Napoleon Puente lebt auf den Philippinen. 2003 ist er 50 Jahre alt, kein wirkliches Alter. Doch damals geht es dem Mann nicht gut, er fühlt sich körperlich schwach und ausgelaugt. Ein möglicher Grund: Puente installiert für ein multinationales Unternehmen Tankstellen, manchmal bis zu drei pro Tag. Das schlaucht. Als sein Neffe von Puentes Problemen hört, schickt er ihm aus Kolumbien eine Probe der Spirulina-Alge. Puente recherchiert im Netz, was es mit ihr auf sich hat und ist schnell überzeugt. Er liest, dass sie die weltweit am meisten verbreitete Vollwertkost sei. Ab diesem Moment nimmt er die blaugrüne Alge täglich ein – und erholt sich fix.

Mit sogenannten Superfoods und vermeintlichen Wundergeschichten wie der von Puente muss man immer sehr vorsichtig umgehen. Ständig preist die Nahrungsergänzungsmittelindustrie der Öffentlichkeit die neusten super-gesunden Lebensmittel an, auf das die Menschen die Wundersubstanzen munter kaufen.

Algen gegen Unterernährung

Gilt das auch für die Spirulina? Ein Blick auf die Nährstoffe zeigt, was in ihr steckt: Zwischen 50 und 70 Prozent der Alge besteht aus Protein. Zum Vergleich: Bei Rindfleisch sind es zwischen 20 und 30 Prozent. Und es finden sich Gamma Linolensäure, Phycocyanin und verschiedene Vitamine. Schon 1993 empfahl die WHO die Pflanze für die Ernährung, da sie viel Eisen und Protein enthält.

2008 schrieben Autoren des Welternährungsprogramms FAO in einem Bericht: „Regierungen sollten das Potenzial von Spirulina neu bewerten, um sie bei internationalen Kriseneinsätzen zu nutzen.“ Außerdem rieten Wissenschaftler in einer Studie von 2006, dass auch mangelernährten Kindern mit Spirulina geholfen werden könne. Die UN gab vor Jahren ihre Ziele für die Entwicklung der Welt aus. Den Hunger zu beenden war eines davon. Ein Gramm Spirulina täglich reiche aus, um gegen Mangelernährung bei Kindern vorzugehen, berichtet ein anderes UN-Programm. Spirulina-Programme gab es schon in Kenia, im Irak, Haiti, dem Kongo, Peru und Kolumbien.

Schon die Azteken züchteten Algen

Napoleon Puente hat inzwischen Spirulina zu seinem Geschäft gemacht. Er stolperte über einen Leitfaden, der jeden Interessierten in die Lage versetzt, Spirulina für den Hausgebrauch anzubauen. Puente bastelte los und züchtete die ersten zarten Algen in gebrauchten, ein Quadratmeter große Holzboxen, die er mit Kunststoff ausgekleidet hat. Der Entrepreneur rechnete aus, wie viel Spirulina er auf einem Quadratmeter täglich produzieren kann: fünf Gramm – genug, um damit Geld zu verdienen.

Der Ingenieur entwickelte später große Betonanbaubecken und überdachte sie mit transparentem Kunststoff und feinen Netzen. So bleiben die Insekten und andere Fremdstoffe fern. In Teichen – sogenannten Open Ponds – baute er die Algen im Freien an. Einfach ist das nicht, denn Spirulina reagiert empfindlich auf Temperaturschwankungen, den pH-Wert und den verfügbaren Sauerstoff im Anbaubecken. Besonders wichtig ist, das keine Cyanotoxine in die Algen gelangen. Denn die sammeln sich im menschlichen Körper an – und sind giftig. Auf Puentes Spirulina-Farm ist das kein Problem. Joel Cuello, der sich an der University of Arizona um Agriculture Biosystems Engineering kümmert, besuchte Puente 2017 und fand dabei keine Verunreinigungen.

Bei aller Freude: Puente ist weit davon entfernt, der erste Algen-Farmer zu sein. Die Pflanzen werden seit Jahrhunderten auch in China oder dem Chad genutzt. Angeblich züchteten sie selbst die Azteken in ihren Seen – lange bevor Napoleon Puente der Einfall kam. Und in Deutschland? Steht eine Farm im Ort Klötze in Sachsen-Anhalt. Dort bauen sie die Alge Chlorella in kilometerlangen Glasröhren an. So bekommen die Pflanzen besonders viel Sonne ab. Auch keine schlechte Idee.

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