Die Negativ-Meldungen überschlagen sich: 2017 war laut der Weltwetterorganisation WMO eines der drei wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen vor fast 170 Jahren. Den Rekord mit der höchsten Durchschnittstemperatur insgesamt hält das Jahr 2016. Der Anteil an Treibhausgasen in der Luft hat 2016 so stark zugenommen wie nie zuvor seit Beginn der Messungen. Das Ewige Eis schmilzt, Gletscher verschwinden. Allein in der Antarktis ging in den vergangenen fünf Jahren im Mittel dreimal so viel Eis verloren wie in den 20 Jahren zuvor. Der Klimawandel schreitet immer schneller voran und lässt viele Menschen hilflos zurück.

Aber es gibt auch positive Signale: Wie der Energiekonzern E.on gerade meldet, erreichte die Menge an Strom aus Erneuerbaren Quellen in Deutschland mit mehr als 100 Kilowattstunden (kWh) im ersten Halbjahr einen neuen Rekordwert. 55 Milliarden kWh stammten aus Windkraftanlagen, ein plus von 7 Milliarden kWh; Solaranlagen lieferten 21 Milliarden kWh (plus eine Milliarde kWh) und Biomasse unverändert 20 Milliarden kWh. Der Rest des Ökostroms stammt aus Wasserkraftanlagen. Insgesamt ist das ein Drittel mehr als noch vor drei Jahren.

Ein Katalog von 80 Maßnahmen

Allerdings wird der Zuwachs an Erneuerbaren Energien bei der Stromproduktion allein nicht genügen, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen zu verlangsamen. Was aber immer noch möglich ist, wie der US-amerikanische Umweltschützer und Bestseller-Autor Paul Hawken zeigt. Gemeinsam mit Wissenschaftlern, Ökonomen und Geschäftsleuten hat er auf der Webseite „Drawdown“ (zu Deutsch: Absenken) einen Katalog unterschiedlichster Maßnahmen zusammengestellt, mit deren Hilfe es die Menschheit innerhalb der nächsten 30 Jahre schaffen kann, die Konzentration der Treibhausgase endlich zu senken.

Die Vorschläge mussten dabei fünf Kriterien erfüllen, damit Hawken sie überhaupt für die Liste in Betracht zog: Ist die Lösung aktuell schon umsetzbar? Ist sie wirtschaftlich? Kann sie in den kommenden 30 Jahren mindestens 50 Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen? Überwiegen die positiven Effekte mögliche negative Effekte des Ansatzes? Und gibt es genug Daten, um den möglichen Effekt der Lösung zu modellieren? Für alle Ansätze, die die Punkte erfüllen, hat Drawdown die möglichen Einsparungen berechnet und sie danach sortiert in die Liste aufgenommen.

Wer sich durch das Ranking klickt, findet neben naheliegenden Maßnahmen wie eben die klimafreundliche Energieerzeugung auch Punkte, an die vielleicht nicht jeder beim Thema Klimaschutz denkt:

Klimaaktive Kühlmittel ausmustern

Ganz vorne auf Platz eins der Maßnahmen steht das Verbot einer bestimmten Gruppe von Kühlmitteln. Jeder Kühlschrank und jede Klimaanlage enthält chemische Kältemittel, die Wärme absorbieren und abgeben, um eine Kühlung zu ermöglichen. Einst wurden dafür Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) verwendet – doch sie zerstören die Ozonschicht. Dank des Montrealer Protokolls von 1987 wurden sie aus dem Verkehr gezogen. Fluorkohlenwasserstoffe (FKW), die wichtigsten Ersatzstoffe, schonen zwar die Ozonschicht, sind aber sehr viel klimaschädlicher.

Die gute Nachricht: An diesem Problem wird bereits gearbeitet. Im Oktober 2016 trafen sich Vertreter aus mehr als 170 Ländern und erwirkten, dass das Montrealer Protokoll ergänzt wird. Demnach wird die Nutzung der FKW beendet, beginnend mit Ländern mit hohem Einkommen im Jahr 2019, dann folgen Länder mit niedrigem Einkommen im Jahr 2024 und die übrigen im Jahr 2028. Wissenschaftler schätzen, dass sich dadurch die globale Erwärmung deutlich reduzieren lässt – sofern die Kältemittel sorgfältig entsorgt werden.

Lebensmittelverschwendung reduzieren

Während bei den Kühlmitteln der einzelne Verbraucher nicht besonders viel beitragen kann, sieht es beim Thema Ernährung schon ganz anders aus. Über 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel landen nach Angaben der Umweltorganisation WWF allein in Deutschland pro Jahr im Müll. Weltweit schaffen es ein Drittel aller Lebensmittel, die erzeugt werden, gar nicht erst zum Verbraucher. Richtlinien von Supermärkten verhindern, dass Obst und Gemüse, das außerhalb der Normvorschriften liegt, überhaupt im Handel angeboten wird.

Teilweise wird es nicht einmal geerntet, sondern verdirbt noch auf dem Feld. Nach Schätzungen des WWF erreichen 30 Prozent der Karotten und rund zehn Prozent der Äpfel nie den Nachernteprozess. Andere Produkte werden aus den Regalen aussortiert, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, obwohl sie noch lange essbar wären. All das sind Lebensmittel, die unter erheblichem Energieaufwand und Verbrauch von Pestiziden und Dünger erzeugt werden, nur um anschließend in der Tonne zu landen. Weggeworfene Nahrung ist für etwa acht Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich, errechnen die Wissenschaftler von Drawdown.

Es gibt zahlreiche Wege, um diese sinnlose Verschwendung in den Griff zu bekommen. In einkommensschwächeren Ländern ist es unerlässlich, die Infrastruktur für Lagerung, Verarbeitung und Transport zu verbessern. In Regionen mit höherem Einkommen sind größere Eingriffe auf der Einzelhandels- und Verbraucherebene erforderlich. Nationale Ziele und entsprechende Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung können weitreichende Veränderungen fördern. In Frankreich etwa wurde vor knapp zwei Jahren ein Gesetz erlassen, das es Supermärkten verbietet, Essen wegzuwerfen. Stattdessen müssen sie Übriggebliebenes an wohltätige Organisationen spenden.

Weniger Fleisch essen

Ähnlich wirksam ist eine Maßnahme, die für manch einen schmerzhaft erscheinen mag, sich aber ganz leicht umsetzen lässt: Weniger Fleisch essen. Der weltweite Fleischkonsum ist für ein Fünftel der globalen Klimaemissionen verantwortlich. „Wenn Rinder eine eigene Nation wären, wären sie der weltweit drittgrößte Emittent von Treibhausgasen“, schreiben die Drawdown-Wissenschaftler.

Die Umstellung auf eine vegetarische Ernährung reduziert die Emissionen und ist zugleich tendenziell gesünder, was auch die Zahl chronischer Krankheiten reduzieren würde. Laut einer Studie aus dem Jahr 2016 reduziert eine Ernährung auf vorwiegend pflanzlicher Basis, aber inklusive Käse, Milch und Eier, die Klimabelastung um über 60 Prozent. „Pflanzliche Optionen müssen verfügbar, sichtbar und verlockend sein, einschließlich hochwertiger Fleischersatzstoffe“, so die Wissenschaftler von Drawdown. Notwendig sei auch das Ende preisverzerrender Subventionen für die Viehwirtschaft, wie sie etwa in den USA üblich sind, sodass die Preise für tierisches Protein ihre wahren Kosten genauer widerspiegeln.

Naturnahe Landwirtschaft

Apropos Viehhaltung: Einen großen Beitrag zum Klimaschutz attestieren die Wissenschaftler der Hutewaldhaltung – also wenn ein Wald als Tierweide genutzt wird. Diese historische Form der Nutztierhaltung hat gleich mehrere Vorteile. Zum einen absorbieren Bäume die besonders klimaaktiven Methanausscheidungen von Kühen und Rindern – je mehr Wald, desto besser. Zudem steigert diese traditionelle Form der Waldbewirtschaftung die Artenvielfalt und schützt Böden.

Besonders effektiv wären solche Aufforstungsmaßnahmen in den tropischen Regenwäldern. Dazu stünden in der globalen und sehr mächtigen Fleischindustrie gewaltige Veränderungen an, die aber besonders effektiver Klimaschutz wären. Das Wissenschaftler-Team schätzt, dass bei einer Ausdehnung der weltweiten Huteweidefläche bis 2050 auf 139 Millionen Acres (gut 56 Millionen Hektar), sich die Kohlendioxidemissionen um 31,2 Gigatonnen reduzieren ließen.

Empowerment von Frauen

Riesiges Potenzial hat dem Drawdown-Projekt zufolge zudem eine Kombination von zwei sozialen Maßnahmen: Bildung für Mädchen und Zugang zu Verhütungsmitteln. Es ist statistisch nachgewiesen, dass bei längerer Schulbildung von Mädchen ihr Heiratsalter steigt und die Kinderzahl sinkt. Wesentlich dabei ist der Zugang zu Verhütungsmitteln, wodurch sie ungewollte Schwangerschaften selbstbestimmt verhindern können. Dies wird aber bislang Abermillionen Frauen auf der ganzen Welt verwehrt. Bis zum Jahr 2050 ließe sich durch mehr Bildung für Frauen und gesicherte Familienplanung der Zuwachs der Weltbevölkerung um eine Milliarde Menschen reduzieren. Das würde CO2-Emissionen von knapp 120 Milliarden Tonnen verhindern.

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