Was macht ein gutes Hotel zur Luxusherberge? Früher reichten dafür eine Rezeption, die rund um die Uhr besetzt war, ein flauschiger Bademantel auf dem Zimmer sowie ein Bügel- und Schuhputzservice. Heutzutage müssen Hotels jedoch wesentlich mehr bieten, um vom Deutschen Hotel- und Gaststättenservice mit fünf Sternen als Nobelherberge klassifiziert zu werden. Kostenloses Internet, ein TV-Lautsprecher im Bad sowie mehrere Kopfkissen zur Auswahl sind da Mindestvoraussetzung – um nur drei von insgesamt 270 Kriterien des DeHoGa für die Jahre 2015 bis 2020 zu nennen.

Immerhin drei Zusatzpunkte kann sich demnach ein Hotel verdienen, das seinen Gästen Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge – Auto oder Fahrräder – anbietet. Doch welche Hotels sind tatsächlich schon auf die E-Mobilität vorbereitet? Und was versteht man in einem Fünfsterne-Haus eigentlich unter „Lademöglichkeit“? Wir machen die Probe aufs Exempel.

Zum Testen nehmen wir ein echtes Fünfsterne-Luxusauto mit der kryptischen Modellbezeichnung BMW 740Le i-Performance. Hinter dem Buchstaben- und Zahlensalat verbirgt sich so etwas wie die Öko-Variante des Flaggschiffs der Bayerischen Motorenwerke: Eine Limousine von 5,24 Metern Länge und über zwei Tonnen Lebendgewicht, die dank eines 240 Kilowatt starken, an der Steckdose wiederaufladbaren Hybridantriebs in nur 5,5 Sekunden auf Tempo 100 sprintet und dabei nach der aktuellen EU-Norm nur 2,2 Liter Superbenzin verbrennt. Dank eines Lithium-Ionen-Akkus unter der Rücksitzbank kann das Prachtschiff sogar lärm- und emissionsfrei durch die Großstadt rollen – bis zu 45 Kilometer weit, verspricht der Hersteller. Dann muss das Auto wieder an die Steckdose. Für Fernreisen ist das etwas wenig, aber für eine Tour zu fünf 5-Sterne-Hotels zwischen Düsseldorf nach Königswinter sollte es doch reichen, oder?

Wall Connectors“ für das Wohlgefühl

Station Nummer eins ist der „Breidenbacher Hof“ an der Königsallee in Düsseldorf. Das zehnstöckige Grandhotel der Capella Hotel Group wurde vor zehn Jahren für rund 100 Millionen Euro an historischer Stelle komplett neu errichtet und zählt seitdem wieder zu den ersten und feinsten Adressen in der Landeshauptstadt. In der Lobby gibt es reichlich Blattgold, auf den Zimmern können die Gäste beim Duschen fernsehen. Und die Zufahrt zum Hotel verfügt über eine Fußbodenheizung. Luxus, wohin das Auge blickt. Da darf doch auch eine Ladestation für Elektroautos nicht fehlen.

Und tatsächlich: „Um das Wohlgefühl seiner Gäste weiter zu steigern“, ist der Breidenbacher Hof seit Anfang März „Tesla-Charging-Partner“. Hotelgäste können während ihres Aufenthalts ihren Tesla an einem von drei „Wall Connectors“ kostenfrei laden. Und Besitzer eines Plug-in BMW oder eines Renault Zoe? Die natürlich auch, beruhigt mich Hoteldirektor Cyrus Heydarian. An einer der Ladestationen könne auch über einen Typ-2-Stecker mit einer Ladeleistung von bis zu 22 Kilowatt Strom getankt werden. Und gegen eine Parkgebühr von 15 Euro seien die Ladestationen auch öffentlich nutzbar – sofern sie denn frei sind. Denn: „Die Tesla-Aufladestationen werden von unseren Gästen bereits sehr gut angenommen“, freut sich der Hotelmanager.

Auch an diesem Vormittag sind „leider“ alle Plätze belegt. Ein Hotelzimmer wollen wir nicht buchen, der Akku unseres BMW ist auch noch gut gefüllt – also weiter zum nächsten Ziel. „Dürfen wir Ihnen eine Flasche Wasser mit auf die Reise geben?“, fragt Doorman Rudolf noch und reicht uns dann drei Flaschen Aqua Panna, edles Mineralwasser aus der Toskana, in den Wagen. Das nennt man Service. Besten Dank dafür – und auf Wiedersehen.

Weiter geht’s nach Köln. Tank und Akku sind voll, die Straßen leider auch. An Vollgas ist auch auf der Autobahn nicht zu denken. Statt dessen lassen wir uns von den elektrischen Sitzen im BMW den Rücken massieren und von der tollen Soundanlage aus dem Hause Harman Kardon berieseln. Kameras halten den Wagen in der Spur, Radarsysteme gesetzeskonform den Abstand zum Vordermann. Und der Bordrechner wacht darüber, dass die Tempolimits nicht missachtet werden – wir kriegen unterwegs einen kleinen Vorgeschmack auf den Luxus des vollautonomen Fahrens. Der Luxus des vollelektrischen Fahrens hingegen ist schon kurz hinter Neuss – keine 20 Kilometer seit dem Start – Vergangenheit: Jenseits von Tempo 50 ist der kleine Akku ruckzuck leergesaugt. Da mag der Fahrer noch so zurückhaltend fahren, das Bremssystem so effektiv rekuperieren. Aber vollelektrisch geht jetzt gar nicht mehr. Aber vielleicht können wir ja an unserer nächsten Station nachladen?

Tradition ohne Innovation

Das Excelsior Hotel Ernst ist jedenfalls nicht zu verfehlen: Es liegt gegenüber vom Dom, nur wenige Meter vom Hauptbahnhof entfernt. Es rühmt sich, „Kölns einziges Fünfsterne-Luxushotel im Zentrum der Stadt“ zu sein, ist aber auch entsprechend vom Verkehr umbrandet. Die Hotelvorfahrt ist schmal und bereits mit einem Mercedes des hoteleigenen Shuttle-Service sowie zwei Fahrzeugen von Hotelgästen zugeparkt, der Wendekreis unserer Luxuskutsche aufgrund des langen Radstands mit knapp 13 Metern nicht unbedingt großstadttauglich. Und obendrein queren Radfahrer und Fußgänger die Fahrbahn ohne Rücksicht auf Verkehrszeichen oder die eigene Lebensversicherung.

Ruhender Pol in dem Verkehrschaos und damit wichtiger Orientierungspunkt ist Doorman Hamid in seiner türkisfarbenen Uniform. Er kommt auch gleich hervorgesprungen, reißt die Wagentüre auf. „Wollen Sie einchecken?“ „Ich würde ja gerne, müsste aber erst einmal nachladen.“ Ein verständnisloser Blick auf Fahrer und Fahrzeug, dann dämmert es ihm: „Elektrisch?“ „Plug-in-Hybrid – der muss an die Steckdose.“ „Aber nicht bei uns.“ Sondern? „Die nächste Ladesäule ist am Hotel Marriott.“ Die Herberge ist auch nicht übel, rangiert allerdings deutlich unter dem Hotel Ernst – und liegt blöderweise auf der anderen Seite des Hauptbahnhofs. „Sie können ja dort laden und dann wiederkommen“, schlägt Hamid noch vor. Aber wir haben den Motor bereits wieder gestartet und verabschieden uns von dem Haus, das laut Eigenwerbung „Tradition mit Innovation“ verbinden will, in puncto Mobilität aber noch in der Tradition verhaftet ist.

„Energie tanken“ – an der CEE-Steckdose

Doch es gibt ja noch andere Fünfsterne-Superior-Alternativen in der Domstadt. Das Hotel Im Wasserturm in der Kaygasse zum Beispiel. Die sicherlich ungewöhnlichste Luxusherberge der Stadt in einem ehemaligen Wasserturm. Nicht ganz so zentral gelegen, aber in wenigen Minuten zu erreichen. Die Zufahrt ist ähnlich kniffelig, aber der Concierge immerhin ist fix: „Ja klar, wir haben eine Ladestation – im zweiten Untergeschoss unserer Tiefgarage. Einfahrt vorne rechts.“

Das Hotel, erfahren wir später, verfügt sogar über ein Valet-Parking: Das Auto wird kostenlos von Mitarbeitern des Hotels in den Keller gefahren. Wir machen uns – mit Rücksicht auf den Testwagen – lieber selbst den Stress, zirkeln unsere (inklusive der Außenspiegel) zwei Meter breite und über fünf Meter lange Repräsentations- und Reiselimousine auf einer schmalen Spur mit engem Kurvenradius eigenhändig in die Unterwelt, den Kopf aus dem Seitenfenster und mit Schweiß auf der Stirn. Und dann, nach schier endloser Kreiselei, sehen wir ihn endlich: Den „Ladeplatz für E-Fahrzeuge“. Direkt neben der Feuerlöschstation, rot markiert, hell beleuchtet: „Hier können Sie Energie tanken“.

Aber wie nur? Das Ladekabel bereits in der Hand müssen wir feststellen, dass auch im historischen Wasserturm bei allem guten Willen die Zukunft noch nicht angekommen ist: Am Ladepunkt gibt es nur eine CEE-Steckdose für dreiphasiges Laden mit Wechselstrom. Die ist zwar besser als eine Schukosteckdose – aber ohne Adapter sind wir hier aufgeschmissen. „Unsere Gäste, die hier schon geladen haben, hatten so einen Adapter dabei“, klärt mich der herbeigerufene Techniker auf. Ja, gibt er zu, das sei keine optimale Lösung. Bei den Kölner Stadtwerken habe man deshalb schon vor einem halben Jahr die Montage einer ordentlichen Wallbox in Auftrag gegeben. Aber die rührten sich nicht. „Wat wells de maache“ heißt es in Artikel 7 des rheinischen Grundgesetzes: Rege dich nicht auf, du änderst ja sowieso nichts dran. Also auch hier: Fehlanzeige. Immerhin die Ausfahrtkarte gibt es am Empfang kostenlos.

Stau vor der Ladesäule

Also auf zur nächsten Station. Es geht zurück auf die Autobahn, weiter nach Süden. Der Bordcomputer weist inzwischen einen Durchschnittsverbrauch von 7,8 Litern, die Füllstandsanzeige des Akkus zwei kleine Punkte: Ebbe im Schacht. Immerhin läuft der Vierzylinder-Motor so leise, dass man – auch dank des Akustikpakets inklusive Doppelverglasung – meint, elektrisch zu fahren. Das Navi lotst uns zielsicher durch den Feierabendverkehr raus aus Köln, über die Flughafenautobahn nach Bonn, zum „Kameha Grand Hotel“, wo angeblich „rheinisches Laissez-Faire, Exklusivität und moderne Technologie auf Casual Style“ treffen.

Das avantgardistisch gestylte Lifestyle-Luxushotel unterhalb des Siebengebirges ist eine der Lieblingsadressen von Jogi Löw und seinen Mannen, auch die Begum hat den Service des Hauses schon genossen. Und nun kommen wir – und staunen nicht schlecht: In der Hoteleinfahrt parken zwei weitere Siebener-BMW, einer saugt gerade an der Ladesäule Strom für seinen Hybridantrieb. Und für Shuttle-Fahrten und Kurierdienste steht obendrein ein nagelneuer BMW i3 parat. Elektromobilität? Ist hier Alltag. Während wir noch staunen, kommt der Doorman herbeigelaufen und fährt unaufgefordert einen der Siebener-BMW zur Seite, damit wir an die Ladesäule („Hier tanken und super fahren“) kommen und den zweiten Anschluss nutzen können. Was kostet der Spaß? „Nichts. Sagen Sie bitte nur Bescheid, wenn Sie genug geladen haben.“ Was will man mehr? Na ja, vielleicht eine zweite oder dritte Ladesäule vor dem Hotel oder in der Tiefgarage.

Ladestation – irgendwann im nächsten Jahr

Wir bleiben eine halbe Stunde, tanken Energie und genießen einen frischgebrühten Espresso. Dann geht es wieder weiter, rauf auf den Gipfel – zur fünften Station, zum Steigenberger Grandhotel Petersberg. Das ehemalige Bundesgästehaus beherbergte einst illustre Gäste wie die britische Queen und den äthiopischen Kaiser Haile Sellassi. Der sowjetische Staatschef Leonid Breschnew fuhr in den 1970er-Jahren auf der Serpentinenstrecke rauf zum Gipfel einst einen Mercedes zu Schrott. Doch in den Jahrzehnten danach sind die Fahrwerke deutscher Luxusautos deutlich besser geworden – unser BMW sucht im Komfortmodus sogar die Fahrbahn nach Unebenheiten und Schlaglöchern ab. Außerdem sind wir natürlich nüchtern unterwegs. Kurzum: Wir erreichen das Grandhotel unfallfrei.

Der Ausblick ins Rheintal ist grandios, der Anblick des Hotels – das gerade mit Millionenaufwand restauriert und umgebaut wird – sorgt aber eher für Mitleid als für Bewunderung. Und die Ladeinfrastruktur ist… ausbaufähig, um es diplomatisch auszudrücken. In der neuen Tiefgarage, erfahren wir am Empfang, werde es mehrere Ladesäulen geben – irgendwann im nächsten Jahr. Und jetzt gleich? Na ja, wir könnten die Kabeltrommel nutzen, die am Ausgang liege: „Die nutzen wir auch für unsere Golfcarts.“ Zwei Kilowattstunden Strom laden wir darüber in der Mittagspause. Etwa die gleiche Energiemenge sammeln wir später bei der Bergabfahrt durch Rekuperation – damit schaffen wir es dann den nächsten Berg hinauf.

Unser Fazit

Nichts währt ewig oder, wie es in Artikel 5 des bereits zitierten rheinischen Grundgesetzes heißt: Et bliev nix wie et wor. Was gestern noch Luxus war – PC, Mobiltelefon oder Klimaanlage, Parkassistent oder Schaltautomatik im Auto – ist morgen schon Allerweltsgut. Unser rund 130.000 Euro teurer Testwagen strotzt mit einem ganzen Arsenal an Finessen und luxuriösen Extras, die ihn aus der Masse herausheben. Massagesitze sind heute ebenso wenig eine Selbstverständlichkeit wie Laserlicht, ein HeadUp-Display oder ein Concierge-Service, der über die Telefonverbindung in Sekundenschnelle die Adresse des nächstgelegenen Fünfsterne-Hotels heraussucht und ins Navigationssystem überträgt. Und auch viele von den Services, mit denen Luxushotels heute noch strotzen – Kaffeemaschine auf dem Zimmer, iPhone-Ladestation oder TV-Lautsprecher in der Dusche – könnten sich bald überlebt haben.

Luxus ist ein vergängliches Gut, deren Wert sich täglich neu definiert. Wer in diesem Markt die Spitzenposition behaupten will, tut gut daran, neue Entwicklungen technischer wie gesellschaftlicher Art schnell aufzunehmen. Elektroautos etwa sind heute auf unseren Straßen noch Exoten, werden aber in wenigen Jahren das Stadtbild prägen und Mobilität neu definieren. Unsere fünf Hotels im Rheinland, nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, haben dies bereits erkannt und ihr Marketing auf die neue Klientel ausgerichtet – allein bei der Umsetzung hapert es hier und da noch ein wenig. Eine Ladesäule vor dem Hotel oder eine Steckdose in der Tiefgarage haben allenfalls Alibifunktion.

Auch BMW muss sich noch strecken. Der 740Le iPerformance versucht eine Brücke ins Zeitalter der Elektromobilität zu bauen mit einem kraftvollen Hybridantrieb und einem intelligenten Energiemanagement. Aber eine elektrische Reichweite von nominell 40 Kilometern unter Idealbedingungen – die im Alltagsbetrieb schnell auf gut 20 schrumpfen – ist zu wenig, um die Freude am Fahren auch dann genießen zu können, wenn Innenstädte für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren gesperrt werden sollten. 50 Kilometer sollten es unter realen Verkehrsbedingungen und auch an kälteren Tagen schon sein, um das E im Kennzeichen rechtfertigen zu können.

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