„Win on sunday, sell on monday.“ Die Briten haben viele Weisheiten rund um den Motorsport. Wer am Sonntag das prestigeträchtige Rennen gewinnt, der wird danach mehr Autos verkaufen. Weil die Rennwagen ja auf der Strecke bewiesen haben, dass sie einfach besser sind als die Konkurrenz.

Nun kann man herrlich darüber streiten, ob die fünf Formel-1-Weltmeisterschaften in Folge für Mercedes mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg zu den ansteigenden Absatzzahlen bei den Stuttgartern geführt haben, oder ob die Straßenautos den Kunden einfach besser gefallen haben als jene der Konkurrenz.

Zugegeben, Mercedes fährt in der Formel 1 auch nicht gegen die direkte Konkurrenz. Die wenigsten Autokäufer schwanken wohl zwischen einer E-Klasse und einem Ferrari. Red Bull baut keine Serienautos und hat ab der kommenden Saison Honda-Motoren im Heck. Und Renault ist dann auch wieder keine Alternative zu einem Mercedes. Wenn die exorbitanten Budgets nur bedingt mit einer Marketing-Wirkung begründet werden können, muss meist eine andere herhalten: Die Technik aus dem Motorsport wird bald auch die Serienautos besser machen. Deshalb sind die vielen Millionen Euro für ein Formel-1-Team schon gerechtfertigt.

Das Problem aber: Die technischen Regeln in der Formel 1 sind für Antrieb und Fahrwerk inzwischen so speziell, dass der gewünschte Technik-Transfer immer schwieriger wird. Auch in der Verarbeitung der Kohlefasern für den Karosseriebau sind die Techniker inzwischen sehr geübt. Abgesehen von einigen sündhaft teuren Sportwagen hat es die leichte und stabile Kohlefaser aber noch nicht auf den Massenmarkt geschafft. Ob BMW die nächste Generation des i3 wieder so aufwendig fertigt oder ob das Auto deutlich konventioneller wird, steht noch in den Sternen.

Von der Formel E erhoffen sich jetzt viele Autobauer derartige Impulse. Bei Elektroantrieben werden die Motoren bislang meist zugekauft, nur wenige entwickeln und fertigen die E-Maschinen der bislang spärlich gesäten Straßen-Elektroautos auch selbst. Das Regelwerk der Formel E ermöglicht den Herstellern aber genau das: Das Auto selbst und aus Kostengründen die Batterie sind Einheitsteile, also für alle gleich. Beim Antrieb bestehend aus Elektromotor, Leistungselektronik, Getriebe und Kraftübertragung dürfen sie sich bis zu einer vorgegebenen Maximalleistung austoben.

Wie groß sind die Lerneffekte aber wirklich? Einer, der es wissen muss, ist Nick Heidfeld. Der frühere Formel-1-Pilot ist in den vergangenen vier Jahren Formel E gefahren, zuletzt für das indische Mahindra-Team. „Gerade Mahindra baut ja schon seit vielen Jahren Elektrofahrzeuge – sie haben übrigens auch Pininfarina gekauft – und ich bin jetzt bei Automobili Pininfarina an der Entwicklung eines Hypersportwagens beteiligt„, sagte Heidfeld in einem Interview mit der Fachzeitschrift carIT. „Hier benutzen wir die gleichen Batteriezellen wie in der Formel E. Bei Mahindra und generell in der Formel E kann man mehr Bauteile für den normalen Straßenverkehr übernehmen, als das bei der Formel 1 der Fall ist.“

Halbes Gewicht, doppelte Leistung

Das sieht man auch bei BMW so. Die Münchner sprechen gar von einem „Kreislauf“ des Technologietransfers. Noch nie hätten die Ingenieure der Motorsport-Abteilung so eng mit jenen aus der Serienentwicklung zusammengearbeitet wie bei der Entwicklung des „Racing eDrive 01“, mit dem BMW zum ersten Mal in der Formel E antritt. Mehr als ein Viertel der Vorserienentwicklung von BMW i sei auch an dem Formel-E-Projekt beteiligt, heißt es. Als der Rennantrieb Mitte 2017 zum ersten Mal auf dem Prüfstand lief, waren das genau jene Anlagen, auf denen BMW schon den Elektroantrieb des i3 entwickelt hat.

In Zahlen ausgedrückt unterscheiden sich der i3-Motor und der Racing eDrive01 stark. Der Rennantrieb wiegt die Hälfte, leistet aber das Doppelte. Zudem ist er zwei Drittel kleiner, die Energiedichte aber dreimal so hoch. Ein Blick auf die Details zeigt, wo diese Unterschiede herkommen – und was die nächste Generation an Straßenfahrzeugen davon lernen könnte.

Der Elektromotor eines Straßenautos besteht vor allem aus Stahl, Aluminium, Kupfer und magnetischen Seltenen Erden. In dem Rennantrieb fertigt BMW den Rotor (also das einzige Bauteil des E-Motors, dass sich dreht) nicht nur aus Metall, sondern zum Teil auch aus Faserverbundwerkstoffen. Des Weiteren kommen Materialien wie zum Beispiel hochwärmeleitfähige Harze, Titan und Keramiken zum Einsatz.

Ein anderes Beispiel ist der Inverter. Dieses Bauteil wandelt den aus der Einheitsbatterie kommenden Gleichstrom in den Wechselstrom um, der die E-Maschine antreibt – das ist auch bei Straßenautos so. Teile seines Gehäuses sind aus Faserverbundwerkstoffen gefertigt. Im Inneren kommen für die Halbleiter mehrere MOSFETS (Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistoren) mit neuester Siliciumcarbid-Technologie zum Einsatz. „Dank dieser Technologie erzielt der Inverter eine sehr hohe Spannungsfestigkeit bei gleichzeitig reduzierter Baugröße und minimalen Leistungsverlusten und ist deshalb kleiner und leichter“, schreibt BMW in einer Mitteilung.

Um solche Komponenten geht es auch Thomas Chevaucher. Der Franzose ist technischer Direktor im Formel-E-Team der PSA-Tochter DS. DS hat sich für diese Saison mit Techeetah, dem Rennstall des aktuellen Formel-E-Meisters Jean-Eric Vergne und dessen deutschen Teamkollegen André Lotterer verbündet. DS ist aber schon seit 2015 in der Formel E und hatte zuvor die Antriebe für das Virgin-Team geliefert. „Als wir unseren ersten Formel-E-Antrieb entwickelt haben, war es teilweise schwierig, überhaupt die passenden Teile zu bekommen“, sagt Chevaucher im Gespräch mit EDISON. Serien-Elektroautos arbeiten meist mit Spannungen von 400 Volt. Bisher waren es in der Formel E 700 Volt, mit den neuen Fahrzeugen steigt die Spannung auf bis zu 900 Volt. „Da mussten wir schauen, welche Teile überhaupt auf dem Markt waren. Da ging es noch nicht darum, die Teile in Hinblick auf Leistung, Gewicht und Haltbarkeit zu optimieren.“

Das sei aber inzwischen in der Zusammenarbeit mit Partnern geschehen. „Heute arbeiten wir wirklich daran, die Teile kontinuierlich besser zu machen“, so Chevaucher. „Das sind Komponenten, auf die unsere Kollegen aus der Serienentwicklung direkt zurückgreifen können.“

Es geht aber nicht nur um die Hardware, sondern auch die Software. Also vor allem die Leistungselektronik, die den Elektromotor ansteuert und die Stromflüsse aus der Batterie durch den Inverter in den Antrieb vorgibt. „Auf der Motorenseite steckt in der Betriebsstrategie sehr viel Potenzial“, sagt Porsche-Motorsportchef Frank-Steffen Walliser im Gespräch mit EDISON. „Jeder will die zur Verfügung stehende Energie optimal einsetzen. Es bringt – anders als auf der Straße – nichts, am Ende des Rennens noch Energie übrigzuhaben.“ Auch in der Batterie stecke noch Potenzial, falls deren Entwicklung eines Tages freigegeben werden sollte.

Für Walliser, der inzwischen neben den Rennsport-Aktivitäten auch noch die Straßen-Baureihen 718 und 911 verantwortet, ist die Formel E eine gute Vorausentwicklung „Dort können wir extreme Wege gehen – wie immer im Motorsport“, sagt der Ingenieur. „Das soll ein Eisbrecher für Serienfahrzeuge sein.“

Wie bei BMW arbeiten die Techniker aus Serie und Motorsport auch bei Porsche immer wieder zusammen – ebenso bei DS. „Im Austausch mit unseren Kollegen hatten wir damals festgestellt, dass wir dieselbe Simulationssoftware nutzen“, sagt Chevaucher. „Die Aufgaben sind sehr ähnlich, wir wollen beide aus der vorhandenen Energie das Maximum herausholen. Dass wir dieselbe Software nutzen, macht den Austausch von Daten und Entwicklungen natürlich umso einfacher.“

Und abgesehen von der Technik lockt in der Formel E natürlich noch ein anderer Faktor: Es bleibt eine riesige Marketing-Aktion in einem Umfeld, in dem sich die Hersteller positionieren wollen. Und in der Formel E ist es mit Werksteams von Audi, BMW und ab der Saison 2019/2020 auch noch mit Porsche und Mercedes durchaus wieder interessant, sich auf der Rennstrecke gegen den anderen durchzusetzen – und so das eigene Elektromobil zu bewerben.

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