Beim Öffnen der Motorhaube ist der Kia e-Niro so richtig schön archaisch. Um die Haube zu fixieren, muss man ganz klassisch einen Metallstab einhaken, von Hydraulik keine Spur. Dass die Dämmung ebenfalls kaum vorhanden ist, verwundert bei einem Elektromobil wenig, weil das Triebwerk fast lautlos seinen Dienst verrichtet. Zudem kostet die Antriebseinheit und vor allem die Batterie Geld und um den e-Niro halbwegs erschwinglich zu machen, müssen die Produktionskosten so gut es geht, gedrückt werden.

Das merkt man auch im Innenraum beim Fahrstufendrehknopf und anderen Bedienelementen, die wertiger sein könnten. Das Resultat ist ein Einstiegspreis von 34.290 Euro und 44.790 Euro für die gefahrene Top-Version Spirit. Die bietet dann Annehmlichkeiten, wie den acht Zoll Infotainmentmonitor, induktives Laden für Smartphones und eine Rückfahrkamera. Neben den drei Ausstattungslinien Edition 7, Vision und Spirit kann man den e-Niro auch in zwei Batteriegrößen 39,2 Kilowattstunden und 64 Kilowattstunden sowie mit 100 kW / 136 PS und 150 kW / 204 PS bestellen – also genau jene Daten des Technik-Spenders Hyundai Kona Elektro. Damit schafft der e-Niro Reichweiten von 289 Kilometer bis 455 Kilometern. Im Stadtverkehr sollen sogar bis 615 Kilometer möglich sein. Kia rechnet damit, dass sich in Deutschland 93 Prozent der Käufer für das leistungsstärkere Batteriepaket entscheiden werden.

Steckt man die große Batterie an die Haushaltssteckdose dauert es 17 Stunden und 50 Minuten bis die Akkus von 20 Prozent bis zu 80 Prozent voll sind, mit einer 7,2 kW Ladestation sind es fünf Stunden, 50 Minuten und wenn man die Stromspeicher an eine 100 kW Schnellladestation hängt, sind es gar nur 42 Minuten. Laut Kia sind beliebig viele Schnellladevorgänge möglich und die Koreaner geben sieben Jahre Garantie auf die Batterie. Dazu kommt, dass Hyundai und Kia als Erste mit rein elektrischen Kompakt-SUV auf dem Markt kommen, während VWs ID. Crozz sich noch in der Erprobung befindet. Der Blitzstart der Koreaner dürfte sich bei den Verkäufen auswirken.

Was die e-Niro sonst noch bietet, sehen Sie in der Bilderstrecke:

Zumal das Bewegen des Stromers auch Freude bereitet. Aufgrund der deutlich ausgeprägten Unterschiede der Fahrmodi kann man den e-Niro je nach Bedarf konfigurieren. Wer möglichst weit kommen will, wählt Eco, wer maximale Fahrleistungen bevorzugt, stellt Sport plus ein und freut sich über ein reaktionsschnelles Ansprechverhalten. Dann schafft der Stromer in 7,8 Sekunden die 100 km/h Marke und ist gerade einmal bis zu 167 km/h schnell. Der Verbrauch soll bei 15,9 Kilowattstunden pro 100 Kilometer liegen. Bei den Testfahrten waren es sogar nur 15,6 kWh. Das Gegenstück ist der Eco plus Modus – dann versucht sich der e-Niro an die nächste Ladestation zu retten, limitiert die maximale Geschwindigkeit auf 90 km/h und schaltet elektrische Verbraucher, wie zum Beispiel die Klimaanlage aus.

Nüchterne Zahlen sagen wenig über den Fahrspaß aus

Diese nüchternen Zahlen sagen wenig über den Fahrspaß des e-Niro aus, der sich mit dem Hyundai Kona die Plattform teilt und deswegen ebenfalls ein Fronttriebler ist. Damit der Crossover einigermaßen flott um die Kurven flitzt, haben die Koreaner ein Torque Vectoring mit Bremseingriffen und eine direktere Lenkung installiert. Diese beiden bewährten Kniffe klappen ganz gut, und der koreanische Stromer zieht mit Verve in langgezogenen Kurven seine Bahnen. In engen Ecken kann der e-Niro das Gewicht von gut 1,8 Tonnen bei dem Modell mit den umfangreichen Akkus nicht ganz verhehlen und fängt an, mit den Vorderrädern zu scharren. Dank des Drehmoments von 395 Newtonmetern, macht der Elektro-SUV viel Spaß, auch wenn die Lenkung mehr noch mehr zu Wort melden könnte.

Der Komfort gibt keinen Anlass zur Klage und wenn man es im Eco-Fahrprogramm entspannt angehen lässt, freut man sich darüber, dass im adaptiven Tempomaten auch ein Spurhalteassistent integriert ist. Außerdem unterstützen ein Totwinkelwarner und ein Notbremsassistent den Fahrer. Wer gerne selbst aktiv ist, greift mit den beiden Paddeln, die sich hinter dem Lenkrad befinden ins Geschehen ein. Links wird die Rekuperation erhöht und rechts heruntergeschraubt bis zum Segeln. Fünf Modi stehen zur Auswahl, wobei man bei der One-Pedal-Einstellung die linke Wippe konstant ziehen muss, was umständlich ist. Dennoch: Nach einer Weile geht das Verzögern per Rekuperation in Fleisch und Blut über. „Wenn man die Rekuperation maximal ausnutzt, muss man bis zu 80 Prozent weniger die hydraulische Bremse nutzen“, rechnet Produktmanager Steffen Michulski vor.

Unterm Strich hat der Kia e-Niro das Zeug zum Erfolgsmodell. Der Preis ist vertretbar, die Reichweite mit den großen Akkus wirklich gut und Platz ist im 4,38 Meter langen Koreaner genug vorhanden: Der Kofferraum hat einen ebenen Ladeboden und ein Volumen zwischen 451 und 1.451 Litern. Auf der Rücksitzbank haben auch Menschen jenseits der 1,85 Meter Körpergröße Platz. Ab dem 6. April 2019 steht der e-Niro bei den Händlern. Ist die Nachfrage ähnlich hoch wie bei dem Hyundai Kona, dürften die Lieferzeiten dann schnell ansteigen.

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