„Die deutsche Industrie hat ein extremes Problem mit der Elektromobilität.“ Das sagt der Ingenieur Andreas Pfeffer, der selbst viele Jahre lang bei Automobilunternehmen gearbeitet hat. Dort wurde ihm klar: Der Verbrennungsmotor ist für Hersteller, Zulieferer und Maschinenbauer nicht nur ein zentrales Produkt – eigentlich ist fast die gesamte deutsche Industrie darauf ausgerichtet. „Mit dem Einzug des Elektromotors bricht aber diese Grundlage weg“, sagt Pfeffer. Also bremsen viele Unternehmen, statt den Umbau mit voller Kraft voranzubringen.

Doch der Ingenieur Pfeffer wollte das so nicht hinnehmen. Deshalb gründete er – gemeinsam mit den Kollegen Christian von Hösslin und Thomas Wächter – ein eigenes Automobilunternehmen: „I SEE“ heißt die Firma, die anbietet, woran die traditionelle Branche bislang kaum Interesse zeigt: Elektrische Nutzfahrzeuge für die Stadt.

Grundlage der Liefer-, Kasten- und Pritschenwagen des kleinen Unternehmens in Offenbach sind Fahrzeuge von Opel: Der Hersteller hat seine beliebten Lieferwagen Movano und Vivaro gemeinsam mit Renault entwickelt. I SEE ersetzt deren serienmäßigen Verbrennungsmotoren durch eine E-Maschine und montiert Batterien im Unterboden. Von außen ist den Lieferwagen ihr modernes Innenleben nicht anzusehen. Seit kurzem sind die umgerüsteten Fahrzeuge auf dem Markt.

Batterien für alle Karosserietypen

Den Umbau könnten die Autohersteller eigentlich auch selbst leisten, doch bislang sieht es mit verfügbaren E-Fahrzeugen schlecht aus. „Die wenigen Angebote gehen oft an den Bedürfnissen von Handwerkern und Logistikfirmen vorbei“, stellt Pfeffer fest.

Er setzt auf Komfort und gutes Fahrverhalten, beides verlangten seine Kunden. Lösungen wie der elektrische Streetscooter von der Post böten ein eher rudimentäres Fahrerlebnis, stellt Pfeffer fest. Das sei zwar für viele Anwendungen ausreichend, lasse aber noch vieles offen. I SEE verkauft deshalb unter anderem einen neunsitzigen Van mit Komfort-Ausstattung und bietet Lieferwagen mit hydraulischer Hebebühne. Vor allem aber: „Unsere Batterie ist stark genug für alle Karosserietypen“, sagt Pfeffer. Im Angebot finden sich Doppelkabine, Pritschenwagen oder die Variante mit Fahrgestell. Kommerzielle Anwender wollen sich in der Regel ein Nutzfahrzeug genau nach ihren jeweiligen Bedürfnissen zusammenstellen, mit Standardprodukten käme man deshalb nicht weit.

Nachfrage hauptsächlich aus dem Ausland

Die unterschiedlichen Bauweisen der Fahrzeuge mit E-Antrieb kommen im Gewerbe sehr gut an, stellt I SEE fest. Allerdings nicht unbedingt im Inland. „Die größte Nachfrage bekommen wir derzeit aus den Niederlanden, Schweden oder Norwegen. Dort hat man längst erkannt, wie wichtig elektrische Nutzfahrzeuge in den Städten sind“, sagt Pfeffer.

Die Luft in Städten werde schließlich nicht in erster Linie durch den Pendlerverkehr verschmutzt. Die meisten Abgase produzierten Fahrzeuge, die in der Stadt mehr als sechs Stunden täglich unterwegs sind: Lieferwagen, Handwerker-Mobile, Taxis. „Dort muss man ansetzen“, stellten Pfeffer und seine Mitstreiter fest, als sie sich vor fünf Jahren intensiver mit dem Thema Elektromobilität befassten. Heute hat das Unternehmen etwa zehn Mitarbeiter, die Werkstatt in Offenbach kann 700 Fahrzeuge im Jahr umrüsten. Deren Preis startet bei 68.000 Euro – das ist ein Mehrfaches der Verbrenner-Varianten. „Je nach Strompreis, den der Betrieb erhält, rentieren sich die E-Lieferwagen aber schon nach weniger als drei Jahren“, sagt Pfeffer. Dass der Energiepreis in Deutschland so hoch und gleichzeitig so starr sei, regt den Ingenieur sehr auf. „Wir brauchen endlich den last-abhängigen Strompreis: Er muss zum Beispiel nachts billiger sein. Erst dann wird die Elektromobilität abheben.“

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