Wovon träumt fast jede Wohnungsbesitzerin und fast jeder Mieter? Vom eigenen Balkon, auf dem sie Luft und Sonne genießen können. „Der Außenraum steht in der Gunst der Bewohner noch über der Garage oder einem Bad mit Tageslicht“, sagt Daniel Hoheneder. Der Münchener ist gelernter Architekt, er kennt die Wünsche von Mietern und Bauherren. Aber er weiß auch, wie kostbar Wohnraum nicht nur in seiner Heimatstadt ist.

Ein Balkon wird deshalb immer häufiger zum Luxus, auf den man zugunsten eines weiteren Zimmers verzichtet. „Was wäre die Lösung?“, fragte sich Hoheneder schon während des Studiums. Inzwischen haben er und seine Mitgründerin Lisbeth Fischbacher ein System entwickelt, das sich nahtlos in das Konzept der Smart City einordnet.

Ihre „Flissade“ ist ein Zimmer, das mit wenigen Griffen zum Außenraum wird. Der flexible Wohnraum ist deshalb an schönen Tagen eine Loggia, bei schlechtem Wetter ein kuscheliges Zimmer. Dazu werden Schiebeelemente aus Glas und Metall bewegt und so die Wohnfläche verändert. Sind die Glaswände an die Außenseite des Zimmers geschoben, hat man ein geschütztes Wohnzimmer. Sind sie an der Innenseite, wird das Zimmer zum Balkon. Der Esstisch kann ganzjährig am gleichen Ort bleiben und steht dennoch abwechselnd offen oder geschützt.

Mal Zimmer, mal Balkon

„Balkone sind die heimlichen Brachflächen der Stadt“, sagt Hoheneder. Deshalb fallen sie oft den widerstrebenden Ansprüchen zum Opfer: Investoren wollen möglichst viel Wohnraum herausholen, Bewohner einen gut nutzbaren Außenraum – beides passt nicht zusammen. Außer, man gestaltet Räume multifunktional. Bislang gibt es dazu noch wenig Ideen, die Flissade-Gründer haben nun die bekannten Typologien im Wohnungsbau hinterfragt. Heraus kam eine neue Kategorie: die Verbindung von Frei- und Innenfläche.

Mit dem Konzept konnte das Start-up die Münchener Stadtwerke (SWM) überzeugen. Die errichten derzeit ein Mehrfamilienhaus mit Mikro-Apartments für Mitarbeiter. Die Einheiten sind bis zu 25 Quadratmeter groß und sollen U-Bahnfahrerinnen oder Beschäftigten bei der Müllabfuhr bezahlbaren Wohnraum an Deutschlands teuerstem Miet-Standort bieten. Mithilfe der Flissade-Lösung vergrößert der Bauherr diese Werkswohnungen um mehr als ein Viertel – und hat zugleich den Wohnwert durch eine begehrte Freifläche dramatisch gesteigert. Wegen der großen Glasfront heizen sich die Wohnungen im Winter zudem stärker durch die Sonne auf, das spart Energiekosten. „Ein Gewinn für alle“, sagt Hoheneder.

Jeder Quadratmeter zählt

Damit das Konzept allen baulichen Anforderungen genügt, setzt Flissade unter anderem eine dreifache Isolierverglasung ein. Sämtliche Dichtungen und Einzelteile sind von höchster Qualität, versichert Hoheneder. Flissade versteht sich jedoch nicht als Hersteller, sondern als Entwickler. „Wir lassen alle Elemente von Spezialbetrieben in Südtirol und in der Region München fertigen.“ Die junge Firma arbeitet dabei mit Zulieferern auf der einen Seite, mit Bauherren und Architekten auf der anderen zusammen.

Technisch fügt sich eine geschlossene Flissade in die sogenannte thermische Hülle des Hauses ein. Sind die Scheiben geschlossen, zeigt das Gebäude eine glatte Außenfassade. Sobald die Sonne herauskommt öffnen die Bewohner ihre Fronten und der Anblick des Hauses verändert sich vollkommen.

Zu den Kosten wollen die Gründer keine konkreten Angaben machen. Die variieren von Projekt zu Projekt. Klar ist aber, dass an einem Standort wie München jeder Quadratmeter zusätzlicher Wohnraum sehr viel Geld wert ist. Beim Kauf wurden dort pro Quadratmeter im vergangenen Jahr je nach Lage schon mal 7500 Euro fällig. In der Regel ist es da effektiv, diesen Raum mithilfe von Flissade zu gewinnen.

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