Eine Kiste Duplo-Bauklötze, daneben bunte Sitzsäcke und Obst für Mitarbeiter, die an ihren Handys hängen. Was wie ein Besuch in einem Berliner Start-up-Hub wirkt, ist die Eröffnung des neuen Innovationszentrums von Volkswagen in Peking.

Es ist bereits das dritte so genannte Future Center des Autokonzerns. Zwei gibt es bereits in Potsdam und in Belmont in Kalifornien. „Traditionelle Barrieren abbauen“, soll das Konzept laut Jochem Heizmann, VW-Vorstandsmitglied und VW-Chef in China.

Kurz gesagt bedeutet das: VW macht nun auf cool. Es soll keine Hierarchien mehr geben, keine Chefs, die sich in ihren Büros verstecken. Die Mitarbeiter duzen sich und jede Idee ist erst einmal willkommen. Dafür arbeiten Designer, Experten für künstliche Intelligenz, Big Data und Stadtentwicklung sowie Software-Entwickler zusammen.

An dem neuen Standort im Zentrum Pekings sollen vor allem Mobilitätslösungen für chinesische und asiatische Kunden entwickelt werden. „Die halsbrecherische Geschwindigkeit, in der unsere chinesischen Kunden den digitalen Lebensstil und E-Autos annehmen, müssen sich in unserem Design und Dienstleistungen widerspiegeln“, sagt China-Chef Heizmann über den Markt, in dem der Konzern inzwischen jedes zweite Auto verkauft.

Digitale Ideen für die ganze Welt

Die Ideen aus Peking werden aber langfristig nicht nur für China entwickelt, sondern könnten von dort auch in andere Märkte exportiert werden. Vor allem im Bereich der Digitalisierung haben die Chinesen in den vergangenen Jahren gewaltig aufgeholt. Plattformen wie der Messenger WeChat ermöglicht schon heute das Buchen von Taxen und Fahrdiensten wie Uber, das Leihen von Fahrrädern und das Bezahlen dieser – alles in einer App.

Im Bereich der Mobilität und Digitalisierung können viele der ausländischen Kollegen noch von ihren chinesischen lernen. Deshalb stammen auch 60 Prozent der Mitarbeiter aus China. Nur die Minderheit kommt noch aus dem Ausland.

Kopf hinter der VW-Initiative ist Chefinnovator Johann Jungwirth. Er ist seit November 2015 Leiter des neugeschaffenen Fachbereichs Digitalisierung. Vorher war er sieben Jahre im Silicon Valley tätig, zuletzt beim Techgiganten Apple. Der 44-Jährige koordiniert nun die Arbeit an den drei Standorten. Alle paar Wochen fliegt er von Wolfsburg in eines der drei Länder. Der studierte Elektrotechniker ist optimistisch. „Die ersten selbstfahrenden Fahrzeuge werden ab 2021 auf den Straßen sein“, ist er sich sicher.

Bei der Eröffnung stellte Jungwirth auch eine neue Version des Sedrics vor, einem E-Modellauto, das autonom fährt und digital vernetzt ist. Es ist das erste Konzeptfahrzeug des Konzerns. Das Auto kann per App, über einen digitalen Assistenten und über eine Art Autoschlüssel gerufen werden, den man per Knopfdruck aktiviert. Die Vollautomatik funktioniert über Kameras auf dem Dach und im Auto sowie Radar und Ultraschall-Sensoren. Gesteuert werden die Anwendungen per Spracherkennung, via Touchscreens und Gestensteuerung.

Während das mit einem E-Antrieb ausgestattete Auto von alleine fährt, können die Passagiere telefonieren, arbeiten oder – das in Peking vorgestellte Konzeptauto heißt sedric night life – Karaoke singen. Das Auto hat eine eingebaute Karaoke-Station mit goldenem Mikrofon sowie einen Fußboden mit Lichteffekten. Eine kleine Spielerei, aber mit klarer Botschaft: VW ist auf der Suche nach dem Auto der Zukunft.

Damit wird VW immer mehr vom Autobauer zum Anbieter von Hardware, Software und eigenen digitalen Mobilitätsservices. Das hohe Tempo für den Umbau ist auch eine Folge des Dieselskandals. Dieser sei ein „Katalysator“ gewesen, sagt Jungwirth heute.

Ob Stadtauto, Lkw oder Sportwagen: Erstmal will sich der Konzern bei seiner Arbeit in Peking keine Grenzen setzen. 38.000 Stunden verbringe jeder Mensch in seinem Leben in einem Auto. Geht es nach Jungwirth, soll der Kunde diese bald zurückbekommen.

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert