Leise surrt das Auto die Rampe hinab. Wasser zischt und feiner Sand knirscht unter den Alu-Rädern. Der Roboter sucht mit seinen Lasern und Kameras die Umgebung nach Gefahren ab, bewegt sich dabei langsam durch eine unwirkliche Welt vorwärts. Im Hollywoodstreifen „Alien: Covenant“ hat der Audi Lunar Quattro (ALQ) vor einem Jahr für die Besatzung eines fiktiven Raumschiffs einen fernen Planeten erkundet. Drehort war der neuseeländische Milford Sound. Doch schon bald soll der kleine Rover seine Fähigkeiten auch im echten Weltraum unter Beweis stellen – auf dem Mond.

Bisher haben es nur sechs Fahrzeuge auf den Erdtrabanten geschafft. Zwei Exemplare des Rovers von PTScientists sollen die nächsten sein. Entwickelt haben die kleinen Gefährte der 31-jährige IT-Experte Robert Böhme und seine Mitstreiter. Keine Weltraumwissenschaftler und Raumfahrtingenieure, sondern Enthusiasten und Amateure, getrieben von der Idee, der Menschheit neue Wege zu weisen.

Am Montag gaben die Europäische Weltraumagentur ESA und ein Konsortium, zu dem auch PTScientists gehören, eine Zusammenarbeit für die ISRU-Mission bekannt. „In space, in situ resource use“ bedeutet, dass Material künftig nicht nur von der Erde kommen muss, sondern dass Missionen auch auf Vorhandenes zurückgreifen – Mondgestein, Marswasser oder Asteroidenstahl.

Die ESA hat zunächst sogenanntes Reolith der Mondoberfläche im Sinn. Daraus könnte sie Wasser und Sauerstoff extrahieren – und so einen weiteren Schritt in Richtung Bewohnbarkeit des Monds machen. Dass PTScientists daran beteiligt sind, liegt vor allem an Alina. Und Alina entstand aus einer Schnapsidee.

Hobby-Wissenschaftler in Gründerlaune

Vor rund neun Jahren erfuhr Robert Böhme aus der E-Mail eines Freundes, dass die Google-Gründer einen Preis ausgeschrieben hatten: Wer zuerst ein privat finanziertes Fahrzeug auf den Mond bringt, dort 500 Meter weit fahren lässt und Livebilder in hoher Qualität zur Erde sendet, erhält 20 Millionen Dollar. Böhme: „Ich fand die Idee einfach toll“.

Robert Böhme
Der Gründer von PTScientists bei einem Vortrag 2017.
© Copyright PTScientists

Zudem hatte er damals gerade Zeit und auch Geld: Nach einem Auffahrunfall, bei dem sein Auto Totalschaden erlitten hatte, zahlte ihm die Versicherung des Unfallgegners eine Summe von 16.000 Euro als Schadensersatz. Also trommelte der damals 22-Jährige ein paar Freunde zusammen, erstellte ein Konzept und meldete sich mit Zahlung des Startgeldes von 10.000 Euro kurz darauf zu dem von Google gestifteten Lunar XPrize an. Aus dem Wettbewerb hat sich Böhme aber mittlerweile wieder verabschiedet, da ihm die Regeln zu restriktiv wurden.

Mit Raumfahrt hatte er zuvor wenig am Hut gehabt, abgesehen von einigen Kinobesuchen. Nach dem Realschulabschluss und dem Besuch einer IT-Schule hatte der Berliner bei einer Sicherheitsfirma angeheuert und sich unter anderem um den Schutz von Ministerien vor Hackern gekümmert. Schon in seiner Jugend war er ein Ass in Physik und besitzt eine Gabe, große Probleme durch das Zerlegen in logische Schritte zu lösen. Wie schwierig die Entwicklung eines Mondrovers würde, habe er aber unterschätzt, gibt er zu: „Als Laien mussten wir uns mit Astronomie und Raumfahrttechnik beschäftigen.“

Schritt für Schritt, mit viel Enthusiasmus und Fantasie, arbeiteten sich die Freunde ins Thema ein. Die Mondmission wurde ihr Hobby – daher der Name „Part-Time Scientists“.

Tests in Berlin

Aus dem Hobby ist längst eine Vollzeitbeschäftigung geworden. Ein großes Team arbeitet für Böhme in Berlin, dazu kommen noch einige freie Mitstreiter. Ehrenamtliche Ingenieure, Programmierer, Mathematiker, Physiker und andere Spezialisten. „Mit den Jahren sind wir professioneller geworden und arbeiten heute mit einem festen Team, das sich ausschließlich der Mission widmet“, erzählt Böhme. Man sieht ihm an, dass er für das Projekt brennt.

Alina auf dem Mond
Der autonome Mond-Lander ALINA ist hier schon mal vor dem richtigen Hintergrund zu sehen.
© Copyright PTScientists

Und für Alina – das Autonomous Landing and Navigation Module – soll es bald zum Mond gehen. Damit der Rover bei der Fahrt über den verkehrstechnisch noch nicht ideal erschlossenen Trabanten nicht zwischen Sand und Geröll stecken bleiben und das ganze Experiment scheitert, testen und experimentieren die Entwickler derzeit ihr Fahrverhalten in einer mit Sand bedeckten Halle im Berliner Osten. In dem schlichten Zweckbau surren ein paar Elektromotoren, es riecht nach Lötzinn. Und nach Zukunft.

Gerade wühlt sich ein ALQ durch den Sand. Der Rover ist gut einen Meter lang, 75 Zentimeter breit und etwa 30 Kilogramm schwer – das muss reichen. Denn jedes Kilogramm, das ins All geschossen wird, kostet Tausende von Euro.

Leichtbau ist Pflicht

Etwa 85 Prozent des Fahrzeugs bestehen aus Alu, für die Konstruktion der Teile profitierten die Entwickler von der engen Zusammenarbeit mit der Industrie. Die Räder beispielsweise entstanden im 3D-Drucker bei Audi. Andere Bauteile bestehen aus Titan und Carbon. Auf dem Mond wird sich der Rover mithilfe von vier Hochleistungskameras orientieren und vorwärtstasten.

Arbeit am Rover
Schon in dieser frühen Rover-Version kamen Programmier- und Schraubarbeit zusammen.
© Copyright PTScientists

Für den Vortrieb sorgen kleine E-Motoren mit 80 Watt Leistung, die ihre Antriebsenergie aus Solarzellen beziehen. Bei etlichen Tests, unter anderem im Sand des Vulkankraters Pico del Teide auf Teneriffa, flitzte der ALQ mit bis zu 3,6 Kilometern pro Stunde durch die Gegend. Das klingt nach Schneckentempo, ist aber für ein Mondfahrzeug dieser Größe ganz schön flott. Zum Vergleich: Der Mars-Rover Curiosity der US-Raumfahrtagentur Nasa bewegte sich nur mit einer Geschwindigkeit von bis 150 Metern pro Stunde.

Die technischen Herausforderungen sind enorm, der Einsatz ist hoch. Es locken der Ruhm und auch das millionenschwere Preisgeld. Aber das ist es nicht allein. Nach ihren Motiven gefragt, fallen Böhme und seinen Mitstreitern viele Antworten ein. Sie treibe der Wunsch an, coole Technologien zu entwickeln, „die nicht nur im Weltraum, sondern auch auf der Erde einen echten Mehrwert bringen“, sagt einer. Böhme selbst denkt noch einen Schritt weiter: „Da draußen gibt es Chancen, die wir heute erkunden können.“ Auf der Erde, so seine Überzeugung, könne man zwar noch viele Dinge technisch optimieren. „Aber wirklich Neues werden wir nur im All finden.“

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