Wenn plötzlich Böen durch den Windpark pfeifen oder sich lokale Gewitterwolken vor die Sonne schieben, bekommen die Mitarbeiter in den Leitständen der vier großen Übertragungsnetz-Betreiber schnell feuchte Hände. Trotz inzwischen recht genauer Wetterprognosen sind kurzfristig auftretende Leistungsschwankungen bei den Erneuerbaren systembedingt eher die Regel. Sie wirken direkt auf die Standardfrequenz von 50,2 Hertz, mit der die großen Stromnetze betrieben werden.

Bei zu hoher oder zu niedriger Energieeinspeisung müssen rasch Ausgleichsmaßnahmen her, damit Verbrauchergeräte keinen Schaden nehmen oder gar das Versorgungsnetz zusammenbricht. So genannte „Regelenergie“ ist dann der Retter in der Not. Wie viele andere Kraftwerksbetreiber ist der „Energie-Dino“ RWE seit Jahrzehnten auch auf diesem Feld unterwegs.

Mehr Flexibilität: Von 70 auf 30 Sekunden

Seit 1981 betreiben die Essener etwa am Hengstey-Stausee an der Ruhr die erneuerte Version eines Pumpspeicher-Kraftwerks, das in der verbrauchsarmen Nacht Wasser in ein höher gelegenes Becken befördert, um damit in Zeiten des täglichen Spitzenbedarfs mit einer 153-MW-Turbine gut bezahlten Zusatzstrom zu erzeugen. Innerhalb von 70 Sekunden kann das Aggregat von Null auf Volllast gefahren werden – und liefert bis zu vier Stunden lang.

Für die Energiezukunft reicht die Flexibilität nur bedingt: In der „Primär-Reserve“ müssen Kraftwerke oder Speicher jetzt innerhalb einer Spanne bis zu 30 Sekunden aktivierbar sein – in beide Richtungen. Dies freilich auch zu Spitzenpreisen. Aus diesem Grund entschloss sich RWE zum Bau eines gesonderten Batteriespeichers, den die Inzwischen-Tochterfirma Belectric aus Nordfranken konzipierte und realisierte.

Die Gesamtinvestition von sechs Millionen Euro blieb auf diese Weise quasi „im eigenen Haus“. Aufgestellt wurde der Großspeicher wegen der guten Netzanbindung gleich auf dem Herdecker Gelände des Pumpspeicher-Kraftwerks.

550 neue Batteriemodule

„Unsere Batteriespeichersysteme leisten einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende“, sagt Frank Amend, der in der Belectric-Geschäftsführung die Speicher- und Hybridsparte verantwortet. „Denn Speichertechnologien sind das Bindeglied zwischen modernen Netzen und einer schwankenden Erzeugung aus erneuerbaren Energien.“ So werde auf effiziente Weise das Stromnetz stabilisiert und eine zuverlässige Stromversorgung garantiert.

In drei normalen 40-Fuß-Containern wachen nun 550 Batteriemodule auf Lithium-Ionen-Basis, wie sie üblicherweise in Hybrid-Pkw eingesetzt werden, reaktionsschnell auf Anforderungen aus dem regionalen Netz. Eingesetzt wurden hier auf Wunsch von RWE ausschließlich „fabrikneue Module eines Autobauers“ – im Gegensatz zu inzwischen erhältlichen Hausspeicher-Systemen, in denen durchaus auch „Second-life“-Module gute Verwendung finden. „Man wollte einfach 15 Betriebsjahre ohne Tausch garantiert hinbekommen“, erklärt eine Unternehmenssprecherin.

Die technische Herausforderung besteht im gleichzeitigen Lade- und Abgabe-Management aller vorhandenen Zellen. „Bildlich gesprochen gilt es, über 550 Fahrzeuge synchron beschleunigen und bremsen zu lassen. Ohne dass den Batterien die Luft ausgeht.

Und das 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche“, sagt Belectric-Geschäftsführer Amend. Die ökonomische Intention heißt: Möglichst billig – oder sogar in Überlast-Stunden gegen Vergütung – Strom aus dem Netz zu ziehen und ihn anderntags lukrativ zu verkaufen. Das Netz-Management hat immer zwei Seiten.

Der Herdecke-Großspeicher ist übrigens nicht der erste seiner Art aus Belectric-Fertigung. Auch nicht der größte: Im vergangenen August ging in Chemnitz bereits eine Installation mit 16 MWh ans Netz. Derzeit sind in Deutschland und Großbritannien vier weitere Aufträge zwischen 5 und 15 MWh in der Fertigstellung.

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