Auch ohne Energiewende wären Stromspeicher ein Gewinn: Sie nehmen Strom auf, wenn er produziert wird, und geben ihn bei Bedarf wieder ab. Gerade Wind und Sonne produzieren gerne „am Bedarf vorbei“, ihre Energie ist also in einem Speicher gut aufgehoben. Allerdings sind Lithium- und Bleiakkus recht teuer und Redox-Flow-Speicher brauchen viel Platz. In Hambur probiert es Siemens Gamesa deshalb mit heißer Luft.

Forscher des Unternehmens haben zusammen mit Wissenschaftlern der TU Hamburg-Harburg und des Versorgers Hamburg Energie eine Anlage gebaut, die heiße Luft produziert und in Steinen speichert. In einer Ecke des Hamburger Hafens, in die sich sonst kein Mensch freiwillig verläuft, entsteht ein XXL-Speicher. Einen Steinwurf entfernt, auf dem Industriegelände der Aluminiumhütte Trimet, stehen nämlich drei Windenergieanlagen, deren Strom nicht immer gebraucht wird. Künftig werden sie, wenn der Strom nicht abgenommen wird, also nicht mehr aus dem Wind gedreht, sondern heizen Luft auf.

Diese wird dann in 1000 Tonnen Steine gepustet, 200 bis 300 Quadratmeter Fläche brauchen diese – werden aber nicht zu sehen sein. Ein Dämmmaterial umhüllt sie, damit die kostbare Energie nicht verloren geht. Und das alles ist auch noch in einem Container verpackt.

Fönen für die Energiewende

Das Prinzip funktioniert ähnlich wie ein Heißluftfön. Überschüssige Windenergie wird in Wärme umgewandelt, die in die Steinschüttung geleitet wird. Ein Gebläse erhitzt die Vulkansteine auf Temperaturen von über 600 Grad Celsius. Wird der Strom gebraucht, leitet das Gebläse einen Luftstrom über die Steine. Mit der aufgeheizten Luft wird Wasser verdampft, das so aufsteigt und eine Turbine antreibt.

Das hört sich einfach an. In der Praxis ist es aber eine knifflige Sache. Um die Wärmetransportphänomene zu verstehen, hat Siemens auf einem Versuchsgelände in Hamburg-Bergedorf zwei Jahre lang Tests mit dem thermischen Speicher durchgeführt und dabei die Gesteinsschüttung optimiert. Eine Rückverstromung fehlte bisher. Dies soll in unter dem Namen Future Energy Solution, kurz FES, im nur wenige Kilometer entfernten Hafen getestet werden. Im Herbst des kommenden Jahres startet der Betrieb – eine praxistaugliche Lösung dürfte aber erst in einigen Jahren auf den Markt kommen.

Der mögliche Wirkungsgrad von 50 Prozent bei einer Strom-zu-Strom-Umwandlung ist zunächst nicht beeindruckend. Lithium-Ionen-Batterien liegen bei etwa 90 Prozent. Mehr ist aus dem Speicher nach Ansicht von Programmleiter Till Barmeier (Foto) von Siemens Gamesa vorerst auch nicht rauszuholen. Dafür ist die Kapazität größer: Die Steine haben eine hohe Energiedichte und „das Verfahren ist kosteneffizient“, erklärt er. „Lediglich der Raumbedarf des steingefüllten Isolierbehälters setzt dem Konzept Grenzen.“

Speicher für Stunden, nicht Wochen

Etwa 36 Megawattstunden (MWh) an Energie soll der gigantische Steinhaufen in Zukunft speichern. Über einen Kessel erzeugt die darin gespeicherte Wärme so viel Dampf, dass eine Kompakt-Dampfturbine damit bis zu 24 Stunden lang eine Leistung von bis zu 1,5 Megawatt (MW) Strom erzeugen kann. „Der Wärmespeicher hat das Potenzial, eine der zukünftigen Lösungen für die Speicherung von Energie zu sein“, ist Barmeier überzeugt.

Er ist nicht der Einzige, der an Stein-Speichern forscht. Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) nutzen die Wissenschaftler ebenfalls Steine, um Solar- und Windstrom zu speichern. Riesige Blöcke aus Ziegelsteinen nutzen die heiße Luft aus Windstrom, um Unternehmen mit Prozesswärme zu versorgen – und ersetzen so Kohle.

Ein ähnliches Konzept verfolgt auch das norwegische Start-up Energy „Nest“, das Spezialbeton mit eingelassenen Rohren verwendet, durch die bis zu 450 Grad warme Luft in den Speicher geführt wird.

Das Prinzip könnte dabei helfen, Kohle- und Gaskraftwerke in die Zeit nach der Energiewende zu retten. Denn die Infrastruktur – etwa Dampfturbinen für die Umwandlung von Wärme zu Strom – ist bereits vorhanden. So würde aus einer schmutzigen eine saubere Technologie. Doch das ist noch Zukunftsmusik. „Kohlekraftwerke sind hoch komplexe Anlagen und können nicht einfach mal nebenbei umgerüstet werden“, sagt Barmeier. Also heißt es für ihn erst einmal: weiterforschen.

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