Es reicht ihm nicht: mehr als 90 Millionen verkaufte Alben, rund 2000 Konzerte weltweit, begeisterte Fans, die ihm nach 40 Jahren als Sänger noch immer in Massen zujubeln. Doch Bruce Dickinson, 59, hat sich mit dem Leben als Musiker nie zufriedengegeben, weder als Sänger der Heavy-Metal-Legende Iron Maiden noch bei seinen Soloprojekten. Der Brite gewann als Fechter viele Turniere und war Mitglied der Nationalmannschaft. Er schrieb Romane, entwickelte die erfolgreiche Biermarke Trooper mit (bis heute rund 20 Millionen verkaufte Flaschen) und hat jetzt unter dem Titel „What Does This Button Do?“ seine Autobiografie veröffentlicht (auf Deutsch bei Heyne erschienen). Doch nichts betreibt Dickinson – neben der Musik – so intensiv wie die Fliegerei: als Pilot, Unternehmer, Visionär. Wir trafen das drahtige Energiepaket in Köln. Als wir ihn nach seiner Leidenschaft – dem Fliegen – fragten, gab es kein Halten mehr.

Mr. Dickinson, als Pilot dürfen Sie vom historischen Dreifachdecker bis zur modernen Boeing 747 fast alles fliegen, was Flügel hat. Woher kommt Ihre Leidenschaft fürs Abheben?

Ich habe einige Mechaniker in der Familie und schon immer alle Arten der mechanischen Fortbewegung geliebt. Weniger das Auto, Züge hingegen faszinierten mich schon immer. Als Kind habe ich den Dampfloks nachgeschaut, die durch Sheffield fuhren. Damals wollte ich unbedingt Lokführer werden. Dann Kampfpilot. Kurz darauf Astronaut. Ich habe einmal fünf Tage auf einem britischen Atom-U-Boot mitfahren dürfen. Die Uniform habe ich heute noch.

Aber deshalb gleich Kapitän einer Boeing 747 zu werden, ist ein großer Schritt – Sie hatten ja noch einen Job als Rockstar.

Ich war mir nicht sicher, ob Musiker ein richtiger Beruf ist. Pilot, das war die Chance auf einen ordentlichen Job, bei dem ich am Feierabend nach Hause gehen konnte. Da klingelt morgens kein Manager und kündigt Interviewtermine an. Im Musikgeschäft gibt es kein Ende, es ist ständig etwas zu tun. Aber nach ein paar Jahren bekam ich ein schlechtes Gewissen, ich glaubte, mit meiner freien Zeit nichts Richtiges anzufangen.

Ganz so faul können Sie nicht gewesen sein. Heute besitzen Sie eine Fluggesellschaft auf Malta, einen Wartungsbetrieb für Linienmaschinen sowie ein Trainingscenter für Verkehrspiloten.

Stimmt. Aber das sind alles sehr konventionelle Geschäfte. Viel spannender finde ich andere Projekte, etwa das Hybridluftschiff Airlander. Ich bin einer der ersten Investoren und immer eng eingebunden geblieben.

Der Prototyp hat sich allerdings vor ein paar Monaten aus seiner Befestigung losgerissen und ist jetzt total zerstört.

Wir wissen noch nicht, wie das passieren konnte. Aber die gute Nachricht ist: Die Versicherung zahlt bereits die knapp 40 Millionen Euro aus, mit denen der Airlander versichert war. Das Geld können wir jetzt voraussichtlich in das erste Serienmodell stecken. Das übrigens komplett klimaneutral fliegen soll. Wir schauen uns deshalb gerade hochmoderne Akkus und hauchdünne Solarzellen an. Zusätzlich werden wir noch einen Stromgenerator brauchen, den wir aber mit echtem Biotreibstoff aus nachwachsenden Rohstoffen betreiben. Nicht mit irgendwelchem anderen Bullshit.

Wann wird das neue Model denn das erste Mal abheben?

In anderthalb Jahren, hoffen wir. Der Airlander soll dann 10 bis 15 Tonnen Ladung transportieren können, spätere Modelle bis zu 50 Tonnen. Das Besondere: Er ist immer schwerer als Luft. Durch die breite, flache Form erzeugt er starken Auftrieb, sobald er losfliegt. Damit ist er besser steuerbar als die zigarrenförmigen traditionellen Luftschiffe. Weil er wie ein Katamaran aussieht, sollte er zunächst Aircat heißen.

Klingt nach fliegender Katze – dabei soll der Airlander ja mehr Lastenesel sein.

Vermutlich geht es erst mal um den Transport von Fracht. Das Luftschiff ist nicht schnell, so um die 100 Kilometer pro Stunde. Mit dem Tempo kann es dann aber Wochen unterwegs sein, weil es nur wenig Energie benötigt. So kann es frisches Gemüse aus Kenia nach Europa bringen. Und zwar nonstop von der Farm in Afrika zur Fabrik in Deutschland. Ohne Umladen und Abgase, es braucht keine Lkw und Flugzeuge mehr. Und keinen Flugplatz, weil es ja überall landen kann. So dauert der Transport kaum länger, schont aber das Klima. Der Airlander kann aber auch langsamer fliegen, etwa für Überwachungsmissionen wie beim Küstenschutz. Im Notfall setzt er einfach ein Rettungsboot über dem Meer ab. Ich sehe so viele Einsatzmöglichkeiten für ihn, wie es Gründe gibt, ein Flugzeug in die Luft zu schicken.

Gibt es bereits Kunden?

Bei einer Ausschreibung des US-Verteidigungsministeriums haben wir Lockheed Martin ausgestochen, da bin ich ein wenig stolz drauf. Derzeit verhandeln wir mit zwei, drei ernsthaften Kunden, insgesamt soll die weltweite Nachfrage für Luftschiffe laut Boeing bei rund 800 liegen. Der Markt ist also da. Das weiß ich bei meinem zweiten Projekt Windhorse Aerospace noch nicht so genau. Aber bei dem geht es auch nicht ums Geldverdienen – sondern um essbare Drohnen.

Wie bitte?

Das ist ein Start-up aus Großbritannien. Es entwickelt eine Drohne, die Nahrungsmittel in Krisengebiete einfliegt. Etwa nach einem Erdbeben, wenn die Überlebenden auf dem Landweg nicht zu erreichen sind. Die Flieger heißen Pouncer und sind nicht besonders groß, die Spannweite liegt bei drei Metern. Im Rumpf und in den Flügeln stecken aber Essensrationen für rund 50 Menschen. Der Rahmen besteht aus Holz, die Hülle aus Pflanzenmaterial. Wenn wir die Pouncer aus einem Flugzeug in vielleicht 3000 Meter Höhe abwerfen, gleiten sie ohne weiteren Antrieb bis zu 30 Kilometer weit, gesteuert per GPS. Zwar überstehen sie die Landung nicht, aber sie sollen ja auch gegessen werden. Der Preis wird bei knapp 600 Euro liegen, und wir stecken schon mitten in den ersten Tests.

Gehört die Zukunft auch beim Personentransport den Drohnen? Viele Start-ups – aber auch Airbus – entwickeln ja Lufttaxis.

Ich habe mir vor ein paar Wochen beim niederländischen Hersteller Pal-V so ein Konzept angesehen, ein dreirädriges Flugauto für zwei Insassen. Klappt der Fahrer die Rotoren aus, hebt es wie ein Hubschrauber ab. Ich bin es gleich Probe geflogen – allerdings nur im Simulator. Der Hersteller hat mich gefragt, welche Seriennummer ich haben möchte, sollte ich eins der Flugautos kaufen. Meine Antwort war klar: 007. Aber die Lösung unserer Verkehrsprobleme sind diese Flieger nicht. Damit jeder sie ohne Pilotenschein benutzen kann, müssten sie autonom fliegen. Die Sicherheitsprobleme dabei werden kaum in den Griff zu bekommen sein, etwa den Missbrauch durch Terroristen oder Hacker. Für mich ist jede Form von Elektronik prinzipiell unsicher.

Werden wir wenigstens künftig ‧elektrisch fliegen?

Mit den heute verfügbaren Batterien werden Passagierdrohnen nur kurze Strecken schaffen, mehr als 15 bis 20 Minuten Flugzeit sind kaum drin. Vielleicht setzen sich Hybridkonzepte durch, bei denen ein Verbrenner Strom für die Triebwerke erzeugt. Allerdings lassen sich die heutigen konventionellen Triebwerke auch noch 10 bis 15 Prozent effizienter machen. Da gibt es noch einiges Potenzial.
Auf der Straße sieht die Sache aber anders aus. Ich bin überzeugt: Die E-Auto-Revolution wird kommen. Und zwar schneller als wir denken.

Nachdem wir so viel über die Fliegerei gesprochen haben, fragen wir uns: Sind Sie eigentlich eher ein fliegender Sänger oder ein singender Pilot?

Hmmm. Nein, kein singender Pilot. Eher doch ein fliegender Sänger.

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