Das wird teuer: Um die europäischen Klimaziele zu erreichen, muss Deutschland in den kommenden Jahren reichlich Emissionsrechte von anderen EU-Staaten zukaufen. Der Thinktank Agora Energiewende warnt in einer neuen Studie vor Milliardenkosten. Denn die Bundesregierung hat immer wieder große Klimaziele verkündet, mitbeschlossen – und dann nichts umgesetzt.

Agora-Direktor Patrick Graichen sagt deshalb: Nichtstun beim Klimaschutz wird „für den Steuerzahler zu einer teuren Angelegenheit.“ Da fragt man sich: Wäre das Geld nicht im eigenen Land besser angelegt? Till Rehwaldt, Präsident des Bunds deutscher Landschaftsarchitekten, sieht das so: „Deutschland ist vor gravierenden Auswirkungen einer Heißzeit nicht gefeit. Bund, Länder und Kommunen müssen ihre Anstrengungen erhöhen.“ Vor allem „kommunale und regionale Klimaanpassungsprojekte“ müssten stärker gefördert werden.

Klar, die großen Hebel lauten: mehr Erneuerbare Energien und sparsamere Autos. Ein Pilotprojekt in der texanischen Stadt Austin zeigt, wie es noch gehen könnte: mit den Carbon+ Credits der gemeinnützigen Organisation City Forest Credits (CFC). Das sind CO2-Zertifikate, die speziell für Städte designt sind.

Aufwendige Stadtbegrünung

Bäume in Städten sind teuer. Pflanzen, pflegen, gießen, alles aufwendig. Die Vorteile von Bäumen bringen erstmal keinen Euro: Sie kühlen die Stadt, sorgen für frische Luft, reinigen Abgase und sind gut fürs Wohlergehen der Städter. Aber wer gibt schon 2000 Euro für Bäume aus, um bei der Klimaanlage wieder 15 Euro einzusparen? Eben.

Die Carbon+-Credits von CFC funktionieren als CO2-Zertifikat: Unternehmen können sie kaufen, um ihren CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Entweder, weil Gesetze es vorschreiben, oder um Werbung für sich zu machen, oder sogar – ganz verrückt – einfach aus Klimaschutz-Gründen.

Solch eine Kompensation ist in Deutschland vor allem bei Reisen üblich. Unternehmen können sich damit aber auch am Ende des Jahres eine komplette Klima-Neutralität erkaufen. Projekte, die das ermöglichen, pflanzen Bäume im Regenwald oder verteilen Solar-Kocher in armen Regionen, was sicher effektiv ist, aber auch weit weg.

CFC hofft nun auf Kompensationswillige, die vor der Haustür sehen wollen, was mit ihrem Geld passiert. Wenn eine Bürgerinitiative beschließt, eine alte Halde am Stadtrand oder einen Seitenstreifen neben der Hauptstraße neu zu bepflanzen, dann kann sie sich von CFC zertifizieren lassen und eine gewisse Menge an Carbon+-Credits an interessierte Unternehmen verkaufen.

Nicht nur CO2, auch Feinstaub

Diese Credits beinhalten nicht nur den Gegenwert einer Tonne CO2, sondern auch eine gewisse Menge aufgefangenes Regenwasser, ein kleines Plus an Luftqualität (etwa Stickoxide und Feinstaub) und eine kleine Menge an gesparter Energie. Man kompensiert nicht nur, sondern macht die (Um-)Welt insgesamt ein kleines bisschen besser. Überprüft wird das von einem unabhängigen Unternehmen, beim CFC-Probelauf in Austin heißt dieses Ecofor. Betrugsmöglichkeiten sollten schließlich ausgeschlossen sein.

Im besten Fall bilden sich kleine Umweltunternehmen, die Städte wo immer möglich begrünen. Oder gefährdete Bestände pflegen. In Deutschland hätten es einige Orte nötig. Etwa liegt in München und Leipzig der Grünflächenanteil bei unter 50 Prozent, in Köln, Berlin und Frankfurt noch unter 60 Prozent. In den Innenstädten ist es jeweils deutlich grauer.

Die Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz, eine Art Grünflächenlobby, pflegt für Deutschland bereits eine umfassende Straßenbaumliste. Und sie fordert schon länger mehr Bepflanzung von Straßenrändern. Denn gerade hier steht die Tierwelt unter Druck. Links der SUV, rechts der Mähdrescher, das ist schlecht für Insekten und Vögel.

Und im städtischen Raum wachsen Bäume schneller als auf dem Land – das zeigt eine neue Studie der TU München. Ein Team um Professor Hans Pretzsch konnte feststellen, dass das Wachstum von städtischen Bäumen ein guter Indikator dafür ist, welchen Einfluss der Klimawandel künftig auf alle Bäume haben könnte. Grund könnte der „Wärmeinsel-Effekt“ der aufgeheizten Innenstädte sein. Vermutlich wachsen sie aber nicht nur schneller, sondern altern insgesamt schneller. Was für die CO2-Kompensation von Vorteil ist, könnte insgesamt zum Problem werden. Vorerst sieht Pretzsch es positiv und spricht von einer „größeren Dynamik“ im urbanen Ökosystem. (Die Studie finden Sie im Fachmagazin Nature.)

Noch gibt es kein vergleichbares Projekt in Deutschland. Kompensations-Anbieter wie Atmosfair bieten hierzulande Bildungs-Projekte an, setzen sonst aber eher auf Ökostrom im Ausland. The Compensators aus Berlin sammeln Geld, um europäische CO2-Zertifikate zu kaufen, die dann dem Markt nicht mehr zur Verfügung stehen und verfallen. Derzeit pausiert das Projekt leider, da die EU überlegt, die festen Emissions-Begrenzung aufzuweichen – aber eigentlich eine pfiffige Idee. Climatefair investiert in deutsche Energie-Projekte und Primaklima immerhin in einen Wald im Vogtland.

Stadt-Zertifikate teurer

Dabei entdecken immer mehr Staaten Bäume als Möglichkeit, ihre CO2-Emissionen auszugleichen. Ein Report der NGO Forest Trends zeigt, dass 2016 schon sieben Staaten entsprechende Marktmechanismen aufbauen. In China ist sogar eine komplette Waldstadt geplant:

Forschern der Stanford University zufolge kostet eine Tonne CO2 in Kalifornien derzeit rund zehn US-Dollar – dort müssen Unternehmen seit 2013 CO2-Ziele einhalten. Allein über den Handel zwischen den Firmen und kalifornischen Waldbesitzern hätten umgerechnet fünf Prozent der Emissionen aus Fahrzeugen ausgleichen können. Die Vermeidungskosten in der EU liegen heute schon höher und dürften in den kommenden Jahren weiter ansteigen. Die OECD sieht realistische CO2-Preise bei über 30 US-Dollar pro Tonne.

In den USA sind die Credits für urbane Bepflanzung allerdings deutlich teurer als Vergleichsprojekte im Nirgendwo. Genaue Preise gibt es noch nicht, CFC veranschlagt für eine eingesparte Tonne CO2 20 US-Dollar, dazu kommen aber noch Abwasser- und Kraftwerksemissionsvermeidungskosten. (Ein Wort, um das uns die US-Amerikaner beneiden dürften.)

Diese Kosten berechnet CFC anhand der konkreten Kraftwerke, Anlagen und Preise vor Ort. Es könnte also auch sein, dass die Kosten unter denen europäischer CO2-Zertifikate liegen.

Die Wissenschaftsjournalistin Maria Dolan schreibt dazu in einem Beitrag für das Magazin CityLab: „Urbane ‚Credits‘ werden teuer sein – ein Vielfaches von dem was ein klassischer Kredit für CO2 kosten würde. Denn städtischer Grund ist nicht billig, und Stadtbäume sind teurer als Waldbäume – sowohl zu pflanzen als auch zu pflegen.“

Am Ende hänge ein Erfolg davon ab, ob andere externe Effekte eingepreist werden können – etwa die Temperatursteuerung oder die Luftqualität. Vielleicht lassen sich deutsche Autobauer ja auf den Deal ‚Bäume statt Fahrverbote‘ ein? Dann könnte so ein Stadtwald-Zertifikat eine spannende Ergänzung zu klassischen Kompensationsprogrammen sein.

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