Für modischen Chic sind Italiener seit langem bekannt. Jetzt will das italienische Textil-Start-up „Desallive“ mit T-Shirts seiner Marke „Kloters“ auch noch die Luft reinigen. „Breath Technology“ – Atemtechnologie – nennt das Unternehmen die Idee, mit Nanopartikeln die Schadstoffe aus der Luft zu holen: unter anderem Stickstoff- und Schwefeloxide, Ozon und (flüchtige) organische Verbindungen (VOC). Jedes T-Shirt soll die Abgase von zwei Pkw reinigen. Und nebenbei auch noch unangenehme Gerüche und schädliche Bakterien neutralisieren. Ist das möglich?

„Im Prinzip schon“, sagt Eva Maria Eisenbarth, Professorin für Biomaterialien an der FH Iserlohn, die wir als Expertin hinzuziehen. „Halbleiter wie Titandioxid (TiO2) absorbieren das UV-Licht, einige ihrer Elektronen erreichen dadurch ein höheres Energielevel. Dann sind sie in der Lage, bestimmte schädliche in harmlose Substanzen umzuwandeln.“

Aus zwei Molekülen Ozon (O3) würden zum Beispiel drei Moleküle Sauerstoff (O2). Dabei wirke TiO2 katalytisch, verbrauche sich also nicht. „Die Elektronen fallen einfach wieder in das niedrigere Energielevel zurück und der Prozess beginnt von vorne.“ Ähnlich funktioniere das auch mit anderen radikalisch wirkenden Schadstoffen.

Nanopartikel mit großer Oberfläche

Die Wirkung der winzigen Partikel ist gewaltig. „In Relation zu ihrem Volumen haben die Teilchen eine riesige Oberfläche“, erklärt die Dekanin im Fachbereich Informatik und Naturwissenschaften. Vergleichbar ist das etwa mit Sand: In einen Medizinball passen Millionen von Sandkörnchen. „Alle Körnchen zusammen haben dann die 100.000-fache Oberfläche des Medizinballs.“

Denn je kleiner die Teilchen, desto größer ist ihre Oberfläche im Verhältnis zum Volumen. „Ein Nanopartikel ist nur ein Millionstel Millimeter groß. Ein Gramm davon hat insgesamt aber rund 50 Quadratmeter reaktive Oberfläche“, sagt die Wissenschaftlerin – soviel wie eine kleine Wohnung. „Durch diese riesige Oberfläche haben die Teilchen im Kontakt mit der Luft eine große Angriffsfläche.“

Vorausgesetzt natürlich, dass die Nanopartikel in den Kleidungsstücken erst einmal vom Sonnenlicht beschienen werden und mit den Schadstoffen in Kontakt kommen. „Wenn Sie beispielsweise im Dunkeln über die Straße gehen oder eine Jacke über dem T-Shirt tragen, docken die Schadstoffe zwar an, werden aber nicht umgewandelt.“ Sobald sie wieder Kontakt mit UV-Licht haben, werden die Nanoteilchen erneut aktiv.

Weltretter-Shirts werden die Welt nicht retten

Können atmende T-Shirts denn die Welt retten? „Das glaube ich nicht“, sagt Eisenbarth. „Dazu müssten die Hemden Milliarden Kubikkilometer Luft filtern. Und das erscheint mir illusorisch.“ Und auch ob ein T-Shirt die Schadstoffe von zwei Pkw neutralisieren kann, lässt sich nicht sicher sagen. Das hängt ab von der Art und Menge der verwendeten Nanomaterialien und dem Umgang damit. „Vielleicht, wenn der Träger seine Textilie eine ganze Nacht hinter den Auspuff hängt.“

Die Wissenschaftlerin hat auch schon von Beton gehört, in den Nanopartikel gemischt werden. Als Klimaretter sei aber auch das kaum vorstellbar: „Nicht einmal Windräder, die ja permanent Luftmassen umwälzen, dürften in der Lage sein, die ganze Atmosphäre von Stickoxiden und ähnlichem zu befreien.“

Zumindest für gesundheitsschädlich hält Professorin Eisenbarth Nanopartikel wie TiO2 in Textilien nicht. Andere Forscher sind kritischer: Bei äußerlicher Anwendung über die Haut oder die Schleimhaut könnten sie in den Körper gelangen und verschiedene Krankheiten auslösen. Ob von Nanopartikeln in Textilien Risiken ausgehen können, ist noch nicht abschließend geklärt. Doch falls es so wäre, wäre die Luft in der Umgebung des T-Shirt-Trägers vielleicht sauberer, er selbst müsste aber mit den Schadstoffen in seinem Körper leben.

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