Emir Tamim bin Hamad Al Thani strahlt von allen Häuserwänden, von Autos in der Hauptstadt Doha und auch in den Geschäften lächelt er von allen Regalen. Der Aufkleber mit seinem Antlitz ist zu einem Verkaufsschlager geworden. Allerdings wurde die Aktion auch von oben verordnet. Das „klebende“ Gesicht des Emirs wurde sozusagen verschenkt, damit jeder sieht: „Wir Katarer stehen zusammen – egal wer gegen uns ist“.

Katar ist eine absolute Monarchie, Wahlen gibt es ausschließlich auf lokaler Ebene. Nur 300.000 der 2,7 Millionen Einwohner sind wirklich Katarer, der Rest sind ausländische Arbeitskräfte. Sie schuften aus westlicher Sicht unter zweifelhaften Bedingungen, vor allem für die WM 2022 und die Emir-Vision Katar 2030 – die futuristische post-fossile Ära des Landes.

Einige der mächtigen Nachbarn, darunter Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain haben Katar vor einem Jahr den politischen und wirtschaftlichen Krieg erklärt. Zwar sind sie noch nicht mit Soldaten aufmarschiert, aber manchmal hätte nur wenig gefehlt, wenn den Regierungsquellen in Katar zu glauben ist. Bisher belassen es die Nachbarn bei einem Boykott des kleinen Wüstenstaats.

Der Streit basiert offiziell auf dem Vorwurf der Saudis, dass der seit 2013 herrschende Emir angeblich radikale religiöse Bewegungen wie die Muslimbrüder und auch Terrorismus finanziere. Schon der Vater des aktuellen Emirs war den Saudis, die bisher die arabische Halbinsel kontrollierten, wegen seiner offenen Politik, auch gegenüber Frauen, ein Dorn im Auge. Angel Andreu von der EAE Business School, einer Managerschmiede in Madrid, glaubt, dass es bei der Blockade auch um Neid geht: „Auf der Halbinsel kontrollieren sieben Familien alles. Schon immer gab es Machtkämpfe zwischen den verschiedenen Clans. Die Tatsache, dass das kleine Katar das reichste Land der Erde ist und sehr futuristische Pläne vorgelegt hat und jetzt auch noch die WM ausrichtet, stört seine Nachbarn.“

Katar will zum Singapur des Mittleren Ostens werden

Die Blockade stellt Katar vor eine Reihe von Problemen: Qatar Airways darf seit Juni 2017 nicht mehr über die sechs beteiligten Länder fliegen, neben den genannten zählt dazu auch Ägypten. Das Schlimmste für die katarischen Muslime: Sie kommen nicht mehr nach Mekka, auch nicht zu Ramadan und Haddsch, wenn es die meisten zu den heiligen Stätten zieht. Der 38-jährige Emir Tamim bin Hamad Al Thani musste seine Leute blitzschnell aus den an der Blockade beteiligten Ländern zurückholen, Botschaften schließen lassen und neue Zulieferer suchen.

Im Land hat das Embargo und der Druck von außen einen neuen Patriotismus erwachen lassen. Und die Bewohner haben daraus vor allem eins gelernt: unabhängiger zu werden, auch von fossilen Energien. Sie selber bedienen 30 Prozent der Welt-Nachfrage nach flüssigem Gas.

Die staatliche Investmentgesellschaft Qatar Foundation hat sich zum Ziel gesetzt, das Land zum Singapur der Region zu machen: „Wir haben ein eigenes Viertel auf den Weg gebracht, wo alle internationalen Unis und Schulen angesiedelt sind, unsere autofreie Education City, für die wir auch internationale Studenten anwerben wollen“, sagt die dort für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortliche Hend Bader Darwish Fakhroo. Wir stehen auf der Terrasse und blicken auf das enorme Gelände, wo jetzt schon die moderne Bibliothek und einige der Unis ihre Tore geöffnet haben. Ein Vorbild für Katar ist Norwegen: „Es hat ähnliche Charakteristiken wie wir und ein sehr hohes Bildungs- und Einkommensniveau“, sagt Hend Bader Darwish Fakhroo.

Sauberkeit, Ordnung und Disziplin zeichnen Doha aus

Bei der Sauberkeit und Sicherheit in der Stadt kann der Wüstenstaat mit Singapur absolut mithalten. Überall wird gefegt, geräumt und neu gebaut. Polizisten sorgen für Ordnung. Kein Papier liegt auf der Erde. Falsch parken wird mit hohen Strafen geahndet. Überall riecht es gut. Katars Kampf gegen den Boykott und um die Vorherrschaft auf der arabischen Halbinsel wird zwar von immer wieder düsteren Berichten über die Situation der Arbeiter vor Ort getrübt, aber dennoch ist in dem Land alles an Firmen vertreten, was international Rang und Namen hat.

Auch deutsche Unternehmen spielen dabei eine wichtige Rolle: Siemens baut die Straßenbahn, deutsche Architekturbüros die Stadien, deutsche Immobilienhändler versuchen reiche Expats anzulocken und Hochtief sowie Thyssen geben bei Infrastruktur- und Industrieprojekten den Ton an. Sie alle sollen helfen, dass die Katarer, die bisher alles mit dem Auto erledigten, ihr Leben umstellen: Sie sollen zum Shoppen zu Fuß gehen, mit dem Fahrrad durch den Souk radeln und Metro und Straßenbahn nutzen.

Smart Cities für die neuen Katarer

Die in der Hauptstadt Doha angesiedelten Smart City-Bezirke Lusail, noch im Rohbau, und die schon komplett fertiggestellte Msheireb Downtown Doha, sollen die vielen neuen Bewohner des Landes beherbergen, die der Emir durch die WM und seine sehr liberale Steuerpolitik in die Wüste locken will. Bis 2030 will er die Bevölkerung verdoppeln. Bisher war Katar ein Zwerg, das soll sich ändern. Platz gibt es genug: Die Bevölkerungsdichte beträgt gerade mal 227 Einwohner pro Quadratkilometer. Zum Vergleich: In Singapur sind es 7799. Auch deswegen stehen überall Kräne, laufen Bauarbeiter herum, fahren Dampfwalzen und stehen Absperrungen: Katar befindet sich 75 Jahre nach der Entdeckung der Gas- und Ölquellen immer noch komplett im Aufbau.

„Das Land hat sich nach einigem Zögern schnell an die neuen Zeiten mit Erneuerbaren Energien angepasst und neue Dienstleistungen wie die als Forschungsstandort auf den Weg gebracht“, sagt Angel Andreu. Die spanische Sicherheitsexpertin Carmen Chamorro glaubt, dass Katar auch die finanziellen Ressourcen hat, um schon bald Drohnen-Taxis und Roboter in das Stadtleben rund um die bisher noch weitgehend leerstehende Skyline von Doha zu integrieren. „Das einzige, was hier fehlt, sind die Menschen.“ Die kann der Emir nicht direkt mit Geld kaufen, aber indirekt: Er will sie durch niedrige Steuern anlocken.

In der kühl designten Smart City Msheireb Downtown können Neuzugezogene Häuser und Wohnungen mieten. „5000 Menschen sollen hier einmal leben“, sagt Ali Al Kuwari, CEO des privaten Investitionsprojektes. „Abgase, Krach und unsere enorme Hitze sollen hier nicht existieren.“ Sechs Etagen unter die Erde wurde hier von 30.000 Arbeitern gebaut, um den Verkehr von den Straßen unterirdisch zu leiten und auch die Logistik für Hotels, Geschäfte und Büros zu koordinieren, damit es oben so wenig Autos wie möglich gibt. Es wird Schatten geschaffen und es wurden moderne Kühlsysteme entwickelt, denn bei einer maximalen Temperatur von bis zu 50 Grad, die nur in den Wintermonaten auf 35 Grad heruntergeht, ist das Leben auf der Straße nur abends möglich, wenn es etwas kühler wird.

Vom Kamelrennen zum Fußball

Die Temperaturen könnten auch ein Grund sein, warum Fußball bisher in Katar noch nicht durchstarten konnte. Kamelrennen, Pferde, Falkenjagd, Golf und Tennis sind beliebter. Auf Fußball stehen vor allem die 15.000 Einwanderer aus Indien, Sri Lanka, Philipinnen und dem Iran. Sie alle müssen aber nach Beendigung ihrer Arbeit an den acht Stadien für die WM wieder zurück in die Heimat und werden nicht in den neuen Luxusvierteln von Doha, in Lusail oder Msheireb Downtown leben können.

Denn Katar ist eine klare Klassengesellschaft. Je näher verwandt mit dem Emir, desto besser das Gehalt und die beruflichen Chancen. Katarer werden zudem für den gleichen Job eindeutig besser bezahlt als Ausländer. Frauen haben zwar mehr Rechte als in anderen arabischen Ländern, sie dürfen Auto fahren und auch wählen, aber dennoch laufen die meisten verschleiert durch die Stadt und in den wichtigen Gremien sitzen weiterhin nur Männer. „Wollen die Katarer ihr Land mit reichen Ausländern bevölkern, muss sich hier noch einiges ändern“, sagt Angel Andreu.

Die Gesellschaft insgesamt müsse offener werden, damit sich Ausländer in Doha wirklich wohlfühlten. Noch scheint alles wie ein Walt Disney Park. Moderne Strukturen und Steuererleichterungen reichen da nicht. Fahrer Hanif Rahman aus Bangladesh lächelt über all das: „Alles steht hier leer, nirgendwo gibt es Menschenschlangen. Es wird auch nicht geklaut, denn es gibt so viel Geld hier, das können sie sich gar nicht vorstellen“. Doch noch ist es sehr ungerecht verteilt.

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