Schier unendlich lange Straßenetappen, rasante Bahnrennen oder halsbrecherische Mountainbike-Abfahrten: Egal in welcher Disziplin, das Material ist im Radsport höchsten Belastungen und Anforderungen ausgesetzt. Und jede technische Innovation, jedes eingesparte Gramm Gewicht sowie jedes neue Material verspricht Bestzeiten bei maximaler Stabilität.

Oder wie Ingo Berbig sagt: „Der Radsport braucht dauerhaft neue Ideen, um voranzukommen.“ Berbig kennt das Geschäft. Der Chemnitzer ist seit über 20 Jahren im Radsport aktiv, in seiner Jugend startete er selber bei Straßenwettkämpfen, mittlerweile leitet er eine Trainingsgruppe beim Radsportverein Chemnitz (RSV). Doch neuerdings stellt er sein eigenes Material her. Zumindest teilweise. Gemeinsam mit seinem Team an der TU Chemnitz hat der Ingenieur eine neue Art von Speichen entwickelt, die Maßstäbe setzen will.

Das Besondere: Im Gegensatz zum momentanen Standard von Stahl- oder, im Leistungsbereich, Carbonspeichen, arbeiten die Chemnitzer Wissenschaftler mit Textilien. Speichen aus Stoff? Ganz so alltäglich sind die Fasern nicht: „Wir verwenden synthetische Hightechfasern, sogenannte HMHT-Fasern. Die sind so leistungsfähig wie Stahl oder Carbon, wiegen aber nur einen Bruchteil davon“, so Berbig.

Stoff statt Stahl

HMHT steht für „high modulus, high tensile“. Die Hightechfasern werden zu Strängen geflochten und sind bei hoher Materialspannung hochsteif. Die genaue Zusammensetzung der Speichen bleibt jedoch geheim, patentiert sind sie allerdings schon. „Die Speichen haben viele Vorteile“, sagt Berbig. „Zum Einen bieten sie viele Möglichkeiten beim Design des Laufrads. Wir können durch unterschiedliche Farben und Anordnungen der Speichen ein spezielles Aussehen schaffen.“ Durch die hohe Widerstandsfähigkeit müssen nicht so viele einzelne Speichen verbaut werden, die Lastenverteilung kann je nach Bedarf angepasst werden, wodurch ansprechende Muster entstehen.

„Zum Anderen die Materialeigenschaften. Die Speichen sind zwar etwa gleich steif wie Stahl, aber variabel, elastisch“, erklärt Berbig. Dadurch würden Stöße gedämpft, was den Komfort im Sattel merklich erhöht. Das kann jeder Mensch bestätigen, der schon mal mit einem Rennrad über Kopfsteinpflaster gehoppelt ist. „Außerdem sind wir bei etwa einem Siebtel der Dichte von Stahlspeichen und sparen dadurch bis zu fünf Gramm pro Speiche. Auch mit Carbonspeichen können wir leistungsmäßig mithalten“, so Berbig weiter.

Einsatzgebiet Leistungssport

Ein Riesenvorteil, können im Spitzensport doch schon wenige Gramm über Sieg und Niederlage entscheiden. Dementsprechend sehen Berbig und sein Team aus Stephanie Mager, Daniela Storch, Dirk Fischer, Falk Hofmann und Stephanie Röthlingshofer den Einsatz der Hightech-Speichen vorerst auch hauptsächlich „im hochqualitativen Bereich“, bieten sie doch die Möglichkeit, das Laufrad ideal an das Systemgewicht anzupassen. Außerdem maximieren sie durch ihre Langlebigkeit und Stabilität auch die Sicherheit der Fahrer und Fahrerinnen. Gerade auf Straßenetappen mit schlechtem Belag oder im Mountainbikebereich, besonders bei heftigen Abfahrten.

„Im Cityrad werden wir sie vorerst nicht einsetzen, obwohl Potenzial da ist“, sagt Berbig. Ziel sei es vielmehr, sich „im Sportbereich zu positionieren.“ Eben dort, wo sich noch mehr Potenzial entfaltet. Dafür wollen die Entwickler ihre Verbindungen in die Szene nutzen. Berbigs Kollegin Daniela Storch ist semi-professionelle Mountainbikerin und testet momentan eine neue Version der Speichen. Parallel dazu sollen kleinere Anpassungen vorgenommen und die Suche nach weiteren Kooperationspartnern vorangetrieben werden.

Die Markteinführung ist für das Frühjahr 2018 geplant. Dafür startet am 1. Oktober die Crowdfunding-Kampagne auf Startnext, mit der das Team die Idee in eine Startup-Gründung überführt. Preislich will man sich in gleichen Regionen bewegen wie die Konkurrenz im Leistungssport. In puncto Leistung erreichen die Hightech-Speichen jedoch ein neues Level.

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