Da hilft auch die frische Brise von der Nordsee nichts: Die Luft in Kiel ist schlecht. So schlecht, dass ein Dieselfahrverbot droht. Eine Möglichkeit, das zu verhindern, könnten Luftfilter sein. Direkt an einer der meistbefahrenen Straßen in Kiel, wo sich die Autos im Stop-and-go entlang quälen und die Anwohner mit Abgasen leben, sollen sie die dreckige Luft reinigen.

„Luft ist ein Gemeingut und sollte sauber und unbegrenzt für alle zur Verfügung stehen“, sagt Robert Krüger. Er entwickelt deshalb mit seiner Firma Pureveno Luftfilter. Bis zu 40.000 Kubikmeter kann ein mobiler Filter von der Größe eines Kleintransporters pro Stunde ansaugen, filtern und gereinigt an die Umgebung abgegeben. So jedenfalls die Theorie. Vorerst gibt es nur einen Prototyp, der noch beweisen muss, dass der Filter auch filtert, was er verspricht.

Bestehende Techniken kombiniert

Die miese Stadtluft beschäftigt Robert Krüger schon seit Jahren. Sein Bedürfnis, dagegen vorzugehen, war groß. Aber erst als er begeisterte Mitstreiter fand, wurde aus der Idee ein Projekt. Die fünf Männer hinter der Idee verbindet eine Vision: „Wir wollen unsere Lebensumwelt verbessern und leben unseren Entdeckergeist dahingehend aus“, so Krüger. 2017 gründete er Purevento im beschaulichen Trittau in Schleswig-Holstein und investierte einen siebenstelligen Betrag in die Entwicklung eines Luftreinigers.

Neu war die Idee eigentlich nicht. Die bisherigen Ansätze zur Luftreinigung in Städten sind jedoch meist zu ineffizient, zu energieintensiv, zu kompliziert in der Handhabung oder zu teuer, um wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll zu sein. „Wir haben das Rad nicht neu erfunden, sondern konventionelle Techniken intelligent miteinander verknüpft“, erklärt Krüger seinen Stadtluftreiniger, den er weltweit zum Patent angemeldet hat. Die Idee basiere auf einem pragmatischen Ansatz, so der Geschäftsführer. „Eine effiziente Wirkungsweise und leicht handhabbare, bezahlbare Technik, um eine echte Brückentechnologie für bessere Atemluft in Städten zu bieten.“

Strom aus Solar- und Brennstoffzellen

80-90 Prozent der Feinstäube und bis zu 85 Prozent gasförmiger Schadstoffe wie Stickoxide hole das System nach Angaben von Krüger aus der Luft. Etwa ein- bis zweimal im Jahr muss der Filter ausgetauscht werden. Samt Schadstoffen wird er unter hohen Temperaturen rückstandslos verbrannt. Abhängig von der Reinigungsleistung braucht der Luftreiniger zwischen einer und 4,5 Kilowatt Strom pro Stunde, um die Luft zu säubern. Der dafür nötige Ansaugluftstrom ist nach Angaben von Krüger ungefähr so kräftig wie der eines größeren Staubsaugers.

Damit dabei nicht selbst wieder Schadstoffe entstehen, kommt der Strom von den auf dem Dach montierten Solarzellen oder er wird durch eine integrierte Brennstoffzelle gewonnen. Reicht das nicht, gibt es wie in Kiel einen normalen Stromanschluss. Um Energie zu sparen, wird nicht ununterbrochen gereinigt, sondern nur, wenn die Schadstoffkonzentration Grenzwerte überschreitet. Lauter als der Straßenlärm soll der Luftreiniger nicht sein. „Im Basisbetrieb hat das Gerät etwa die Lautstärke eines Straßencafés“, erklärt Krüger.

Einwöchige Testphase

Der politische Druck in Kiel, die Luftwerte zu verbessern, ist groß. Ob der Luftreiniger die Küstenbewohner aufatmen lässt, ist offen. Eine Woche lang werden jetzt Handhabung, Optik, Ansaugkraft und Lautstärke geprüft. Im nächsten Schritt wird die Reinigungswirkung gemeinsam mit dem Landesumweltamt getestet. Als Ziel hat die Stadt vorgegeben, den Stickoxidgehalt um zehn Prozent zu reduzieren. Krüger ist überzeugt, das zu schaffen. Doch um unter den Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Stickoxidgehalt zu kommen, sind sechs Luftreiniger notwendig, die entlang der Straße aufgestellt werden müssen.

Die Kieler sind nicht die einzigen, die hoffen, mit dem Luftfilter wieder durchatmen zu können. Auch andere Kommunen sind interessiert. Namen will Krüger aber noch nicht nennen. Mit den ersten Serienprodukten rechnet er jedoch in den kommenden sechs Monaten. Zurzeit sucht er Investoren, um den Luftreiniger, der rund 80.000 Euro kostet, in großen Stückzahlen produzieren zu können.

Eine Dauerlösung soll der Filter für die belasteten Städte nicht sein. Krüger: „Wir verstehen unsere Technologie als einen Lösungsbaustein, bis in den Städten die Elektromobilität stark zunimmt, der ÖPNV ausgebaut wird und die Schadstoffbelastung zurückgeht.“

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