Es gibt über fünf Billionen Plastikstücke in den Weltmeeren. Die schwimmende Müllinsel im Zentrum des Pazifischen Ozeans, genannt „Great Pacific Garbage Patch“, hat die Öffentlichkeit in ihren Bann gezogen. Doch der Begriff wird dem gigantischen Problem nicht gerecht. Denn wenn man an dieser Stelle auf einem Boot stünde, würde man keineswegs riesige Plastikinsel sehen. Stattdessen erblickte man endlose kleine Fragmente, die auf der Oberfläche des Ozeans schweben. Einer Schätzung zufolge bedeckt diese Plastiksuppe eine Fläche, die doppelt so groß ist wie die der USA.

Während sich Plastik durch unsere Meere bewegt, zerfällt es in kleinere Stücke – die Art von Stücke, die leicht vom Meeresleben verschluckt werden können. Die Wissenschaft findet heute bereits Ablagerungen auf dem Boden der Ozeane. Forscher und Firmen arbeiten daran, den Fluss von Plastik in unsere Ozeane zu stoppen und das bereits vorhandene Material loszuwerden, bevor das Problem noch schlimmer wird.

Meerreinigungs-Projekte gibt es zuhauf

Die einfachste Antwort auf das Kunststoffproblem ist der Versuch, das zu reinigen, was bereits im Meer treibt. Da gibt es örtliche Strandreinigungen – bis hin zu groß angelegten High-Tech-Projekten wie „The Ocean Cleanup“. Das wurde vom damals 18-jährigen niederländischen Unternehmer Boyan Slat konzipiert. Sein ehrgeiziges Projekt zielt darauf ab, riesige Barrieren zu nutzen, um Plastik passiv einzufangen, während es sich um Ozeankreisel bewegt – die großen zirkulierenden Strömungen, die das schwimmende Plastik an seinem Platz halten. Durch die Verankerung der Barrieren im tiefen, sich langsam bewegenden Wasser wird das System langsamer als der Kunststoff, der sie umgibt, sodass sich der Schmutz an der Barriere ansammelt. Das Team hinter dem Projekt schätzt, dass der Einsatz innerhalb von fünf Jahren etwa 50 Prozent des „Great Pacific Garbage Patch“ säubern könnte. Und der Rest?

Die Ozeanreinigung wäre effektiver, wenn man den Plunder schon abfängt, bevor er im Meer landet. Etwa an den Mündungen großer Flüsse, denn aus nur 20 Strömen stammen gut 80 Prozent des gesamten Plastiks im Meer. Der nächste Ansatz heißt „Seabin“. Mithilfe von solarbetriebenen Pumpen sitzen diese an der Wasseroberfläche und saugen den Schmutz an, der sich sammelt. Ein weiterer Vorschlag sind Unterwasserdrohnen. Die autonomen Fahrzeuge könnten durch plastikgesättigte Bereiche des Ozeans huschen und mit ihren kreisförmigen „Kiefern“ den Plastikmüll aufschnappen, während sie alle Fische per Schalltransmitter von sich fernhalten. Oder aber das „Pacific Garbage Screening“-Projekt, das den Müll mit einem riesigen Kamm aus dem Wasser fischen soll.

Geistesblitz auf dem Dach

Doch manchmal hilft auch der Zufall. Der chilenische Forscher Patricio Kim stand auf dem Dach seines Hauses. Wegen des starken Regens im Winter deckte der Wissenschaftler es zusätzlich mit Plastikfolie ab. Am Ende des Winters wollte er die Folie entfernen – doch sie war verschwunden. In der Dachrinne lag Schmutz, der wie Erde aussieht und Minifragmente aus Plastik. Davon nahm er eine Probe mit ins Labor. Er entdeckte ein Bakterium, das sich von Plastik ernährt. Erstaunlich, denn das leisten nur wenige Bakterien. Kim und sein Kollege Rocio Tijaro-Rojas machten sich auf die Suche. Gibt es noch weitere Wesen, die Plastik verstoffwechseln? Sie wurden fündig. Sechs Bakterien- und Pilzstämme finden sich, alle lieben Polyethylen.

Alle leben in der Atacamawüste, einer der trockensten Wüsten der Welt. „Wir haben uns nur auf Polyethylen mit hoher Dichte konzentriert, wie es zur Herstellung von Beuteln verwendet wird, die an Supermärkte geliefert werden“, sagt Rocio Tijaro-Rojas. Noch keine Ergebnisse gebe es für Polypropylen, PVC und andere Arten von Kunststoff auf dem Markt. Doch es ist ein Anfang, der aus dem kleinen – und weit entfernten – Staat kommt.

Polyethylen ist ein Kohlenwasserstoff mit langer Kohlenstoffkette, der aus Öl gewonnen wird. Die Bakterien können den Stoff abbauen und die Kohlenstoffquelle als Nahrung nutzen. Was als Abbauprodukten so übrig bleibt hat Kim noch nicht verraten – ein Abschlussbericht der über zwei Jahre laufenden Testphase steht noch aus und der Forscher will sein Projekt schließlich auch kommerzialisieren.

Erster Bioreaktor im Oktober

Jetzt nimmt die theoretische Forschung Gestalt an. Seit April bauen die Wissenschaftler einen Bioreaktor. Der Prototyp ist im Oktober fertig. Im Reaktor hausen dann jene Bakterien, die die eingeworfenen Plastiktüten einfach aufessen. Dazu sei es sinnvoll, so die Forscher, die Beutel vorher mechanisch zu schreddern, damit der Prozess im Bioreaktor schneller abläuft.

Und: Die Idee ließe sich wohl auch verkaufen, glaubt Tijaro-Rojas, der seinen Abschluss in Ingenieurwissenschaften machte. Immerhin, die Industrie horcht nun auf: „Wir sind mit Unternehmen verbunden, die Plastikabfälle produzieren. Sie wollen das Problem lösen.“

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