„Die schlimmste Konzentration von Plastik, die ich je sah. Plastik in verschiedenen Größen, hauptsächlich flexible Stücke wie Taschen, Wraps und Blätter, drang wie ein Virus in den Ozean ein.“ Was der Extremschwimmer Benoit Lecomte an seinem 88. Tag auf dem Meer auf und unter der Wasseroberfläche treibend vorfand, raubte ihm auch die letzte Illusion. Dabei hat er den berüchtigten „großen Plastikmüllfleck“ im Nordpazifik noch gar nicht erreicht.

Zwei Tage nach seinem 51. Geburtstag ist der gebürtige Franzose im japanischen Choshi ins Wasser gegangen. Sechs bis acht Monate später, so schätzt sein Team, würde man bei günstigem Verlauf in San Francisco ankommen. Inzwischen ist der Zeitplan nicht nur durch zwei Taifune gebremst, die sich Anfang August auf Lecomtes Route zubewegten – mit Windgeschwindigkeiten von 80 Knoten (150 km/h) und 20 Metern Wellenhöhe. Die Crew des Begleitseglers „Seeker“ musste zum Abwettern wieder Kurs auf Japan nehmen und konnte erst drei Wochen später das Schwimmprojekt am zuletzt erreichten Punkt fortsetzen.

Das hat Lecomte aus seiner ersten Weltmeer-Querung 1998 gelernt, als sein 73 Tage dauerndes Durchschwimmen des Atlantiks nicht als Rekord gewertet wurde. Sein Team konnte nicht dokumentieren, dass er tatsächlich die ganze Strecke im Wasser verbrachte. Bei „The longest Swim“ hält nun ein GPS-Tracker jede Aus- und Wiedereinstiegs-Position in den derzeit etwa 27 Grad warmen Pazifik fest. Unterstützer können die Tagesfortschritte im Online-Logbuch mitverfolgen. Bis zu neun Stunden und 20 Seemeilen (37 Kilometer) legt er täglich mit Flossen, Schnorchel und Neoprenanzug zurück, bei Sonnenuntergang ist Schluss: „Dann ist die Sicht im Wasser zu schlecht. Und ich möchte nicht für eine Bedrohung oder gar Nahrung gehalten werden.“

Denn draußen auf dem Meer ist man so wenig allein wie auf den Champs-Élysées. Kleine und große Fische kreuzen den Kurs, Krebse und Quallen, aber auch Albatrosse und Pelikane. Aufsehen erregend waren bisher mehrstündige Begegnungen mit kleineren Walen – und einem etwa zwei Meter langen Hai, der Lecomte neugierig umkreiste. Mit einem elektromagnetischen Feld rund ums Boot sowie ein Magnetarmband am linken Arm des Schwimmers sollten letztere eigentlich auf Abstand gehalten werden. Bisher hat es funktioniert. Nur einmal floss Blut, weil ein kleinerer Fisch Lecomte in das einzige unbedeckte Körperteil biss – seine Nase.

All diesen Tieren droht Gefahr durch nahezu unverwüstliches Plastik, in grober Form mit verlorene Netzen und kaum sichtbar durch winzige Teilchen, die sich in der Nahrungskette sammeln. Bauhelme, Beutel und Bojen, Zahnbürsten und Styroporplatten hat das Team schon geborgen. Tägliche Messungen mit Feinstfiltern analysieren die Belastung des Wassers durch Mikropartikel. Projektsprecherin Hannah Altschwager lenkt den Blick auf scheinbar nebensächliche Dinge wie Luftballons, die man gedankenlos bei Feiern aufsteigen lässt – und die Tiere für Nahrung halten, wenn sie im Wasser treiben.

Auf all das will Benoit Lecomte aufmerksam machen, wenn er mahnt: „Es ist widerlich, traurig und beunruhigend. Wann werden wir den Moment erreichen, an dem wir sagen: Es ist genug?“ Dabei versteht er sich nicht als genereller Gegner von Kunststoffen. „Aber wir alle können uns entscheiden, wenigstens Einweg-Plastikteile nicht mehr zu benutzen.“ Das Wissen über diese schlechte Form der Nachhaltigkeit sollte seiner Ansicht in allen Schulen weltweit gelehrt werden.

Nach 110 Tagen hat der Extremschwimmer mittlerweile mehr als 1000 Seemeilen im Pazifik zurückgelegt. Es ist knapp ein Fünftel der geplanten Strecke. Ein langer Weg liegt noch vor ihm.

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