Wie werden die Menschen in 200 Jahren fliegen? Die fossilen Brennstoffe sind dann am Ende, die traditionelle Luftfahrt damit auch. Die Passagiere der Zukunft könnten zum Beispiel mit einer Mischung aus Flugzeug, Hubschrauber und Ballon abheben. Den Prototypen dazu gibt es heute schon. Ein Start-up aus Stuttgart hat ihn entwickelt und erregt damit gerade weltweit Aufmerksamkeit. Auf einem Kongress der NASA wurde das Konzept H-Aero als Zukunftslösung gelobt. Mit dem Gerät könne man eines Tages sogar den Mars erforschen, glauben die Experten.

Csaba Singer, einer der beiden Gründer von Hybrid-Airplane Technologies, hatte schon während seines Ingenieurstudiums einen Traum: Ein Fluggerät, das die Vorteile aller drei Konzepte vereint, mit denen der Mensch bislang abhebt. 2004 ließ sich der heute 38 Jahre alte Tüftler die Idee eines Hybrid-Flugzeugs patentieren. Es kann wochenlang in der Luft bleiben, autark und ohne Emissionen.

Noch ist dieses H-Aero klein, es wiegt und transportiert nur wenige Kilogramm. „Wir werden das Gerät Schritt für Schritt ausbauen“, kündigt Singer an. Spätestens in fünf Jahren sollen die ersten Menschen in einer Kabine unter dem H-Aero in die Luft gehen.

Die Basis der Konstruktion ist eine elastische Hülle, die mit Helium gefüllt wird. Das verleiht ihr den Auftrieb. Anders als ein Zeppelin hat die Hülle die Form eines Diskus, es ist also eher ein „fliegendes Frisbee“. Diese Form macht das Gerät handlich und manövrierbar, im Gegensatz zu dem schon über 100 Jahre alten Zeppelin. Diese Fluggeräte sind windanfällig und träge, sie können kaum gelenkt werden.

Hohe Reichweite dank Solarzellen

Am Diskus angebracht sind Drehflügel, die ihn seitlich schieben, wenn er in der Luft ist. Eine Drehung der Flügel um 180 Grad – und der H-Aero fliegt rückwärts. Diese Konstruktion lässt ihn senkrecht starten und bringt ihm die Wendigkeit eines Hubschraubers, allerdings ohne dessen Rotoren. Weil das Hybrid-Flugzeug keine Landebahnen benötigt, ist es unabhängig von der üblichen Flughafen-Infrastruktur.

Den großen Vorteil des Flugzeugs – die hohe Reichweite – erhält das Gerät über seinen Antrieb. „Unsere Solarzellen ermöglichen es, Stunden oder sogar Tage in der Luft zu bleiben“, sagt Singer. Seine Firma entwickelt diese besonders effizienten Energielieferanten gemeinsam mit der Universität Stuttgart. Der damit gewonnene Strom bewegt die Drehflügel, die aber nicht der einzige Antrieb sind. „Wir fliegen außerdem mit dem Wind“, erklärt Singer.

Die Anwendung von H-Aero scheint fast unbegrenzt: Er könnte Waren oder Menschen transportieren. Mit Sensoren bestückt ließe sich die Luftqualität in Städten oder über Chemiefabriken messen. Er wäre auch ideal für die Verkehrs- oder Veranstaltungsüberwachung, für den Einsatz als Wetterstation oder vielleicht auch, um Internet in entlegene Gebiete zu bringen.

Kooperationen mit Industrie geplant

Und H-Aero könnte vielleicht sogar zum Mars fliegen und ihn von oben erforschen. Immer autark, immer ohne Emissionen. Ersetzen soll der Hybrid die traditionellen Fluggeräte jedoch nicht. „Wir sehen ihn als Ergänzung zu Flugzeugen“, sagt Gründer Singer. Die Branche hat bereits angebissen: Demnächst wird ein namhafter Flugzeughersteller eine Kooperation mit dem jungen Unternehmen aus Schwaben eingehen.

Der neue Partner könnte einen für den Personentransport gebauten H-Aero zukünftig in seine Flotte aufnehmen. Weniger allerdings für schnelle Reisen, denn da ist das konventionelle Flugzeug wohl noch lange überlegen.

Singer stellt sich eher „Flug-Kreuzfahrten“ vor: Die Passagiere könnten über mehrere Wochen hinweg ihre Tage in der Luft verbringen, für faszinierende Blicke über den Amazonas oder die Antarktis. „Wir werden uns damit die dritte Dimension erobern“, ist sich der Erfinder des H-Aero sicher.

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