Herr Ingenlath, jetzt enttäuschen Sie mich aber: Sie tragen heute gar keine gelbe Jacke. Ist die nicht Teil des Corporate Designs von Polestar?
Wie kommen Sie darauf? (Lacht) Als wir im Oktober 2017 unseren Polestar 1 präsentierten, hatte ich mir nur gerade einen curryfarbenen neuen Anzug gekauft…

…und die Bremssättel des Autos hatten einen ähnlichen Farbton…
Ja, aber das war Zufall. Und seitdem ist es so etwas wie ein Running Gag.

Zufälligerweise trugen Sie auch bei der Vorstellung des Polestar 2 eine gelbe Lederjacke. Aber dahinter stand also keine Botschaft?
Nein. Meine Überlegung war nur, dass man bei einer Präsentation nicht im schwarzen Anzug vor einer schwarzen Wand stehen sollte. Da tut ein kräftiger Farbakzent schon gut.

Dann wäre das schon einmal geklärt. Die Jacke war Teil der Inszenierung, die ein wenig an frühere Auftritte von Apple-Chef Steve Jobs erinnerte. Ist er eigentlich ein Vorbild für Sie?
Durchaus. Er verstand es meisterlich, technische Produkte so zu inszenieren, dass sie Menschen begeistern. Da ist Steve Jobs und Apple tatsächlich ein Vorbild.

Und das andere Vorbild ist Tesla-Chef Elon Musk?
Seine Bühnenshows sind jetzt nicht so doll.

Aber er selbst ist schon eine Marke – und Tesla für viele seiner Anhänger fast schon eine Religion.
In der Tat, das ist unglaublich. Wenn es um Elektromobilität gibt, ist Tesla schon ein Maßstab, an dem man sich in der Autoindustrie misst. Das gilt für Polestar ebenso wie für andere Autohersteller. Tesla hat den Menschen gezeigt, dass Elektroautos Spaß machen können. Und das nicht nur Öko-Freaks, die Elektromobilität aus einem Dogma heraus propagieren. Elektromobilität ist die zeitgemäße Form der Fortbewegung: Ein Auto mit Verbrennungsmotor, das kuppelt und schaltet, das lärmt und permanent vibriert, fühlt sich inzwischen alt an. Das ist prima für einen Oldtimer, aber ein neues Auto, frisch aus der Presse, sollte keinen Verbrennungsmotor mehr haben.

Darf ich fragen, womit Sie sich aktuell in Göteborg fortbewegen?
Wenn ich nicht – was ich meistens tue – mit einem Fahrrad unterwegs bin, fahre ich einen Volvo C30, den ich mir aufgebaut habe.

Das glaube ich jetzt nicht. Sie fahren ein über 10 Jahre altes Auto?
Ganz so alt ist es nicht. Und es ist auch ein ganz besonderes: Ein C30 Electric, den ich aufbereitet habe, mit schwarzer Lackierung und schönen Rädern.

Zur Erinnerung: Der C30 Electric war Schwedens erstes vollelektrisches Auto, mit Siemens-Motor und einem Lithium-Ionen-Akku, der gerade mal 24 Kilowattstunden Strom speichern kann. Das reicht Ihnen?
Der Akku ist in der Tat lächerlich klein. Mit einer Akkuladung kommt man nur etwa 100 Kilometer weit. Aber das reicht mir im Stadtverkehr und für Fahrten rund um Göteborg völlig. Und er fährt sich auch richtig spritzig. Wenn es mal weiter weg gehen soll, hat Volvo ja noch Autos mit Plug-in-Hybridantrieb im Fuhrpark. Meine Frau mag den XC60 Plug-in-Hybrid. Sie hasst es nur, wenn schon nach 30 Kilometern der Verbrennungsmotor anspringt und das Auto in alter Manier zu vibrieren anfängt.

Na ja, bald kann sie ja sicher einen Polestar 2 bewegen, oder?
Sicher.

Das erste vollelektrische Auto von Polestar kommt als Limousine daher. Warum eigentlich kein SUV? Andere Hersteller starten damit in das neue Zeitalter.
Weil das Preissegment für uns wichtig war. Mit dem Polestar 1 markieren wir die Spitze unserer Modellpalette, mit dem Polestar 2 die Basis. Und außer dem Tesla Model 3 gibt es in diesem Segment nichts anderes. Elektrische SUV für etwa 80.000 Euro sind gerade nicht unbedingt Mangelware, der Audi e-tron und der i-Pace von Jaguar sind da bereits, Porsche und auch Volvo werden in das Segment reingehen. Wir werden da vielleicht irgendwann auch einmal ein Angebot haben. Aber ich finde es interessanter, zunächst einmal das Feld zwischen 40.000 und 60.000 Euro mit einem echten Premiumauto zu besetzen. Polestar ist eine sportliche Marke und der Polestar 2 ist für mich so etwas wie der Urquattro von Audi: Ein Auto mit einer kraftvollen, sportlichen Grundhaltung. Man sitzt in ihm auch wie in einem Sportwagen. Das kann ein SUV nicht bieten.

Der Polestart kann ab sofort geordert werden, die ersten Fahrzeuge sollen im Mai 2020 nach Europa kommen. Ist sichergestellt, dass nicht wie beim Tesla Model 3 Kunden jahrelang auf ihr Auto warten müssen?
Ich hoffe, dass die ersten Autos noch früher nach Europa kommen. Wir wollen die Produktion ja schon im Februar nächsten Jahres starten. Aber ich will mal vorsichtig sein bei den Lieferzeiten: Der Polestar 2 ist immerhin das erste vollelektrische Modell in der Volvo-Gruppe. Zudem ist die Fabrik neu und die Prozesse sind noch nicht eingefahren. Wir haben deshalb eine relativ konservative Anlaufkurve im ersten Jahr geplant.

Wie viele Autos sollen denn im ersten Jahr produziert werden?
Wir sagen immer Zehntausende.

Im Monat?
In den zehn Monaten zwischen Februar und Dezember. Ich gehe davon aus, dass deutlich weniger als 50.000 Autos vom Start bis zum Jahresende vom Band rollen werden – aber dann im ersten vollen Jahr deutlich mehr.

Wird die Plattform auch von den Schwestermarken genutzt werden?
Ganz klar. Das ist unser Geschäftsmodell. Wir entwickeln keine Plattform und bauen keine neue Fabrik nur für die kleine Marke Polestar. Den Antriebsstrang wird man auch im Volvo XC 40 finden, wobei die Top-Power-Version Polestar vorbehalten ist. Und auch andere Marken der Gruppe werden die Plattform nutzen, klar.

Werden Sie diese vielleicht auch wie Volkswagen Dritten anbieten?
Die Ankündigung von VW-Chef Herbert Diess hat mich sehr inspiriert. Ja, vielleicht sollten wir auch ein Verkaufsschild an unseren Stand hängen (Lacht).

Geordert werden kann der Polestar 2 über das Internet. Trotzdem soll es Polestar-Stores in vielen Großstädten weltweit geben. Bleibt es dabei? Tesla schließt seine Läden aus Kostengründen wieder.
Damit bewegt sich, das sage ich jetzt mal frech, Tesla auf unser Vertriebskonzept hin. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir die Autos über das Internet verkaufen. Der Polestar-Space ist der Ort, um das Auto mal zu sehen und anzufassen, auch um eine Probefahrt zu machen. Wir haben nie gesagt, dass wir ein Händler- und Servicenetz entwickeln wollen. Da haben wir einen Kostenvorteil, um den uns Tesla sicher beneidet: Mit dem Volvo-Netz können wir unseren Kunden einen flächendeckenden Service und eine problemlose Ersatzteilversorgung garantieren.

Letzte, ganz persönliche Frage: Sie haben Design studiert, waren jahrelang Autodesigner bei Audi, Skoda, Volkswagen und bei Volvo. Jetzt sind Sie als CEO eher mit Wirtschaftsthemen befasst und müssen die Formgebung anderen überlassen. Wie schwer fiel der Rollentausch?
Stimmt, das ist wirklich ein Kreuz (Lacht laut). Nein, Design ist für uns nach wie vor ein Zentralthema. Und Elektromobilität ist heute ein ganz heißes Thema. Wenn wir uns in zehn Jahren wiedersehen, ist sie Normalität. Eine neue Marke aufzubauen ist eine schöne Aufgabe. Als Designer habe ich mich auch nie nur für die Formgebung interessiert, mich nicht in meine hübsche Designerecke verkrochen, sondern immer auch für das Gesamtkonzept interessiert. Es ging immer um das gesamte Produktportfolio, den Markt und die Kundenwünsche. Und, glauben Sie mir, auch als Designer bleibt man von langen, manchmal frustrierenden Sitzungen nicht verschont. Insofern hat sich bei mir gar nicht so viel geändert.

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