Auf der A1 soll der Traum vom schadstoffarmen Transport in Deutschland realisiert werden. Jedenfalls ein wenig: Auf einem knapp sechs Kilometer langen Teilstück rollen im kommenden Jahr die ersten Hybrid-Lastwagen. Die Energie erhalten sie auf dem eHighway aus einer Oberleitungsanlage. 14 Millionen Euro wird dieser elektrische Feldversuch kosten. Es ist einer von drei Feldversuchen, die der Bund mit insgesamt 28,6 Millionen Euro finanziert.

Dass die Idee erfolgversprechend ist, hat jetzt eine Untersuchung des Öko-Instituts gezeigt. Danach können Oberleitungs-Lkw eine machbare und vergleichsweise kostengünstige Option für einen klimaverträglicheren Güterfernverkehr auf der Straße sein. Elektrische Laster, die über eine Oberleitung ihren Strom bekommen, verursachen 25 Prozent weniger klimaschädliches CO2 als Dieselfahrzeuge. Der Wert ergibt sich aus dem Strommix für die Stromleitungen.

Basis für diese Berechnungen ist das Jahr 2025. Da die Feldversuche drei Jahre dauern und die Politik anschließend Zeit für eine Entscheidung benötigt, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass frühestens in sieben Jahren Oberleitung aufgebaut werden. Bei den Diesel-Lkw wird dann mit 850 Gramm CO2 pro Kilometer gerechnet. Heute liegt der Wert bei 1050 Gramm CO2 pro Kilometer – das Einsparpotential wäre damit sogar noch höher. „Vergleicht man die O-Lkw im Jahr 2030 mit den heutigen Dieselfahrzeugen, können die CO2-Emissionen bis dahin sogar halbiert werden“, erklärt Projektleiter Florian Hacker ein Teilergebnis des durch das Bundesumweltministerium geförderten Forschungsvorhabens „StratON – Bewertung und Einführungsstrategien für oberleitungsgebundene schwere Nutzfahrzeuge“, das das Öko-Institut gemeinsam mit der Hochschule Heilbronn, dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und der Intraplan GmbH durchführte.

Das System ähnelt Oberleitungssystemen von Straßenbahnen und Trolleybussen. Über dem Führerhaus sind Stromabnehmer angebracht, die den Laster während der Fahrt vollautomatisch mit der Oberleitung verbinden und den Elektromotor mit Strom versorgen. Die Batterien werden dabei gleichzeitig aufgeladen und der E-Lkw kann mit einem dieselelektrischen Hybridantrieb noch auf dem Rest der Strecke fahren. Der Vorteil ist, dass die Batterien nicht mehr so groß dimensioniert werden, da sie nur noch kürzere Distanzen überbrücken müssen. Bisher ist der E-Antrieb für die Autobahn nicht wirtschaftlich. Zwar hat Tesla einen 40-Tonner präsentiert, der 800 Kilometer mit einem Akku fährt und binnen 30 Minuten auf 80 Prozent geladen werden kann. Serienreif ist der Schwerlaster noch nicht. Daimler Trucks, der größte Nutzfahrzeughersteller der Welt, wagte in den USA den Schritt in die emissionsfreie Mobilität bei den riesigen Transportern. 2021 startet die Serienproduktion des 730 PS starken Freightliner eCascadia mit über 15 Tonnen Gesamtgewicht. Die Reichweite liegt bei immerhin 400 Kilometer. Geladen wird innerhalb von 90 Minuten auf rund 80 Prozent.

Öko-Institut: O-Lkw haben höchste Energieeffizienz

Dennoch: Restlos überzeugt vom Stromantrieb für Schwerlaster ab 40 Tonnen ist der Stuttgarter Konzern nicht. „Vor übertriebenen Erwartungen möchte ich warnen“, sagte Daimler-Trucks-Chef Martin Daum vor wenigen Tagen im Vorfeld der Nutzfahrzeug-IAA. „Einen 40-Tonner über mehrere hundert Kilometer zuverlässig batteriebetrieben zu bewegen, bei jedem Wetter, jeder Verkehrslage und jedem Terrain, ist aus heutiger Sicht eine große Herausforderung, wenn auch nicht unlösbar.“ Er sei deshalb „hochgespannt“ auf Teslas Semi.

Eine Chance, um die Klimaziele noch zu erreichen, wäre der Oberleitungs-Laster allemal. Laut „Klimaschutzplan 2050“ der Bundesregierung sollen die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors bis zum Jahr 2030 um 40 bis 42 Prozent im Vergleich zu 1990, also auf 95 bis 98 Millionen Tonnen sinken. Mit Blick auf das Pariser Klimaschutzabkommen müssen die CO2-Emissionen des Verkehrs langfristig praktisch auf null sinken.

Der derzeitige Trend zeigt allerdings in eine andere Richtung: Die Treibhausgasemissionen des Verkehrs sind in den vergangenen Jahren gestiegen. 2017 lagen sie bei etwa 170 Millionen Tonnen. Davon werden rund 40 Millionen Tonnen von Nutzfahrzeugen, also Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen, verursacht. Prognosen gehen davon aus, dass der Straßengüterverkehr bis 2030 kontinuierlich um fast 40 Prozent ansteigen wird und das Potential für Energieeinsparungen bei konventionellen Lkw begrenzt ist.

Nach Berechnung der Wissenschaftler des Öko-Instituts hat die elektrische Fahrzeugvariante die höchste Energieeffizienz. Hacker: „Sie benötigen für die gleiche gefahrene Strecke nur halb so viel Energie wie heutige Lkw mit Verbrennungsmotor und weniger als Lkw, die mit strombasierten Kraftstoffen fahren.“ Das ist nicht nur gut für die Umwelt. Auch für die Transportbranche macht es sich bezahlt. „Bereits über eine typische Nutzungsdauer für Fern-Lkw von fünf Jahren weisen Oberleitungs-Lkw im Jahr 2025 geringere Gesamtbetriebskosten als Dieselfahrzeuge auf“, erklärt der Projektleiter. Die höheren Anschaffungskosten für die Fahrzeuge würden damit kompensiert.

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Der Aufbau der Oberleitungsinfrastruktur kostet etwa drei Millionen Euro pro Kilometer. Der Aufbau eines 4.000 Kilometer langen Netzes bis zum Jahr 2030 sind nach Berechnungen der Wissenschaftler mit etwa 20 Prozent der aktuellen jährlichen Mauteinnahmen finanzierbar. „Auch im Vergleich zu anderen Infrastruktur-Großprojekten wie dem Breitbandausbau bleiben die Gesamtkosten überschaubar“, so Hacker. Ob die Technologie ein Erfolg wird, hänge jedoch vor allem von den Anreizen ab, die die Politik für einen klimafreundlichen Güterverkehr der Zukunft setze und ob sie eine gestaltende Rolle beim Infrastrukturaufbau übernimmt.

„Die Bundesregierung sollte hier von 2019 bis 2031 für jedes Jahr eine Milliarde Euro in die Hand nehmen, um die Infrastruktur aufzubauen, und in den ersten Jahren mit günstigen Krediten für Fuhrparkbetreiber und erniedrigten Mautgebühren die Umrüstung von Lkw zu fördern“, so die Idee von Professor Felix Creutzig, Leiter der Arbeitsgruppe „Land use, transport and infrastructure“ am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), Berlin. Wichtig sei auch, dass der Kohleausstieg rasch gelinge. Damit könnten der Elektrizitätssektor und der Verkehrssektor im Tandem bis 2040 oder 2050 klimaneutral werden.

Daran, dass der Dieselantrieb ein Auslaufmodell ist, hat Weert Canzler, Senior Researcher beim Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), keinen Zweifel. Dass der Oberleitungs-Lkw der Königsweg ist, bezweifelt er allerdings. Die notwendige Infrastruktur sei nicht nur aufwändig und teuer, sondern auch störanfällig. Canzler: „Die häufigen Schäden im schon lange bestehenden Oberleitungssystem der Bahn zeigen das eindrücklich.“ Für ihn ist auch die Option eines Lkw mit einer Brennstoffzelle, die mit Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen gespeist werden kann, eine Option. Canzler: „Gerade erst hat ein US-Bierbrauer 800 Brennstoffzellen-Lkw bei Nikola Motors bestellt.“

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