Ein Arzttermin am anderen Ende der Stadt steht an, doch es herrscht das übliche Verkehrschaos, und die Bahn fährt nur alle halbe Stunde. Könnte ich nur fliegen, denkt sich manch einer in so einem Moment. Was, wenn das bald wahr würde? Wenn man einfach in ein kleines Fluggerät steigen könnte, das einen über Staus und Hektik hinwegträgt?

Was bisher vor allem ein sehnsüchtiger Gedanke war, könnte schon bald Realität werden. Denn die Ideen für elektrisch angetriebene Kleinflugzeuge nehmen immer konkretere Formen an. Die Rede ist von autonomen Passagierdrohnen. Oder Flugtaxis, wie sie Digitalministerin Dorothee Bär einmal nannte – und von der Öffentlichkeit belächelt wurde.

Drohnen übernehmen bereits vielfältige Aufgaben: Sie filmen Gebiete von oben, kontrollieren Stromleitungen und retten Unfallopfer. Zum regelmäßigen Shuttle in Großstädten aber hat es bislang nicht gereicht. Mehrere Pilotprojekte sind nun in Arbeit. So planen Dubai, Singapur, Los Angeles und Dallas schon ab 2020 die ersten Testläufe. Deutsche Städte wollen nachziehen. Etwa 75 Unternehmen weltweit brüten zurzeit an der Entwicklung von Passagierdrohnen. Das geht aus einer aktuellen Studie der deutschen Unternehmensberatung Roland Berger hervor.

Passagierdrohnen vor 2030

Schon in fünf bis zehn Jahren soll es Shuttle-Drohnen in städtischen Ballungsgebieten geben. Bessere Batterietechnologie und autonome Systeme machen es möglich, davon ist Manfred Hader, Partner bei Roland Berger, überzeugt. Die Unternehmensberatung rechnet bis 2025 mit rund 3000 elektrischen Fluggeräten weltweit, Tendenz steigend.

Die Flugroboter sollen den Auto- und Schienenverkehr entlasten. Die immer schneller wachsenden Metropolen leiden unter Staus, die Schienennetze für U- und S-Bahnen sind in die Jahr gekommen. Die Drohnen könnten Flughäfen mit Bahnhöfen verbinden oder andere zentrale Orte einer Stadt anfliegen, später womöglich auch Bewohner aus dem Umland ins Zentrum bringen.

Drohnen kosten deutlich weniger als Hubschrauber und sind schneller gebaut als ein neues S-Bahn-System. Google und Airbus, aber auch verschiedene Start-ups versuchen sich derzeit an Modellen für die kleinen E-Flugzeuge. Darunter auch zwei deutsche Gründer: Volocopter und Lilium, die Drohnen für Kurz- und Langstrecken entwickeln. Die Branche könnte 2035 bereits Umsätze in zweistelliger Milliardenhöhe machen, heißt es in einer aktuellen Studie von Porsche Consulting.

Allerdings sind noch viele Fragen zu Passagierdrohnen ungeklärt. Wo zum Beispiel sollen sie landen? Schon Autofahrer treibt die Parkplatzsuche in Großstädten zur Verzweiflung. Ein Platzproblem könnte sich auch in der Luft ergeben. Der Himmel über einer Stadt ist eben nicht grenzenlos.

5G-Netz fehlt

Und so fortgeschritten die Technik auch ist: Die nötige digitale Infrastruktur für Passagierdrohnen existiert noch nicht. Dafür braucht es ein stabiles 5G-Netz, über das Kontrollbehörden kommunizieren und die autonomen Systeme schnell reagieren können. Auch eine Zulassung für die fliegenden Elektroshuttles steht noch aus.

Von diesen Unsicherheiten lässt sich die „Urban Air Mobility-Community“ nicht aus dem Tritt bringen. In der von der EU unterstützten Initiative haben sich 15 europäische Kommunen zusammengetan, um Passagierdrohnen den Start zu erleichtern. Dafür beratschlagen sich die Städte unter anderem mit Landesregierung und Wirtschaftsvertretern. Eine bessere Zusammenarbeit könnte eine europäische „Revolution“ in der Mobilität lostreten, sagt Tobias Schönberg von Roland Berger.

Ein letzter Protest könnte am Ende von der Bevölkerung selbst kommen – nicht jeder möchte einen regelmäßigen Flugverkehr direkt über seinem Kopf. Doch spätestens, wenn dann der Arztbesuch ansteht, kommt man vielleicht ins Grübeln.

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