Jürgen Stackmann ist bei Volkswagen Mitglied im sogenannten Markenvorstand, also für die Fahrzeuge zuständig, die auch das VW-Logo tragen. Sein Geschäftsbereich „Vertrieb, Marketing und After Sales“ soll dafür sorgen, dass die Elektroautos des Konzerns auch ihren Weg zum Kunden finden – Edison hat sich mit ihm deshalb über die Zukunftsstrategien der Marke VW unterhalten.

Mit der Rekordfahrt eines Elektroautos zum Pikes Peak hat Volkswagen kürzlich ein Ausrufezeichen gesetzt – und den Countdown ins Zeitalter der Elektromobilität begonnen…
So war es geplant und das ist uns auch gelungen. Zur Freude der Mannschaft haben wir nicht nur den Rekord für Elektrofahrzeuge pulverisiert, sondern gleich auch den für konventionelle Fahrzeuge deutlich unterboten. Pikes Peak hat gezeigt, was mit der Elektromobilität und künftig auch mit der I.D. Familie möglich ist.

Und wie geht es weiter? Die Serienausführung des I.D. kommt erst Anfang 2020 auf den Markt. Bis dahin ist noch eine Weile hin.
Schon 2019 werden wir zeigen, was möglich ist und das erste Fahrzeug auch erlebbar machen. 2020 kommt das Auto dann auf den Markt. Und eigentlich ist es ein Doppelaufschlag, weil der I.D. Crozz schon kurze Zeit darauf folgen wird.

Sie sind den Prototypen des I.D. kürzlich schon gefahren. Wie war das?
Der Wagen sieht wirklich sensationell aus, ist sehr nahe an unserem Showcar. Er sieht nicht nur cool aus, sondern fährt sich auch so. Wahnsinn. Typisch Volkswagen – aber komplett anders. Wir stehen am Anfang eines interessanten Weges in dem Kompaktsegment: Die achte Generation des Golf, die beinahe zeitgleich anläuft, bleibt ein Golf, wie man ihn kennt – aber mit starken Verbindungen in die digitale Welt. Und der I.D. ist etwas völlig Neues und trotzdem typisch Volkswagen. Minimalistisch, aber man vermisst nichts.

„Elon Musk hat die Elektromobilität begehrenswert gemacht“

Besser als das Model 3 von Tesla?
Das Tesla Model 3 ist schon sehr gut. Wir haben als Team viel Respekt vor dem, was Elon Musk für die Elektromobilität geleistet hat. Durch ihn hat Elektromobilität einen anderen Charakter bekommen, ist sie begehrenswert geworden. Darauf können wir gut aufsetzen.

Anders als Tesla müssen Sie die alte Antriebstechnik noch eine Weile parallel anbieten. Wie lange noch?
In der Tat ist das eine Herausforderung für unsere Finanzer. Wir müssen in beide Welten in großem Umfang Entwicklungsgelder geben. Wir müssen die Verbrennungsmotoren weiterentwickeln, um unseren CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Es gibt große Märkte in der Welt, wo Elektromobilität in den nächsten fünf Jahre fast keine Rolle spielen wird. Auch in Europa werden die meisten Autos noch viele Jahre mit Verbrennungsmotoren oder mit Hybridtechnik fahren.

Aber bei Ihnen scheint so etwas wie ein „Umparken im Kopf“ schon stattgefunden zu haben: Sie sind in Gedanken schon in der neuen Welt unterwegs.
In der Tat. Und ich bin begeistert von der neuen Welt. Ich erinnere mich noch gut an jene Vorstandsklausur im Herbst 2015, in der wir beschlossen haben, eine neue, rein elektrische Plattform für die Marke Volkswagen zu entwickeln. Damals war das alles noch so abstrakt. Und in sehr kurzer Zeit ist es so konkret geworden. Jetzt haben wir haben nicht nur irgendein E-Auto, sondern ein sehr überzeugendes Produkt. Und ich bin sicher: Diese Begeisterung über die Dynamik des Antriebs wird der Propeller, der den Absatz des I.D. schnell in die Höhe tragen wird.

„Wir kommen zur rechten Zeit an den Markt“

Und beim kompakten I.D. und dem I.D. Crozz wird es ja nicht bleiben.

Sicher nicht. Der Crozz wird sicher sofort ein Weltauto werden: Es wird das zweite Modell in Europa, aber das erste für USA und China. Die Welt will SUVs. Wir haben aber noch eine Reihe anderer Modelle in der Pipeline. So wird der Vizzion sicher keine Studie bleiben, sondern irgendwann auch in Serie gehen. Limitierender Faktor sind derzeit vor allem die beschränkten Entwicklungskapazitäten, weil wir zwei Entwicklungsstränge weiter verfolgen. Aber wir werden den E-Weg weiter konsequent gehen. Und es freut mich, dass nun auch die Märkte anspringen: Die Nachfrage nach Elektroautos ist größer als das, was wir im Augenblick produzieren können. Wir merken aktuell, dass sich die Einstellung der Kunden jetzt dreht: Viele Menschen können sich inzwischen vorstellen, ein Elektroauto zu kaufen und zu fahren. Wir kommen daher zur rechten Zeit an den Markt!

Wie lange werden Sie denn den e-Golf noch bauen?
Der e-Golf als Mischplattform wird sicher nicht mehr ewig produziert: In der nächsten Generation des Golf wird es keine Variante mit Elektroantrieb mehr geben. Die Gläserne Manufaktur in Dresden wird neben Zwickau deshalb schon bald für den Bau des I.D. sowie gewisser Teile benötigt. Aber aktuell läuft die Produktion noch.

Es hieß, wegen der Umstellung auf die neuen Abgasstandards wäre die Produktion des e-Golf gestoppt.
Warum sollte sie? Zero bleibt Zero an CO2-Emissionen, egal, ob man auf dem Prüfstand oder auf der Straße misst. Der einzig limitierende Faktor ist derzeit die Anzahl der Antriebsbatterien.

Ein Grund mehr, eine eigene Zellproduktion aufzuziehen.
Es wird ja gerade heftig in die Produktion von Batteriezellen in Europa investiert…

..von Lieferanten wie dem chinesischen Hersteller CATL.
Das technische Knowhow fehlt uns nicht, um eine eigene Fertigung aufzuziehen. Wir müssen nur einen Zeitpunkt finden, an dem wir nicht mehr hinterherlaufen, sondern mit dem nächsten Entwicklungsschritt vorangehen können. Wir arbeiten an der Feststoffbatterie, haben uns auch an dem US-Hersteller Quantumscape beteiligt, einem der führenden Entwickler auf dem Gebiet. Noch lässt sich nicht absehen, wann die Feststoffbatterie serienreif ist. Wir werden aber jetzt nicht jahrelang warten, sondern daran mitwirken, auch in den Lithium-Ionen-Batterien über Veränderungen in der Chemie sowohl die Leistung des Akkus wie dessen Kosten verbessern.

Der I.D. soll kein Nischen-, sondern ein Volumenmodell werden. Hat VW die dafür nötigen Batterien?
Klar. Die Lieferungen sind gesichert.

Ihr Aufgabengebiet ist der Vertrieb. Wie wird der I.D. eigentlich in den Handel gebracht – über ausgewählte Händler oder das komplette Netz?
Wir glauben, dass die I.D.-Familie ein Kernprodukt von Volkswagen sein wird und deshalb werden wir für den Vertrieb das komplette Netz nutzen. Das ist ein Schulungs- und Begeisterungsthema, aber der Handel steht voll und ganz hinter dem Thema. Denn sie wissen: Das ist die Zukunft.

Sie wollen mit den Elektroautos auch ein eigenes Carsharing-System nach dem Free Floating-Verfahren aufziehen. Wann geht es los?
Die Details erfahren Sie Ende August. So viel ist schon klar: 2019 werden wir in Deutschland starten, ein Jahr später dann auch in großen Welt-Metropolen. Wir haben Großes vor – in Eigenregie!

Eine Zusammenarbeit mit DriveNow und Car2Go war kein Thema?
Nein, das ist ein Volkswagen-Thema. Unser System wird weit über Carsharing hinausgehen. Die Plattform soll auch Flotten unserer Großkunden aufnehmen können und in der letzten Ausbaustufe auch ein Carsharing unter Kunden – also peer-to-peer – ermöglichen. In den USA funktioniert das schon sehr gut. Notwendig ist dafür nur eine Technologie zum Öffnen und Schließen der Türen und zum Starten des Motors. Die Zusatzbox ist antriebsunabhängig, also auch für Autos mit Verbrennungsmotoren tauglich. Aber wir werden in unserem System nur Elektroautos anbieten.

Sobald der I.D. verfügbar ist?
Nein, wir wollen versuchen, in Deutschland schon 2019 mit dem E-Golf zu starten.

Dafür werden Sie die Produktion in Dresden und Wolfsburg aber noch mal steigern müssen.
Das ist unser Job.

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