Xpeng? Nie gehört? Nein, das ist kein Produzent von Feuerwerkskörper, sondern ein Fahrzeughersteller. Bei Hanteng denkt der unbedarfte Deutsche wahrscheinlich erst einmal an ein China-Restaurent, an Peking Ente und Frühlingrolle. Aber auch Hanteng ist ein Autobauer, der seit fünf Jahren unter dem Markenzeichen eines galoppierenden Pferdes ganz ansehnliche SUVs baut. Beide Namen sollte man sich merken – ebenso wie die von Chery und Geely, Quiantu, Icona oder Wey.

Denn nicht erst seit der Übernahme von Volvo und dem Einstieg von Geely bei Daimler wissen wir, dass der Horizont der jungen Autonation nicht mehr am Gelben Meer oder der chinesischen Mauer endet, sondern weit darüber hinaus reicht. Zumal die Energiewende im Automobilbau dafür sorgt, dass die Karten in der Industrie neu gemischt werden und sich selbst Start-ups wie NIO, Byton oder Iconiq leicht mit etablierten Herstellern aus Europa oder Nordamerika messen können, weil Elektromobilität bei denen viel zu lange als Nischenanwendung verstanden wurde. Nun müssen sich Ford und General Motors, BMW, Daimler und Volkswagen mächtig sputen und strecken, um bei dieser Zukunftstechnologie nicht den Anschluss an die Chinesen zu verlieren.

300.000 E-Mobile in drei Monaten

Denn China ist längst der größte Markt für Elektroautos weltweit: Im vergangenen Jahr wurden dort bereits über eine Million Stromer verkauft, für dieses Jahr ist ein Absatzvolumen von über zwei Millionen Fahrzeugen angepeilt. Laut einer Untersuchung des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch-Gladbach bei Köln hat sich im ersten Quartal 2019 die Zulassung von elektrischen Fahrzeugen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt. Fast 300.000 Fahrzeuge mit Stecker wurden im Reich der Mitte in den ersten drei Monaten des Jahres verkauft. Zum Vergleich: In Deutschland waren es nur 23.300.

Und während bei uns Elektromobile von Tesla, Jaguar oder Audi Luxusgüter für Wohlhabende sind, setzen die Hersteller in China auf Billigfahrzeuge für den Massenmarkt. Technologisch bewegen sie sich dank Zukäufen in Europa, den Import von Fachkräften und Komponenten aus dem Ausland und dank staatlich verordneter Kooperationen mit den großen Autokonzernen aus Europa und Nordamerika längst auf Augenhöhe. Das zeigen auch die Neuheiten der Automesse in Shanghai: Das Sportcoupe Xpeng P7 ginge auch hierzulande locker als Tesla-Fighter durch und bräuchte sich auch mit einer elektrischen Reichweite von 600 Kilometern nicht zu verstecken. Und so etwas wie den GT3 von Zedriv würden wir uns auch von Porsche wünschen. Bis zum ersten vollelektrischen echten Elfer ist es aber noch etwas hin – die Stuttgarter werden ihren Taycan erst im kommenden Jahr in China zeigen können.

Rotes Ausrufezeichen
Konzernchef Herbert Diess und Chefdesigner Klaus Bischof wollen den Chinesen mit der Studie ID Roomzz zeigen, dass mit Volkswagen auch künftig in China zu rechnen sein wird.

Volkswagen will Marktführer bleiben

Die Deutschen werden sich anstrengen müssen, den Anschluss zu halten. Das gilt vor allem für den Volkswagen-Konzern. „China ist immens wichtig für uns“, sagt Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess. Seine Ziele sind ambitioniert: Bis 2025 will er pro Jahr mehr als 1,6 Millionen Elektrofahrzeuge im Reich der Mitte verkaufen. Jeder dritte VW hätte dann einen E-Antrieb unterm Blech.

Nach Aussagen von Herbert Diess arbeitet bereits die Hälfte seiner 20.000 Entwicklungsingenieure an Autos für den chinesischen Markt. „Volkswagen hat sich in China zu einer Technikplattform entwickelt, das sehen auch die Kunden. Und wir wollen es weiter ausspielen“, sagt Diess. So soll die VW-Konzernmarke Seat demnächst einen zweiten Versuch in China starten, diesmal mit Hilfe einer Kooperation mit JAC, geplant ist ein Elektrofahrzeug auf der MEB-Plattform.

Der Druck kommt nicht von ungefähr: Fast 40 Prozent seiner Autos verkauft VW in China, nach einer Auswertung des Center of Automotive Management (CAM) allein im vergangenen Jahr 4,2 Millionen Fahrzeuge. Damit kam VW auf einen Marktanteil von 18,1 Prozent und war damit Marktführer. Um die Position zu halten, will der Konzern bis Ende nächsten Jahres unter seinen Marken VW, Skoda und (ab 2020/21) auch Seat eine ganze Reihe elektrischer oder teilelektrifizierter SUVs anbieten: Nach Einschätzung von Experten wird bis 2025 jedes zweite Auto in China ein SUV sein. Rund 30 Prozent davon sind heute schon mit Elektroantrieb unterwegs.

Fahrzeugstudien als Appetithappen

Einen Vorgeschmack auf die Zukunft der Marke gab Volkswagen den Chinesen in Shanghai mit dem ID. Roomzz, einem 4,92 Meter langen Elektro-Van auf dem Modularen Elektroantriebs-Baukasten (MEB). Statt eines Cockpits schauen die Passagiere bei der Studie auf eine 13,8 Zoll große Bildschirmwand mit integriertem Lenkrad. Künftig soll der VW nach Level 4 autonom fahren und bis zu sieben Sitze bieten. Die beiden Elektromotoren kommen auf eine Systemleistung von 225 Kilowatt, die den Zweitonner in 6,6 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigen könnten.

Die Batterie mit einer Speicherkapazität von 82 Kilowattstunden (kWh) erlaubt eine Reichweite von 450 Kilometern nach der neuen Verbrauchsnorm WLTP. In zwei Jahren soll der ID. Roomzz in China auf den Markt kommen, später auch in Deutschland. Gebaut werden sollen die Fahrzeuge größtenteils in China, wo auch die Batterien herkommen werden.

Und was gab es sonst noch von den Europäern zu sehen? Beispielsweise den elektrisierten Audi Q2L e-tron mit längerem Radstand für mehr Beinfreiheit im Fond. Wichtig für China, wo sich der Fahrzeugbesitzer noch gern chauffieren lässt. Auch BMW präsentiert mit dem X1 xDrive25LE als Plug-in-Hybrid mit bis zu 110 Kilometer Reichweite ein Fahrzeug mit verlängertem Radstand. Renault baut mit eGT New Energy ein kleines SUV mit Elektromotor, den City K-ZE. Es ist das erste Auto der Franzosen in dieser Klasse, das in China verkauft werden soll. Renault verspricht sich davon endlich Wachstum auf dem chinesischen Markt.

Von China lernen

Deutlich bunter war das Angebot der heimischen Anbieter – für viele der aus Europa und Nordamerika angereisten Automanager war deshalb der Messerundgang fast noch wichtiger als die Präsentation der Fahrzeuge auf dem eigenen Stand.

NIO zeigte neben den beiden SUVs ES6 und ES8 ein neues Elektro-Concept Car. Die neue Marke Bordrin überraschte mit einem Luxus-SUV namens IV 7 im kühlen Volvo-Design und der Kompaktlimousine IV 6. Beide selbstverständlich mit Elektroantrieb und wenigstens 500 Kilometern Reichweite. Hinter der Marke steht Huang Ximing, der zunächst für Ford und General Motors arbeitete, ehe er 2016 unter dem Namen Bordrin New Energy Vehicle Corporation die Entwicklung eigener E-Mobile in Angriff nahm. Interessant auch: Mit dem Aiwaves U5 Ion soll schon im Herbst ein elektrisch angetriebenes SUV mit 190 PS für rund 25.000 Euro auf den Markt kommen, das ein Jahr später, so wird versprochen, auch nach Deutschland kommen soll.

Venucia stellte mit dem D60 EV eine elektrisierte Mittelklasse für rund 22.000 Euro und 340 Kilometer Reichweite vor. Venucia ist auch so eine neue Marke. Dahinter stehen allerdings die Autokonzerne Nissan und Dongfeng.

Die Auto-Welt, so lernen wir in Shanghai, ist derzeit mächtig in Bewegung.

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert