Drei Sekunden: Das ist die Zeit, die ein Fabrikarbeiter bei jedem Handgriff mit einem „smarten“ Handschuh einspart. Im einzelnen klingt das unspektakulär. Doch pro Arbeitstag fallen für einen Arbeiter Unmengen solcher Handgriffe an – und die Sekunden summieren sich rasant, was zu einem dicken Vorteil wird. Das merken immer mehr Unternehmen, die am Fließband oder im Lager einen der „ProGloves“ nutzen. Das Gerät aus der Kategorie Wearables stammt aus München. Erdacht haben es drei Gründer, die den smarten Handschuh seit eineinhalb Jahren verkaufen.

Thomas Kirchner ist einer von ihnen. Der 32-jährige erzählt, warum bislang noch niemand auf die so einfach wirkende Lösung gekommen ist: „Wir sind sehr gut darin, Elektronik in Textilien zu verbauen. Klassische Tech-Firmen kennen sich damit nicht aus und Kleidungshersteller wiederum haben keine Ahnung von Elektronik.“ ProGlove hingegen hält einige Patente auf die Verbindung dieser beiden Welten.

BMW ist ein großer Kunde

Den textilen Handschuh lassen die Gründer in Asien fertigen, die elektronischen Bauteile kommen in Stadt und Region München dazu. Etwa 500 Smart Gloves entstehen so derzeit pro Woche, bei stark wachsender Tendenz. Bislang kamen die Wearables nur in Europa zum Einsatz, gerade ist das Unternehmen aber auch in die USA expandiert. Von seinen 250 Kunden produzieren viele weltweit und wollen das Gerät entsprechend einsetzen.

Ein großer Abnehmer ist beispielsweise BMW. Die Monteure des Autoherstellers müssen wichtige Einzelteile vor dem Einbau zunächst scannen. So wird sichergestellt, dass in ein bestimmtes Modell auch das dafür vorgesehene Teil kommt.

Fabriken, Einzelhändler und Flughäfen

Bislang nahmen die Mitarbeiter dafür eine Scanner-Pistole in die Hand, hielten sie an den Barcode, sahen auf einen Bildschirm, ob alles in Ordnung war, und legten die Pistole schließlich wieder ab. Auf dem ProGlove ist der Scanner fest angebracht, weshalb jetzt eine kurze Handbewegung in Richtung des fraglichen Teils genügt. Kurzer Druck mit Daumen und Zeigefinger – das Gerät gibt grünes Licht und vibriert ein „ok“. Das ist zwar nur wenige Sekunden schneller, summiert sich aber über den Tag. Die Kosten für den Handschuh haben die Anwender deshalb nach wenigen Monaten wieder hereingeholt.

Autohersteller sind mit ihren komplexen Abläufen eine der wichtigsten Kundengruppen von ProGlove. Außerdem lieben Einzelhändler wie Rewe oder Penny das Gerät – und Flughäfen, bei denen täglich viele tausend Koffer eingescannt werden müssen. Bei allen Anwendern geht es darum, den ständig wiederkehrenden Vorgang der Erfassung zu verkürzen und ergonomisch angenehmer zu gestalten. Diese Daten werden dann automatisch in das System des Unternehmens eingespeist und damit dokumentiert.

Lernen vom Computer am Handrücken

Das „smarte“ Einlesen funktioniert offenbar am besten mit einem an den Händen angebrachten Gerät. Andere Lösungen wie eine Datenbrille haben sich Kirchner zufolge eher nicht bewährt. „Diese Geräte sind so schwer, dass Monteure sie nicht acht Stunden aufbehalten wollen“, sagt er. Handschuhe aber tragen die meisten Arbeiter ohnehin, da fällt der kleine Scanner am Handrücken nicht weiter ins Gewicht. „Wir glauben an den Handschuh“, sagt Kirchner deshalb.

Als nächstes will das Start-up ein Produkt unter dem Namen „Katharina“ anbieten. Wieder ein Handgerät, aber diesmal mit einem mobilen Display, das seiner Trägerin auch Anweisungen geben kann. „Gehe zu Regal 32 und bringe Produkt x zu Regal 45“ zum Beispiel. Hier kommen Versandhändler ins Spiel, deren Mitarbeiter Pakete zusammenstellen müssen.

In der Zukunft kann sich Kirchner auch einen ganz anderen Anwendungsbereich vorstellen: Robo-Teaching. Dann lernen die Menschen vom elektronischen „Gehirn“ an ihrer Hand – und umgekehrt. Überflüssig werden die Mitarbeiter dadurch nach Kirchners Überzeugung aber noch lange nicht: „Ich bin sicher, dass vorerst nur der Mensch die vielen unterschiedlichen Abläufe in Fabriken sinnvoll ausführen kann.“ Helfen lassen kann sich dieser Mensch dabei aber durchaus.

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