Die Energiewende in Deutschland ist vor allem eine Stromwende. Die Nutzung von Abwärme führt dagegen ein Schattendasein. Das Potenzial ist jedoch enorm.

Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH hat 2010 geschätzt, dass das Einsparpotenzial bei der industriellen Abwärme bei rund 125 Terawattstunden (TWh) im Prozesstemperaturbereich ab 60 Grad liegt. Dahinter steckt ein Einsparpotenzial von fünf Milliarden Euro pro Jahr – den ökologischen Nutzen noch nicht eingerechnet.

New Energy Building Materials – kurz Nebuma – ist ein Start-up aus Saarbrücken, das genau diesen Markt im Blick hat. Nebublock nennt Martin Schichtel seinen Speicher, der aus einem steinartigen, synthetischen Material besteht. Erst seit dem vergangenen Jahr ist er damit auf dem Markt und hat schon einen Weltrekord aufgestellt. Der mobile Speicher in der Größe eines 20-Fuß-Containers ist darauf ausgelegt, Wärme mit einer Temperatur von 1100 Grad von einem Industrieunternehmen aus der Stahlbranche zu einem Einkaufszentrum zu bringen.

Mobiler Speicher für große Heizleistung

16 Megawattstunden (MWh) hält der Speicher und könnte damit ein Jahr lang ein Einfamilienhaus mit Wärme versorgen. Das Einkaufszentrum benötigt diese Menge dagegen im Winter täglich. Ist die Wärme fast aufgebraucht, sendet der Container ein Signal und er wird ausgetauscht. Schichtel: „Einen mobilen Speicher dieser Art gibt es bisher nicht, insbesondere keinen, der diese Temperatur aufnimmt.“

Dies liegt daran, dass Hochtemperaturspeicher kaum über 500 Grad hinausgehen. Um aber auch große Hitze nutzen zu können, hat sich Schichtel etwas Besonderes einfallen lassen. Der Naturwissenschaftler stellte aus verschiedenen Recyclingmaterialien, etwa Schlacke aus Hochöfen, ein Pulver her. Der Vorteil ist, dass diese Materialien bereits mit hohen Temperaturen in Kontakt kamen und sich nicht mehr verändern.

Das Pulver kann aber keine Wärme einspeichern. Dafür wird es mit einem von Schichtel selbst entwickelten Bindemittel, das aus der Nanotechnologie stammt, vermischt. „Damit entsteht eine Kombination aus guter Leit- und guter Speicherfähigkeit“, erklärt der Tüftler, der zwei Jahre für die Entwicklung der optimalen Materialien benötigte.

Den Temperaturen sind damit nach oben fast keine Grenzen gesetzt. Selbst 1300 Grad sind möglich – doppelt so hoch wie bei herkömmlichen Feststoff-Speichern. Eine Entwicklung, für die das fünfköpfige Team um die beiden Gründer Schichtel und Susanne König als „Innovator des Jahres“ im Rahmen des 5. Deutschen Mittelstands-Summits ausgezeichnet wurden.

Granulatspeicher aus Kugeln

Neben dem stationären Block entwickelte der Tüftler aus dem Saarland einen Granulatspeicher, bei dem das Speichermedium aus 10 bis 20 Millimeter kleinen Kugeln besteht, die ohne Umwege über Wärmetauscher direkt aus heißem Abgas aufgeladen werden.

Flexibel sind die Speicher auch beim Trägermedium. Fast alles ist möglich – von Abgas über heiße Luft bis hin zu flüssigem Salz. „Dadurch wird das Anwendungsspektrum erheblich erweitert“, stellt Schichtel heraus. Das Granulat saugt Wärme aus dem Luftstrom, die gespeichert und im Betrieb wieder eingesetzt wird. Das ersetzt die Verwendung fossiler Energieträger und spart dem Unternehmen Kosten.

Die gespeicherte Wärme kann auch rückverstromt werden. Bisher ist das in vielen Fällen nicht wirtschaftlich. Die meisten Aggregate nutzen organische Lösungsmittel und haben lediglich einen Wirkungsgrad von 10 – 20 Prozent. „Wir können mit unserem Speicher Dampfturbinen einsetzen, was die Effizienz auf über 40 Prozent bringt“, erklärt der Unternehmer. Eine Kombination aus Gas- und Dampfturbine erhöht die Effizienz sogar auf 50 bis 60 Prozent. Wird die Restwärme ins Fernwärmenetz eingespeist, steigt der Grad der Wirtschaftlichkeit noch weiter an.

Idee aus dem Fernsehen

Ob Block oder Granulat – das Prinzip ist immer identisch. Nur wenn der Druck wie bei heißem Dampf sehr groß sei, eigne sich der Block besser, erklärt der Chemiker, der Erfahrungen in verschiedenen Forschungsinstitutionen und der Industrie sammelte.

Nur per Zufall ist er auf das Thema aufmerksam geworden. Es war ein Fernsehbeitrag über einen Betonspeicher vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der ihm nicht mehr aus dem Kopf ging. „Meine Neugierde war geweckt“, erzählt er. Es war vor allem die Idee, einen günstigen Speicher für hohe Temperaturen zu entwickeln, die ihn faszinierte.

Genau das ist ihm gelungen: Kein anderes Material kann bisher so hohe Temperaturen speichern und es ist auch noch günstig. „Die spezifische Investition bei unserem Speicher liegt bei 20 Euro pro Kilowattstunde. Bei Lithium-Ionen Speicher liegt dies bei 500 Euro pro Kilowattstunde“, erklärt Schichtel. Das System sei zudem wartungsfreundlich und die Haltbarkeit schätzt er auf 30 Jahre.

Nachhaltigkeit spielt ebenfalls eine Rolle. Bei der Herstellung entsteht aufgrund des zu 85 Prozent verwendeten Recyclingmaterials 320 Kilogramm CO2 je Tonne Speichermaterial. Bei einem herkömmlichen Betonspeicher sind es immerhin 900 Kilogramm je Tonne.

Politik will mehr Abwärme nutzen

Immer mehr Unternehmen würden über eine Nutzung der Abwärme nachdenken. Der politische Druck werde immer größer, so Schichtel. „Es ist eine Spirale, die sich langsam anfängt zu drehen.“ Würden die Preise für CO2-Zertifikate weiter ansteigen, werde es auch wirtschaftlich interessanter.

Wärmequellen über 400 Grad gibt es reichlich: Stahlindustrie, Eisenherstellung, Glas, Keramik, Metallverarbeitung. Überall entsteht große Hitze, die nicht genutzt wird. Schichtel: „Der Jahresenergiebedarf eines großen Stahlwerkes liegt bei etwa 25 TWh thermischer Energie, die über Kohle, Koks, Öl und Strom bereitgestellt wird. 13 TWh gehen dabei durch die Schlote in die Umwelt zurück.“

Für Schichtel ist der Deutsche Abwärmemarkt zwar aufgrund der Größe spannend und weilt sich auch nach und nach die politische Erkenntnis durchsetzt, dass eine Wärmewende wichtig ist. Doch er denkt international. Mit Interessenten in Österreich laufen Gespräche. Projekte in Luxemburg und Belgien sind geplant. Interessant sind für ihn auch Ägypten, Saudi-Arabien und Kuwait. USA und Asien stehen ebenfalls im Fokus.

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