renault doch mit dem Zoe eines der erfolgreichsten Elektroautos gebaut. Nur Vorgeplänkel für einen Markt, der jetzt richtig ins Rollen kommt? Es gebe drei Achsen, die Renault nun gleichzeitig einschlagen wolle, erklärt er Edison im Interview.

Herr Normand, seit Jahresbeginn bekleiden Sie im Renault-Konzern den neu geschaffenen Posten eines Vorstandes für Elektromobilität. Welche Idee steckt dahinter?

Ganz einfach: Wir sind der Meinung, dass wir gerade einen Punkt haben, an dem die Entwicklung kippt…

Einen Wendepunkt in der Geschichte des Automobils?

In der Geschichte des Automobils und speziell in der Entwicklung der Elektromobilität. In den zurückliegenden Jahren mussten die Produkte mit viel Aufwand in den Markt gedrückt werden, um die Konsumenten von der Technologie zu überzeugen. Nun haben wir die Phase erreicht, wo Kunden gezielt nach Elektroautos fragen, wo der Wettbewerb wächst und wo wir von Push auf Pull wechseln können. In dieser Situation ist es wichtig, jemand im Vorstand von Renault zu haben, der seine Stimme für die Elektromobilität erhebt.

Ihre Berufung bedeutet also, dass Elektromobilität wird für Renault künftig eine noch stärkere Rolle spielen wird als heute schon?

Das kann ich versprechen. Dafür gibt es eine ganze Reihe von guten Gründen: Eine Reihe neuer Wettbewerber auch aus Deutschland drängen in den kommenden Jahren auf den Markt. Nach einschlägigen Prognosen könnte der Anteil der Elektromobile am Gesamtmarkt bis 2025 auf 25 Prozent anwachsen. Gleichzeitig investieren viele Zulieferer in die Technik, was die Komponenten und damit die E-Mobile in den kommenden Jahren stark verbilligen sollte. Und ein wachsendes Angebot bei sinkenden Preisen wird dafür sorgen, dass sich mehr und mehr Kunden für solche Fahrzeuge interessieren werden. Es bewegt sich alles in die richtige Richtung.

Aktuell ist die Nachfrage nach E-Mobilen in Deutschland, aber auch in vielen anderen europäischen Ländern noch sehr schwach.

In der Tat betrug der Anteil der Elektroautos am Gesamtmarkt 2016 gerade mal 0,6 Prozent. Aber es bewegt sich was. Dafür sorgen Förderprogramme, der Aufbau der Ladeinfrastruktur, auch politischer Druck: In Norwegen kommen Elektromobile bereits auf einen Marktanteil von 15 Prozent. In Frankreich kommt der Zoe bereits auf einen Marktanteil von 8 Prozent in der Kompaktklasse. Das ist schon nicht mehr marginal. Und die Zuwachsraten sind beeindruckend. Die Verkäufe unserer Elektroautos sind 2016 um rund 60 Prozent gegenüber Vorjahr gestiegen. Und im vergangenen Januar stiegen unsere Verkäufe von Elektroautos in Europa um über 80 Prozent über Vorjahr. Die Zahlen zeigen: Wir befinden uns immer noch in einer Übergangszeit – aber wir sind kurz davor abzuheben.

Wann heben sie ab?

Sicher nicht morgen früh um 8 Uhr. Es braucht noch ein wenig Zeit.

Und welche Flughöhe peilen Sie an?

Wir waren ganz zu Anfang sehr vorsichtig in der Markteinschätzung und sind es immer noch. Aber ich denke, bis 2025 werden in Europa bis zu zehn Prozent aller Pkw mit reinem Elektroantrieb verkauft. Ich halte das für eine plausible Größenordnung.

Was würde das für Renault bedeuten? 2016 hat das Unternehmen gerade einmal 26.000 batteriegetriebene Autos verkauft – bei einem Gesamtabsatz von über einer Million Autos.

Genaue Zahlen werde ich nicht nennen, die gibt meine Glaskugel nicht her. Aber ich erwarte in den kommenden Jahren schon starke Zuwächse.

Was braucht es denn noch, damit der Markt für Elektromobile wie von Ihnen beschrieben abhebt, damit die Autokäufer die Stromer nicht länger nur mit spitzen Fingern anpacken?

Zum einen muss die Reichweite der Autos steigen. Autos, die nur etwa 200 Kilometer mit einer Akkuladung kommen, sprechen nur Pioniere an. Seit wir die Reichweite des Zoe auf 400 Kilometer verdoppelt haben, sind die Bestellungen um 50 Prozent gestiegen. Die höheren Kosten des Elektroantriebs sind natürlich noch ein Hindernis. Aber die gehen inzwischen spürbar zurück. Heute zahlen wir für die Batterie zwischen 200 und 300 US-Dollar pro Kilowattstunde Speicherkapazität. In naher Zukunft wird der Preis auf 100 Dollar sinken. Das gibt Raum für Verbesserungen beim Prizing der Fahrzeuge. Und mit den steigenden Verkaufszahlen werden wir auch Skaleneffekte einfahren. Die Kosten der Elektroautos haben wir also unter Kontrolle.

Und sonst?

Auf der anderen Seite muss natürlich die Ladeinfrastruktur wachsen. Heute nutzen die Menschen Elektroautos, um damit zur Arbeit und zurück nach Hause zu fahren. Mit einer Reichweite von 400 Kilometer wird die Bewegungsfreiheit größer. Und mit unserem Z.E.-Pass können unsere Kunden auch in Deutschland an Tausenden Ladepunkten mit einer Karte und preisgünstig Strom zapfen. Das macht die Fahrzeuge nicht nur alltagstauglich. Es verstärkt auch die Kostenvorteile, die Elektroautos gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren haben. Die staatlichen Regulierungen sorgen dafür, dass die Abgasreinigung bei letzteren immer aufwändiger und teurer und die Autos immer stärker besteuert werden. Der Kauf etwa eines Zoe wird sich deshalb spätestens nach fünf Jahren Betrieb rentieren. Kurz gefasst: Die Vorteile des Elektroantriebs wachsen, die Nachteile sinken. Dabei habe ich noch nicht ins Feld geführt, dass es Besitzer von E-Mobilen in Zukunft deutlich einfacher haben werden, in große Städte hineinzufahren.

Die Vorteile haben auch Käufer eines Elektroautos von Nissan. Wie weit geht die Partnerschaft auf dem Feld eigentlich?

Unsere Allianz ist pragmatisch, nicht dogmatisch. Wir teilen natürlich wichtige Komponenten. Das hilft uns, die Entwicklungskosten um 40 Prozent zu senken und Teile günstiges einzukaufen. Aber an einigen Stellen gehen die Partner auch unterschiedliche Wege: Nissan produziert seine Batteriezellen in einem Joint-Venture mit NEC. Auch wir nutzen die manchmal, manchmal aber auch solche von LG Chem. Das entscheiden wir je nach Bedarf.

Pragmatisch ist gut, kostenorientiert noch mehr. Das bringt mich zu der Frage: Fährt Renault mit seinen Elektroautos inzwischen Gewinne ein?

Absolut. Wir machen Gewinne damit – wenn man die hohen Entwicklungskosten einmal außen vor lässt. Die haben wir noch nicht wieder eingespielt. Aber bei den Stückzahlen, die wir inzwischen erreicht haben, können wir es uns nicht leisten, Verluste zu machen.

Wie hoch ist die Gewinnspanne?

Das müssen sie unsere Finanzer fragen, ich kann das nicht sagen. Aber sie ist natürlich noch nicht so groß, wie ich es mir wünschen würde. Wir arbeiten hart, damit sich das Geschäft rechnet, wenn nicht in dieser Modellgeneration, dann in der nächsten.

Aktuell bieten Sie drei verschiedene Modelle mit Elektroantrieb an. In welche Richtung und wie schnell wollen Sie die Palette erweitern? Sie haben in Genf einen Zoe in einer Sportversion gezeigt.

Das war ein Konzeptauto, eine Stilübung für Renault Sport. An eine Serienfertigung denken wir nicht. Wir wollen damit nur demonstrieren, dass man eine Leidenschaft für Elektroautos entwickelt, jede Menge Fahrspaß erleben kann.

Bei den 340 Kilowatt glaube ich das sofort. Aber das hat mit dem Alltagsgeschäft nichts zu tun.

Nein, eher mit der Formel E. Denn es ist ein Rennwagen.

Was werden wir dann künftig auf den Straßen sehen?

Wir werden unsere Modellpalette entlang dreier Achsen weiterentwickeln: Wir werden den Zoe weiterentwickeln. Auf der zweiten Achse werden wir E-Transporter für gewerbliche Nutzer anbieten, einen Master und auch wieder einen Kangoo. Das ist ein ganz wichtiges Marktsegment.

Und die dritte Achse?

Sind maßgeschneiderte Angebote für Märkte außerhalb Europas, vor allem für China. China ist der weltgrößte Markt für Elektromobile. Um da Fuß fassen zu können, werden wir zusammen mit unserem Partner Dongfeng ein preiswertes Fahrzeug für das A-Segment entwickeln, mit hübschem Design und moderner Technologie. Unser Ziel ist es, dieses Fahrzeug zu einem Basispreis von 8000 Dollar anzubieten.

Wann werden Sie das Auto bringen?

In ein paar Jahren. Wir müssen es noch entwickeln. Und ich will ja unsere Konkurrenz nicht aufschrecken.

Werden Sie das Auto auch in Europa anbieten – mit Dacia hat es ja auch funktioniert.

Wenn Sie fragen, ob es zwischen Twizy und Zoe noch eine Lücke gibt, so lautet meine Antwort: Ja.

Letzte Frage: Was für ein Auto fährt eigentlich der Vorstand für Elektromobilität?

Was für eine Frage. Einen Zoe natürlich, in Schwarz. Ich liebe dieses Auto.

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