Wer krank ist, kann auf zwei Arten gegen Schmerzen und Unwohlsein vorgehen: Entweder lindert er die Symptome und versucht so, die Probleme kurzfristig zu überdecken – oder er bekämpft direkt die Ursache, um wieder gesund zu werden. Wenig überraschend ist der zweite Weg meistens die sinnvollere Variante.

Wenn es um die Verschmutzung der Ozeane mit Plastikabfällen geht, scheint es aber, als habe sich diese Erkenntnis noch nicht so wirklich durchgesetzt. Sicher, es gibt immer wieder Ansätze, den Plastikmüll generell zu verringern (etwa durch Recycling, Verbote oder alternative Kunststoffe aus Zellulose oder gar Schlingpflanzen). Aber gerade beim Kampf gegen Abfälle in den Weltmeeren konzentrieren sich die meisten bekannten Projekte wie beispielsweise das Pacific Garbage Screening Projekt oder The Ocean Cleanup darauf, den bereits im Wasser schwimmenden Müll wieder herauszufischen. Das ist natürlich besser als nichts tun. Effektiver wäre es aber, gar nicht erst so viel Plastik in die Meere gelangen zu lassen.

Das hat sich auch Max Volhard gedacht, als er mit der Forschung an seinem aktuellen Projekt begann. Volhard ist Doktorand am Fachbereich Chemieingenieurswesen an der Fachhochschule Münster. Zusammen mit seinem betreuenden Professor Thomas Jüstel hat er eine neue Idee zur Bekämpfung des Plastikmülls im Meer entwickelt.

Sonne und Salz zersetzen das Plastik

Volhards Ansatz ist es, dem Kunststoff beispielsweise von Plastikflaschen den Katalysator Titandioxid beizufügen. Dieser reagiert auf Sonnenlicht und bildet Radikale. Das sind Atome oder Moleküle mit mindestens einem ungepaarten Elektron, die deshalb besonders reaktionsfreudig sind und den Kunststoff zersetzen sollen.

Nun wäre es natürlich ungünstig, wenn man in der Sommersonne einen Schluck Wasser trinken möchte und die Flasche dabei anfinge, sich in der Hand aufzulösen. Deshalb beschichtet Volhard den Katalysator mit Polyphosphat. Diese Schicht reagiert zwar nicht auf Sonnenlicht, dafür aber umso empfindlicher auf Salz – auch auf im Meerwasser gelöstes. Das Resultat: Im Sonnenlicht und gefüllt mit Leitungs- oder Mineralwasser ist die Flasche stabil wie jede andere. Landet sie aber im salzigen Ozean, löst sich die Polyphosphat-Schicht und die Radikale können mit ihrer zerstörerischen Arbeit loslegen. Dann dauert es zwar immer noch bis zu zehn Jahre, bis sich der Kunststoff komplett zersetzt hat. Das ist aber deutlich schneller als die Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte, die normales Plastik dafür benötigt.

Vom Labor in die Realität

Vor rund einem Jahr begann Volhard mit seiner Forschung. „Zunächst machte ich einige Vorversuche um sicherzugehen, dass die Idee technisch überhaupt umsetzbar ist“, sagt er. Seitdem testet er im Labor den Abbau der Kunststoffe, die bereits im Wasser gelöst sind, mithilfe eines Photoreaktors, der mit einer LED-Lampe ultraviolettes Licht erzeugt und so das Sonnenlicht imitiert. Die Ergebnisse stimmten ihn zuversichtlich. „Allerdings war das noch nicht praxisnah.“ Im Meer lägen die Kunststoffe ja schließlich auch nicht gelöst vor. „Der nächste Schritt ist jetzt, von den Laborbedingungen immer näher an die Realität zu kommen“, sagt Volhard.

Das Patent für den Ansatz haben Volhard und Jüstel schon einmal angemeldet. Da es sich aber um Grundlagenforschung handelt, dauert es aber wohl noch einige Zeit, bis sich das Verfahren großflächig durchgesetzt hat. „Man muss da immer etwas vorsichtig sein mit Voraussagen zur Umsetzung, schließlich haben wir bisher nur Laborversuche gemacht“, sagt Volhard.

Der nächste Schritt – die Annäherung an reelle Bedingungen – wird zeigen, ob die Herangehensweise wirklich eine Lösung für das Plastikmüll-Problem in den Meeren sein kann. Zumindest aber setzen Volhard und Jüstel schon mal an der richtigen Stelle an.

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert