Sven Plöger hat es selbst hautnah erlebt: Elektroautos sind recht wetterfühlige Gesellen. Nicht nur als er 2017 auf der E-Cross Germany mit einem offenen Loryc unterwegs war: Das offene E-Gefährt im Oldtimer-Look hat kein Verdeck. So wurde er auf der Rallye von Bielefeld über Düsseldorf nach Aachen auch schon mal klitschnass, wenn ein Schauer runterkam. Dabei hätte der bekannte Wettermoderator eigentlich wissen müssen, wo es regnen würde. Schließlich erklärt der gelernte Meteorologe Millionen Deutschen regelmäßig abends nach den Tagesthemen in der ARD, wie warm es am nächsten Tag wird und ob die Sonne scheint.

Aber Schaden macht klug. Ein Jahr später nahm er wieder an der E-Cross teil, dieses Mal aber mit einem geschlossenen Jaguar I-Pace. Doch auch ein modernes Elektroauto ist keineswegs unempfindlich gegen die Witterung. Die Klimaanlage bei Hitze, die Heizung bei Kälte benötigen kräftig Energie aus dem Akku, was schnell viel Reichweite frisst. Genauso Gegenwind oder Regenschauer.

Kommt die Kaltfront, muss der Fahrer früher nachladen

Daher wollten wir von Plöger wissen, wie sich mithilfe von Wetterprognosen Routen für E-Autos und erst recht für E-Bikes besser als bisher planen lassen. Und inwieweit sich die theoretisch gute Idee auch praktisch umsetzen lässt. „Mit der heutigen Technik und den vielfältigen Wetterdaten, die zur Verfügung stehen, lässt sich bereits viel machen“, ist der 51-Jährige überzeugt. Und künftig gehe da sicherlich noch mehr.

Sven Plöger erst im Loryc …
Sven Plöger (51) kennen viele aus der ARD, wo er „Das Wetter vor Acht“ und im Anschluss an die Tagesthemen moderiert. Er ist aber auch ein gefragter Experte in Talkshows. Daneben hat der Diplom-Meteorologe TV-Dokumentationen über das Wetter produziert und mehrere Bücher geschrieben.
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So würden in Deutschland die Angaben zu Temperatur und Niederschlägen häufig genug aktualisiert, um etwa rechtzeitig auf der Strecke von München nach Berlin den Einbruch einer Kaltfront auf der Hälfte der Distanz vorzusagen. Der Bordrechner des Elektroautos könnte dann einen früheren Ladestopp vorschlagen, weil die Heizung voraussichtlich mehr Energie benötigen wird. Je mehr Wettermessstationen in einem Gebiet aufgestellt seien, so Plöger, desto genauer ließen sich die Witterungsdaten mit den Navigationsdaten verheiraten.

Um an räumlich noch detailliertere Daten heranzukommen, machen sich der Deutsche Wetterdienst und der Autobauer Audi eine Eigenschaft moderner Fahrzeuge zunutze: Die sind schon heute rollende Wetterhäuschen, die laufend die Außentemperatur, den Niederschlag für die automatische Steuerung der Scheibenwischer oder den Schlupf der Fahrbahn messen. In einem vom Bundesverkehrsministerium finanzierten Forschungsprojekt untersuchen die Partner gerade, ob die Messdaten genau genug sind, um sie für eine Wetterprognose zu nutzen.

Umgekehrt kooperiert der Autozulieferer Bosch mit dem finnischen Wetterdienst Foreca, um in Zukunft etwa autonom fahrende Autos vor Glatteis oder Aquaplaning zu warnen. Und die Bosch-Tochter Cobi hat bereits heute in ihrer App, die Smartphone und Fahrrad verbindet, minutengenaue Wetterdaten eingebunden – aber sie noch nicht mit der Routenplanung verbunden. Das leistet bereits die britische Website myWindsock, die sich einen etwas martialischen klingenden Werbeslogan gegeben haben: „Know thy enemy. See the wind.“ Der registrierte Nutzer – Zielgruppe sind Radfahrer – kann eine Route hochladen, dann zeigt ihm der Dienst detailliert an, auf welchen Streckenabschnitten er mit Rückenwind und auf welchen mit Gegenwind zu rechnen hat. Die Seite ist eher etwas für die Tourenplanung Zuhause, für den Einsatz auf dem Rad wirkt sie zu komplex.

Regen lässt sich nur schwer exakt vorhersagen

„Wie zuverlässig diese Dienste funktionieren, hängt stark davon, wie weit im Voraus Sie die Route planen wollen“, gibt Meteorologe Plöger zu bedenken. Wenn es mehr als vier Tage seien, werde die Wetterprognose zu ungenau. „Für den Folgetag können wir das Wetter zu 90 Prozent richtig vorhersagen.“ Bei drei oder vier Tagen stimme die Prognose in 70 bis 80 Prozent der Fälle. Das ist laut Plöger ein erheblicher Fortschritt, denn 1985 war die Vorhersage für den Folgetag so genau wie heute für Tag drei.

Allerdings gibt es auch große Unterschiede zwischen einzelnen Messwerten. „Die Temperatur können sie relativ gut über eine Woche hinweg abschätzen“, sagt Plöger. Beim Niederschlag sei das viel schwieriger. „Da funktioniert nur das kurzfristige Nowcasting zuverlässig.“ Mithilfe von Radarbildern lasse sich maximal anderthalb bis zwei Stunden im Voraus abschätzen, wo genau ein Regenschauer oder gar ein Gewitter mit welcher Heftigkeit niedergehe. „Am Vortrag lässt sich allerdings schon sehr gut vorhersagen, in welcher Regionen prinzipiell Gefahren lauern.“

Zwar rechnet Meteorologe Plöger damit, dass die Prognose künftig durch leistungsfähigere Großrechner und bessere mathematische Modelle des Wettergeschehens noch genauer werden. Allerdings gibt es einen gegenläufigen Trend: „Durch den Klimawandel gibt es unvermeidbar mehr extreme Wetterlagen“, warnt er. So sei auf Grund der höheren Temperaturen mehr Energie im Wettersystem. Das führe zu mehr Starkregen und wahrscheinlich stärkeren Stürmen. Gleichzeitig schmelzen an den Polen die Eisschilde, somit nimmt die Temperaturdifferenz zwischen Äquator und Arktis ab. „Dadurch fehlt der Antrieb, die Hochs und Tiefs am Boden voranzutreiben“, erläutert der Experte. Sie verharrten damit länger an einem Ort, was etwa eine Erklärung für den langen heißen Sommer 2018 sei. „Ich sage immer Standwetter dazu.“ Dadurch „rasseln“ etwa Gewitter „mehr oder weniger bewegungslos an der Stelle runter, ebendort, wo sie entstanden sind“. Wenige Kilometer weiter bliebe es dagegen trocken. Das mache es schwieriger vorherzusagen, ob nun jemand am Wochenende bei seiner Grillparty mit einem Platzregen rechnen müsse – oder eben nicht.

„Der Klimawandel ist ein Asteroiden-Einschlag in Zeitlupe“

Die Häufung von Wetterextremen zeige, mit welchen Problemen wir durch den Klimawandel zu rechnen hätten. „Vor diesem Hintergrund staune ich, wie langsam die Gesellschaft immer noch unterwegs ist“, wundert sich Plöger. „Der Klimawandel ist so etwas wie ein Asteroiden-Einschlag in Zeitlupe“, warnt er. Wir hätten jetzt noch zwanzig Jahre Zeit, die Kohlendioxidemissionen zu senken und damit die Erderwärmung zu verlangsamen. „Es ist Fünf vor Zwölf, aber wir haben noch eine Chance.“ Die Elektromobilität könne dabei einen wichtigen Beitrag leisten.

Und welches E-Auto hat jetzt mehr Spaß gemacht zu fahren, der offene Loryc im Retrolook oder der moderne Jaguar im SUV-Kleid? „Es ist ein wahnsinniger Genuss, etwas wie den Loryc zu fahren, der einen geistig so in die Vergangenheit transportiert, aber als modernes Auto durch die Elektromobilität gleichzeitig auch in die Zukunft“, schwärmt Plöger. In jedem Ort hätten die Menschen ihnen freundlich zu gewunken, „das ist natürlich exorbitant“.

Aber alltagstauglich sei der Loryc nicht, er sei einfach Genuss pur. „Der Jaguar ist dagegen einfach ein hochmodernes, komfortables, durchzugsstarkes Elektrofahrzeug“, erzählt Plöger. Ihm fehlte zwar etwas die Frischluft des Loryc, aber durch das große Sonnendach im I-Pace, habe er eine gewisse Nähe zur Natur gespürt. Um dann ganz diplomatisch zu ergänzen: „Beide Autos haben ihren Reiz und beide faszinieren.“

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