Mit jedem Mal steigt die Wertschätzung: Nach dem ersten Sieg hatte „Warr Hyperloop“ – das Team der TU München – noch ein eher dünnes Lob im „Campus- Spiegel“ bekommen, dem Magazin des Forschungszentrums Garching. Der Sieg beim SpaceX-Wettbewerb in Los Angeles war dem Blatt nur ein paar Zeilen wert. Doch Martin Riedel ficht das ebenso wenig an wie seine 36 Mitstreiter vom Hyperloop-Team der Technischen Universität.

Für sie zählt anderes: Gegen 30 Mannschaften aus aller Welt, unter anderem vom berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT), haben sie Elon Musk von ihrem Konzept überzeugt. Der SpaceX-Gründer und Tesla-Chef hält die von ihnen konstruierte Kapsel bestens dafür geeignet, dereinst Menschen mit Geschwindigkeiten von über 1000 Kilometern pro Stunde (km/h) durch eine Vakuum-Röhre zu fernen Orten zu schießen.

Musk hatte die Idee für das revolutionäre Verkehrssystem namens Hyperloop, das – angetrieben mit Erneuerbarer Energie – künftig dem immer noch klimaschädigenden Luftverkehr Konkurrenz machen soll. Fast Schallgeschwindigkeit haben die Teams aber noch nicht erreicht.

Beim zweiten Anlauf in L. A., dessen Sieg dem Team schon größere Aufmerksamkeit einbrachte, kamen die Münchner auf eine Spitzengeschwindigkeit von 324 km/h im Finallauf. Ein Elektromotor mit 50 Kilowatt Leistung und 40 Newtonmeter Drehmoment sei ja nicht die Welt, erklärt Riedel neben dem Modell der Kapsel stehend. Aber wie schnell der kleine Motor den 80 Kilogramm schweren Pod auf ein derart hohes Tempo trieb, „hat selbst einen Elon Musk erstaunt.“

Was Musk fast noch mehr überraschte: Die Studenten gingen mit einer Eigenkonstruktion an den Start und nicht einfach – wie viele andere Teams – mit einem fertigen Tesla-Motor. Der Antrieb der Münchner basiert auf einem Elektromotor, mit dem die Elektro-Rennwagen der Formula Student herumrasen. Die Energie liefert eine Lithium-Ionen-Batterie mit 120 Zellen, wie sie in Akku-Bohrmaschinen oder Rasenmähern steckt. „Da war Elon richtig baff“, grinst der Student. Die Anerkennung durch den visionären Unternehmenslenker aus dem Valley war dem Team in dem Moment mehr wert als alle möglichen Bonuspunkte für fleißiges Studieren. Riedel: „Davon zehrt man ein Leben lang.“

Dritter Anlauf, dritter Sieg

Dieses Jahr war die Strecke etwas kürzer (1,2 statt 1,6 Kilometer) und der Pod etwas schneller: 467 km/h schaffte die Kapsel – und war damit schneller als der Pod von SpaceX. Vergessen waren da auch die Tausenden Arbeitsstunden, die das Münchner Team seit dem Sommer 2015 in das Projekt gesteckt hat.

Übrigens ist auch schon eine europäische Strecke in Planung:

Riedel kann sich noch gut erinnern, wie alles begann, als die Informatikstudentin Mariana Avezum den Stein ins Rollen brachte. Die damals 25-Jährige war auf der Suche nach einem Thema für ihre Masterarbeit eher zufällig auf den Studenten-Wettbewerb gestoßen, den Musk und seine Raumfahrtfirma SpaceX ausgeschrieben hatten. „Wenn wir Informatiker etwas realisieren wollen, gehen wir zu den Maschinenbauern. Denn die können unsere Ideen umsetzen“, erzählt Riedel. In den studentischen Arbeitsräumen der Fakultät für Maschinenbau stieß Avezum gemeinsam mit ihrem Kommilitonen Riedel auf Angehörige der WARR – der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für Raketentechnik und Raumfahrt. Hier wurden schon viele spannende Projekte ausgebrütet, Raketen mit Hybridantrieb, Satelliten, Solarpanele oder Aufzüge ins All. Es war die perfekte Brutstätte für das nun WARR Hyperloop getaufte Projekt.

Erst Leistungsschwimmer, dann Informatiker

Schnell wurde aber auch allen Beteiligten klar, wie groß die Herausforderung war. Nicht nur technisches Wissen, auch Managementfähigkeiten waren gefragt. Das Team um Avezum und Riedel wuchs innerhalb kürzester Zeit auf über 30 Studenten, die sich schnell organisieren mussten. Die komplexe Aufgabe wurde in vier Bereichen (Mechanik, Elektronik, Magnetik und Business), auf Projektleiter und Themenverantwortliche verteilt. Nur so und durch ein strammes Management konnte das Team den extrem straffen Zeitplan einhalten.

Riedel schrieb schon als Schüler Software und betätigte sich später als Leistungsschwimmer – um dann Informatik zu studieren. Während des Hyperloop-Projekts entdeckte er seine Fähigkeiten als Manager, wuchs Schritt für Schritt über sich hinaus. „Ideen ausbrüten ist das eine. Aber irgendwann muss die Zeit der Diskussionen und Überlegungen beendet sein.“ Das gilt für ein Studium, für ein quasi industrielles Großprojekt aber umso mehr.

Wie viel Arbeit im Projekt Hyperloop steckt, dokumentiert auch die Zahl der Aufkleber auf den beiden Prototypen, die in den vergangenen zwei Jahren entwickelt wurden. Zwei Hauptsponsoren, Airbus und die TU München, haben sich hier verewigt, dazu viele weitere Silber- und Bronzesponsoren. Dutzende Unternehmen steuerten Rat und Tat, Geld und Material bei. Um sie zu gewinnen, reichte es nicht, eine E-Mail zu schreiben. Viele Klinken mussten die Studierenden putzen, viele Gespräche führen. Eine größere sechsstellige Summe dürfte in der Kapsel stecken.

Der Warr Hyperloop hat ein paar Semester gekostet – na und?

Und Riedel selbst? Für ihn sind die Kontakte, die er in den zurückliegenden zwei Jahren schloss, und die Erfahrungen, die er sammelte, fast noch wertvoller als die technischen Erfolge. Ja, das Vorhaben hat ihn vielleicht das eine oder andere Semester gekostet. Aber an einen Ausstieg aus dem Hyperloop-Projekt hat er nie gedacht. Dazu machte die Arbeit an der Passagierkapsel zu viel Spaß. Riedel sieht den Hyperloop als technische Herausforderung, eine Vision, die ihn elektrisiert. Er ist von der Machbarkeit des innovativen Verkehrssystems überzeugt. Und spätestens seit diesem Wochenende dürfte er damit nicht alleine sein.

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert