Bislang galt: Hybrid = sauber. Nun kommt Kia mit einer auf den ersten Blick überraschenden Kombination auf den Markt – ein Diesel-SUV mit Elektrounterstützung. Der Verkaufs-Schlager Sportage mit 136 Kilowatt (185 PS) als CRDi EcoDynamics+ 2.0-Liter Diesel mild-hybrid. Klingt ungewohnt. Also sind wir nach Frankfurt gefahren und haben uns vor Ort angeschaut, ob das klappen kann.

Für schnelle Leser: Kia betätigt sich hier als Totengräber und schaufelt der Lichtmaschine ihr überfälliges Grab. Der Wagen hat zwar mit „Eco“ nicht wirklich viel am Hut, ist aber die Zukunft. Wie kann das sein?

Diesel-Power statt Riesen-Akku

Mit einem gerade mal 0,44 Kilowattstunden großem Akku ist eine richtige Unterstützung des Fahrzeuges, wie es bei echten Hybriden der Fall ist, kaum möglich. Der etwas kleinere Kia Niro hat schon 1,56 kWh, in der Plug-in-Version sogar 8,9 kWh an Bord. Beim größten Sportage (bislang ist nur dieser elektrifiziert) kommt die Power eben aus dem Dieselmotor. Ganz andere Voraussetzungen also.

Am Ende unserer Testfahrt stehen dann auch 6,5 Liter pro 100 Kilometer auf der Verbrauchsanzeige und das bestätigt unseren Eindruck: Vom Hybrid hören und spüren die Insassen nichts, weil die Batterie nur beim Beschleunigen Energie zuschießt. So kommt man flink von der Ampel weg, und das ist ja auch schön. Die Ersparnis von rund 10 Prozent ist auch nett, aber die CO2-Ziele der EU erreicht Kia mit dem Sportage Hybrid trotzdem nicht.

Es ist halt ein SUV. Warum auch immer Menschen das Bedürfnis haben, beim Fahren so weit wie möglich von der Straße entfernt zu sitzen, sie kaufen die Autos als lägen die Spritpreise noch bei 1,10. Mit Klimaschutz und Atemproblemen kann man der Kundschaft nicht kommen. Dass Kia nun den Weg übers Portemonnaie geht, ist deshalb löblich. Was uns zur Technik bringt:

Der Akku und der Gleichstromwandler sind so groß wie ein Werkzeugkoffer und nehmen in einem SUV wirklich kaum Platz weg. Der 48-Volt-Akku bedient den 12 Kilowatt starken Anlasser/Generator. Die Maschine nimmt am Motor selbst ebenfalls wenig Platz weg. Schon die Abgasreinigung (mit Adblue) dürfte die Entwickler vor größere Platzprobleme gestellt haben.

Es gibt leider kein Vergleichsmodell ohne Hybrid-Hilfe, deshalb lassen sich die Mehrkosten in der Anschaffung und die Einsparungen im Fahrbetrieb nur schwer schätzen. Aber Kia will ohnehin alle Modelle künftig mindestens mit einem solchen Mild-Hybrid-System ausstatten.

Softhybrid ungleich Hybrid

Für Wenigfahrer lohnt sich das Ganze übrigens gar nicht. Auch als Stadtflitzer laufen dem Sportage andere den Rang ab, dazu ist er zu breit und der Verbrauch lässt sich durch niedrigere Geschwindigkeiten nicht wirklich drücken. Auf der Autobahn hingegen wendet sich das Blatt: Der Kia lässt auch beim zügigen Überholen die Verbrauchsanzeige kaum ausschlagen. Wer die 180 durchgehend fährt, tankt natürlich häufiger.

Vor allem Vielfahrer dürfen sich freuen – das Fahrverhalten ist ok, der Preis auch (Vollausstattung mit Automatik rund 45.000 Euro), es gibt viele kleine Tech-Helferlein, Tempomat, Spurhalter, 360-Grad-Kamera, Einparkhilfe, elektrische Fensterheber. Wer über 30.000 Kilometer im Jahr fährt, darf sich hier besonders angesprochen fühlen.

Der Sportage schont Radfahrer

Sehr, sehr schön: Bei unserer Testfahrt gab es die klassische Rechtsabbieger-Situation mit Radfahrerin. Im SUV hält sich die Übersicht ja fast immer in Grenzen. Der Sportage sticht zwar nicht negativ heraus, aber dennoch kann es schnell gefährlich werden – Piepgeräusche und Anzeige im Seitenspiegel warnten jedoch vor der Radfahrerin (trotz ihres grünen T-Shirts und den grünen Büschen hinter ihr) schon bevor der Schulterblick nötig gewesen wäre. So viel zur aktuellen Debatte um Abbiege-Assistenten, das darf künftig gerne Pflicht werden.

Wer nicht viel fährt, sondern nur die Kinder von der Kita im benachbarten Stadtteil abholt oder vier Kilometer zur Arbeit und zurück pendelt, und sich dafür ein SUV kauft, kommt unabhängig vom Antrieb in die Hölle und darf an dieser Stelle weiterlesen.

Langstreckenfahrer mit Spar-Ambitionen könnte die Mischung von 136 kW und hybridgestützer Verbrauchsreduktion allerdings ins Grübeln bringen. Und die Auswahl dürfte schnell größer werden: Mit den fallenden Akkupreisen ist es nur logisch, dass Autohersteller die Lichtmaschine fallen lassen und auf solche Kleinst-Hybrid-Lösungen setzen.

Wir vermuten: In zehn Jahren werden alle Verbrenner einen solchen Akku an Bord haben, der den Otto- oder Dieselmotor im optimalen Drehzahlbereich hält, beim Start unterstützt und so Sprit spart. Kia legt jetzt beim Diesel schon mal vor und haut den ersten Nagel in den Lichtmaschinen-Sarg. Das zumindest ist positiv.

Umweltfreunden oder Elektromobilisten dürfte das alleine aber nicht reichen. Rein elektrisch fährt man im Sportage schließlich nur, wenn die Tachonadel beim Bremsen unter die „30“ fällt – und selbst danach sorgt ein Zucken im Fuß dafür, dass der Motor wieder anspringt. Echte New Mobility fühlt sich anders an.

Mit dem Niro (derzeit noch Hybrid und Plug-in) bringt Kia aber bald auch im SUV-Bereich ein reines Elektroauto – und der Kia Soul in seiner elektrischen Variante hat seine Verbrenner-Geschwister längst in puncto Beliebtheit (und Verkaufszahlen) überholt.

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