Momentan kann man sich vor neuen Konzepten für autonome und elektrische Fahrzeuge kaum retten. Um sich als Start-up von der Konkurrenz abzuheben, muss man sich deshalb mehr und mehr spezialisieren und eine Nische für sich entdecken.

Genau das hat Nuro mit seinem neu vorgestellten elektrischen und autonomen Auto gemacht. Das Fahrzeug, das ein bisschen aussieht wie ein überdimensionaler Toaster, wird nämlich nicht Personen durch die Gegend fahren. Der Wagen ist ausschließlich für Transporte geplant.

Die Enthüllung des Nuro-Autos Ende Januar kam recht überraschend. Die beiden Gründer des Start-ups Dave Ferguson und Jiajun Zhu arbeiten bereits seit 18 Monaten an dem Wagen, hielten sich aber in der Öffentlichkeit zurück. Beide haben früher bei Google an dessen Projekt Waymo für ein selbstfahrendes Auto gearbeitet. Zhu war einer der Gründer des Google-Projekts und Ferguson war der leitende Softwareingenieur. Mitte 2016 verließen die Kalifornier das Unternehmen, um sich mit Nuro selbstständig zu machen und engagierten Mitarbeiter von Waymo, Uber und Tesla.

Pizza, Wäsche und Wocheneinkauf im modularen Auto

Da sich Nuro auf Kurzstrecken-Lieferungen spezialisiert und das Auto also für die metaphorische Nische geplant ist, ist es nur konsequent, dass es auch wortwörtlich in die meisten Nischen passt. Denn der Nuro-Wagen ist zwar ähnlich hoch wie ein typischer PKW, dafür aber nur halb so breit.

Dadurch, dass kein Passagier im Auto sitzt, gibt es trotzdem kein Platzproblem. So müssen neben der Antriebs- und Kontrolltechnik nur die Transportfächer in den Wagen passen. Die sind modular und individuell zu gestalten – seien es klassische Ablagefächer, Kühlschränke, Gestelle um Wäsche aufzuhängen oder Warmhaltefächer für die Pizzalieferung. Insgesamt soll das Nuro-Auto so bis zu 125 Kilogramm transportieren können.

Software aus Eigenentwicklung

Über die Technik, die unter der Haube steckt, verrät Nuro noch nicht viel. So schweigen sie beispielsweise zu Details zu Batterie, Reichweite und geplanten Ladesystemen. Klar ist, dass es die übliche Technik selbstfahrender Autos nutzt: Kameras, Radar und eine sich drehende Lidar-Einheit auf dem Dach scannen die Umgebung, erzeugen ein 3D-Bildnis der Umgebung und lassen das Auto so navigieren. Da der Wagen nicht auf Autobahnen oder Schnellstraßen zum Einsatz kommen soll und somit nicht mit hohen Geschwindigkeiten unterwegs ist, reichen Radar- und Lidar-Sensoren mit geringerer Reichweite als bei anderen autonomen Autos, so Dave Ferguson. Die Software habe das Unternehmen komplett selbst neu entwickelt und auf den Transporter zugeschnitten.

Spezielle Technik, um mit anderen Autofahrern oder Fußgängern zu kommunizieren, sind nicht im Nuro eingebaut. Zwar ist es beispielsweise möglich, über Außenbildschirme die nächsten Bewegungen des Autos anzuzeigen. Doch das Nuro-Team hat in Untersuchungen festgestellt, dass solche Techniken andere Verkehrsteilnehmer eher verwirren als dass sie helfen. Wichtiger sei es, die Aktionen des Fahrzeugs vorhersehbar zu machen, sagt Ferguson. Aus diesem Grund besitzt der Wagen etwa eine schwarze Windschutzscheibe. Nicht weil sie zum Fahren nötig wäre, sondern um anderen Leuten erkenntlich zu machen, wo beim Auto „vorne“ ist und in welche Richtung es sich bewegt.

Lokale Geschäfte sollen profitieren

Die beiden Nuro-Gründer sehen die größten Vorteile ihres Autos vor allem für kleine, lokale Geschäfte, wie etwa Gemischtwarenläden, Essenslieferdienste oder Waschsalons. Letzte-Meile-Lieferungen würden immer beliebter und Nuro helfe kleinen Geschäften, auch in Amazon-Zeiten wettbewerbsfähig zu bleiben, glauben Ferguson und Zhu. Sie überlegen auch, den Wagen als eine Art Mobile Store zu vermieten.

Kunden, die per Nuro-Auto beliefert werden, sollen eine Nachricht aufs Handy bekommen, wenn ihre Lieferung vor der Tür ist. Sie erhalten einen Code, den sie am Transporter eingeben, um so das Fach öffnen zu können. Später soll das auch per Gesichtserkennung funktionieren.

Drei Faktoren haben für Ferguson dafür gesprochen, sich auf Lieferungen zu spezialisieren und Passagiere außen vor zu lassen: Zum einen sei es ein für viele Menschen relevantes Thema und liefere damit die Basis für ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Zum anderen stelle es eine technische Herausforderung dar, die dem Tüftler Spaß macht. Und außerdem sei es in den nächsten drei bis fünf Jahren für den Markt umsetzbar, schneller als autonomes Fahren mit Passagieren.

Weniger Vorschriften ohne Passagiere

Denn durch den Verzicht auf Passagiere kommen auf Nuro wohl weniger Regulationen zu, weil keine Insassen geschützt werden müssen. Einfache Aspekte wie Sicherheitsgurte und Airbags spielen keine Rolle. Und das Fahrzeug kann den Fokus auf die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer richten: In kritischen Situationen kann es beispielsweise ohne Bedenken in einen Baum rammen statt mit einem Fußgänger zusammenzustoßen.

Und auch das schlanke Design trägt zur Sicherheit bei. Ursprünglich stammt es von der Idee der beiden Gründer, den Transporter für Bürgersteige zu designen. Obwohl sie sich dann doch für die Straße entschieden haben, ist der schmale Bau geblieben. „Selbst bei einem perfekten selbstfahrenden Auto kann es passieren, dass eine Person zwischen zwei Fahrzeugen auf die Straße tritt und ein Unfall nicht mehr zu verhindern ist“, sagt Ferguson. Der tödliche Unfall mit einem autonomen Auto von Uber in Arizona ist leider ein gutes Beispiel dafür. „Mit einem schmaleren Fahrzeug hat man rund einen Meter mehr Spielraum und kann den Zusammenstoß womöglich noch vermeiden.“

Das Nuro-Konzept scheint Investoren zu überzeugen. 92 Millionen US-Dollar hat das Start-up bisher eingesammelt, das meiste davon von den beiden Investoren Banyan Capital und Greylock Partners. In Kalifornien hat Nuro jetzt auch die Erlaubnis für Tests auf öffentlichen Straßen bekommen. Noch vor Ende des Jahres sollen die Autos dann die ersten richtigen Lieferungen ausfahren. Dafür ist das Start-up in Gesprächen mit größeren und kleineren Unternehmen. Welche genau das sind verraten Ferguson und Zhu aber noch nicht.

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