In Singapur leben gut sechs Millionen Menschen auf 709 Quadratkilometern Fläche – und eine weitere Million Menschen will dort ihr Glück in den kommenden zehn Jahren versuchen. Sieben Millionen, die mobil sein wollen. Das Verkehrsnetz der Stadt wird das kaum stemmen können, der permanente Megastau droht.

Doch die Stadt versucht dagegen anzukämpfen: Ein besonderes Mautsystem soll die Straßen entlasten, bei dem sich die Gebühren passen sich an Zeit und Route anpassen: Wer also die Stoßzeiten vermeidet und die besonders befahrenen Straßen umfährt, zahlt weniger. Eine Ergänzung zum Zertifikate-System für Neuzulassungen – damit soll die Autozahl zumindest nicht weiter wachsen.

Doch das reicht noch nicht. Die Stadtoberen geben deshalb ein hehres Ziel aus: In ein paar Jahren soll der Autobesitz durch Fahrgemeinschaften ersetzt werden. Der Clou dabei: Maschinen übernehmen alle Fahrten – und kein Mensch braucht mehr selbst zum Lenkrad greifen. Die Regierung steckt eine Menge Geld in die Infrastruktur und Forschung der autonomen Pkw und Busse. Unter anderem baut sie eine Teststrecke inklusive Fake-Häuser, steile Hügel und einer Regenmaschine. Zehn Unternehmen beteiligen sich bereits an den Plänen zur Einführung fahrerlosen Autoflotten.

Google-Tochter auf Kurs

US-Anbieter Waymo steht schon bereit: 82.000 selbstfahrende Chrysler warten landesweit auf den Einsatz, sobald die Freigabe der Behörden erfolgt. Zehn Millionen Meilen hat das Unternehmen nach eigenen Angaben schon autonom zurückgelegt – und jeden Monat soll eine weitere Million dazukommen.

Auch 20.000 Jaguar der indischen Firma Tata Motors sollen die Autonom-Revolution anschieben. Tata ist eigentlich ein Stahl-Konzern, die Fahrzeug-Tochter ist aber spätestens seit dem Kauf von Jaguar und Land Rover vor elf Jahren weltbekannt. Das Start-up NuTonomy setzt seit vergangenem Jahr auf Renaults Zoe als Robo-Taxi – ebenfalls noch in einer Testphase.

Auch intelligente Technik soll in Singapur für fließenden Verkehr sorgen. Das „Intelligent Transport System modelliert das aktuelle Verkehrsaufkommen in der Stadt in Echtzeit. Dafür nutzt es GPS-Daten von Taxis und Bussen. Stadtplaner kennen also die brisanten Stellen im Straßennetz und können versuchen, die Lage beispielsweise durch angepasste Ampelschaltung zu entspannen.

Das Problem: Der Stadtstaat hat wenig Wachstumspotenzial. Zwölf Prozent der Fläche nimmt die Infrastruktur bereits in Beschlag, nur zwei Prozentpunkte weniger als Wohnungen. An einen Ausbau von Straßen ist deshalb nicht zu denken.

Spätestens 2022 sollen in den Vororten autonome Fahrzeuge fahren, die nicht mehr in einer wie auch immer gestalteten Testphase stecken. Gerade neu gebaute Stadtteile werden schon auf diese Nutzung vorbereitet.

Autonome Pläne weltweit

Im Moment entstehen seltsame neue Allianzen. Der Handelsgigant Walmart plant in Chandler, Arizona ein Programm, um Kunden per Automatik-Auto in die Läden zu kutschieren. Im Firmenblog heißt es: „Wir arbeiten an einem Online-Lebensmittelpilotprojekt für 400 tägliche Benutzer, die wir ‚early riders‘ nennen. Die Teilnehmer erteilen ihre Lebensmittelbestellung im Netz. Und unsere Personal Shopper arbeiten die Bestellungen der Kunden dann auf der Grundlage ihrer Abholzeiten ab.“ Im PR-Gedonner heißt es weiter: „Die ganze Zeit können unsere Kunden dann im Auto ein Nickerchen machen, arbeiten – oder was auch immer.“

Toyota wiederum plant mit dem selbstfahrenden Van-Konzept „Tundra Pie Pro“ einen Wasserstoff-Brennstoffzellen-Truck für Essenslieferer, der die Pizza innerhalb von sechs bis sieben Minuten gleich an Bord backt. Keine Rückfahrt mehr zur Pizzeria.

Aber: Sowohl die Roboterküche als auch der LKW selbst sind auf Wasserstoff angewiesen. Mit den Tankstellen wird es noch dauern, die jene Fahrzeuge schnell und sicher auftanken um damit den ganzen Tag pizzabackend durch die Gegend jagen. Vor allem nicht autonom.

Und nicht jeder Bürger ist von der Revolution begeistert: In Arizona fliegen Steine gegen „Waymos“ und deren Reifen werden zerstochen. Es scheint, als ob die Menschen der Neuerung nicht so ganz über den Weg trauen. Das kennen wir doch. Als 1835 die Eisenbahn „Adler“ mit bis zu 65 Sachen durch die Gegend schnaufte, waren sich einige Bürger sicher: Wer dort einsteigt, verliert seinen Geist. So ist das dann nicht gekommen…

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