Von Hektik ist nichts zu spüren. Eher gemächlich schlendern die Arbeiter an die Montagelinie – an einem Freitagmorgen um 8 Uhr. Den ersten Handschlag tun sie erst um 8:24 Uhr. Und Feierabend ist schon, noch ehe die Turmuhr in der Frauenkirche die fünfte Stunde des Nachmittags schlägt.

In der Gläsernen Manufaktur zu Dresden, dem neuen „Center of Future Mobility“ von Volkswagen, wird der e-Golf produziert, das Elektroauto mit den aktuell größten Absatzsteigerungen in Europa. Vergangenes Jahr wurden nach den Erhebungen des Branchendienstes Automotive Industry Data (AID) 12.265 Exemplare des e-Golf in Westeuropa abgesetzt, fast doppelt so viel wie im Jahr davor (6506).

Produziert wird das Erfolgsmodell im Stammwerk von Volkswagen – und in der Gläsernen Manufaktur zu Dresden. Hier wie da werden momentan täglich 36 Autos im Einschichtbetrieb aus rund 700 Teilen per Hand zusammengebaut. Das ist inzwischen viel zu wenig, um die Nachfrage zu bedienen, die hierzulande durch die Dieseldebatte und die Diskussion um Fahrverbote sowie durch die Ökoprämien für den Kauf umweltfreundlicher Autos kräftig befeuert wird. Bei einer Umfrage durch EDISON vor einigen Wochen hatten einige deutsche VW-Händler sogar erklärt, für dieses Jahr bereits ausverkauft zu sein: Wer heute einen e-Golf ordere, könne erst 2019 erste Ausflüge mit dem Auto unternehmen.

Volkswagen wechselt in Zweischicht-Betrieb

Ganz so schlimm soll es aber nicht werden, mehr als sechs Monate Wartezeit will man Kaufinteressenten nicht zumuten. Ab 3. März wird deshalb der Elektro-Golf in zwei Schichten produziert. Statt um 8:24 Uhr beginnt dann in Dresden die Arbeit schon um 5:54 Uhr – und die Fertigung ruht erst um 22:06 Uhr. Wer sich darüber wundert, dass die Arbeit nicht zur vollen Stunde beginnt und endet: Die Pausenzeiten sind bei VW Teil der Arbeitsregelung.

Rein rechnerisch sollte mit der zweiten Schicht, für die gerade neue VW-Beschäftigte aus dem Werk Zwickau angelernt werden, die Tagesproduktion auf 72 Autos steigen. Möglicherweise werden es noch ein paar Einheiten mehr: „Wir versuchen die Produktion auf 40 Fahrzeuge pro Schicht zu steigern“, sagt Lars Dittert, der Standortleiter. Der ehemalige Skoda- und Audi-Manager führt seit April die Geschicke der Manufaktur.

Das Ziel des Wirtschaftsingenieurs: Er wünscht sich einen Leuchtturm der Elektromobilität in seiner Heimatstadt Dresden und darüber hinaus: „Wir können hier mal wieder Pioniere sein.“ Über die wachsende Nachfrage nach dem E-Golf freut sich der 44-Jährige jedenfalls riesig: „Wir bauen hier endlich ein Auto, das begehrt ist.“ Er spielt damit auf den VW Phaeton an, der bis Ende 2016 in Dresden gebaut wurde: Die Luxuslimousine war zwar ein technisches Meisterstück. Aber dieses verkaufte sich trotz kräftiger Rabatte deutlich schlechter als geplant.

Auch Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert hat seinen Dienst-Phaeton inzwischen gegen einen Dienst-Golf mit Elektroantrieb eingetauscht und damit die Energiewende auf der Straße symbolisch vollzogen.

E-Golf erobert Deutschland

Der e-Golf ist mittlerweile das meistverkaufte Elektromobil nicht nur in Norwegen und den Niederlanden, sondern auch in Deutschland. Die Erhöhung der Batteriekapazität von 24 auf 37 Amperestunden und damit der Reichweite auf nominell 300 Kilometer wirkte sich hier ebenso aus wie das „Umwelt- und Zukunftsprogramm“, mit dem Volkswagen den Kauf umweltfreundlicher Fahrzeuge fördert.

Wer beispielsweise seinen älteren Diesel verschrottet und sich dafür einen E-Golf zulegt, erhält einen Zuschuss von bis zu 11.760 Euro: 5000 Euro Umweltprämie, 4380 staatliche Kaufprämie sowie die maximale Zukunftsprämie. Damit reduziert sich der Basispreis des Elektroautos immerhin von 35.900 Euro auf 24.140 Euro.

Ein Großvolumenmodell wird der e-Golf trotzdem nicht mehr werden. Denn schon Ende kommenden Jahres läuft die Produktion des Modells aus, das Dittert als „Bridging Concept“, als eine Brückenlösung, beschreibt: Ein Auto, das für den Betrieb mit einem Verbrennungsmotor konzipiert und dann nachträglich elektrifiziert wurde.

Von Grund auf und ausschließlich für den elektrischen Antrieb konzipiert ist hingegen die sogenannte I.D. („Intelligent Design“)-Familie, die Volkswagen Ende 2019 auf den Markt bringt. Zeitgleich startet der konventionell angetriebene VW Golf der achten Generation. Auf der Plattform des „modularen Elektrifizierungsbaukastens“ (MEB) sollen in den kommenden Jahren wenigstens drei VW-Modelle, dazu zwei Modelle von Audi sowie jeweils ein Modell von Skoda und Seat entstehen.

Welches Modell davon in der Gläsernen Manufaktur vom Band läuft, steht noch nicht fest. „Die Ausschreibung läuft noch“, sagt Dittert. Mehr lässt er sich nicht entlocken. Fest stehe nur eines: „Die Leute hier haben Bock auf Elektromobilität.“

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