Einsteigen, anlassen und losfahren? Von wegen! Wer zum ersten Mal ins Cockpit eines Formel-E-Rennwagens klettert, der braucht nicht nur eine Aufwärmgymnastik, damit er seinen viel zu großen Körper überhaupt in die viel zu enge Carbonröhre schlängeln kann.

Komplizierte Bedienung

Sondern dem drückt der Renningenieur erst einmal eine Bedienungsanleitung mit einem Dutzend Seiten in die Hand. Das Lenkrad übersäht mit Knöpfen und dazwischen digitale Instrumente, die für den Laien so aussagekräftig sind wie chinesische Schriftzeichen, und irgendwo am anderen Ende der maßgeschneiderten Carbonliege die Pedale für Gas und Bremse, die man hier mit beiden Füßen bedient – mit einem normalen Auto hat dieser Rennwagen nichts, überhaupt gar nichts mehr gemein.

Besonderheit Elektro-Rennwagen

Das ist bei jedem Formel-Fahrzeug so, bei dem der Fahrer wie in einem Einbaum mittig sitzt und von vier mehr oder minder frei stehenden Rädern umgeben ist. Beim Elektroauto kommen noch ein paar Besonderheiten dazu. Dass hier zum Beispiel 700 Volt anliegen und man schon aufpassen muss, wo man hinfasst, warnt der Systemingenieur. Und dass man bei einer Panne darauf achten sollte, lieber keine Spannungsbrücke zu bauen und stattdessen besser mit beiden Füßen gleichzeitig aus dem Wagen springt – wenn man sich erst einmal aus dem Hosenträgergurt befreit und irgendwie unter dem Überrollbügel herausgeschält hat, der wie ein Heiligenschein um den Fahrer gebaut ist und deshalb den Spitznamen Halo trägt.

Im Dienstwagen von Lucas de Grassi

Aber von einer Panne wollen wir hier und heute nichts wissen. Schließlich wird der Wagen noch gebraucht. Weitgehend neu entwickelt, bis auf den Motor und dessen Steuerung für alle Teams identisch und in der Leistung ohnehin normiert, sitzen wir im Dienstwagen des Brasilianers Lucas de Grassi, der zusammen mit seinem Teamkollegen Daniel Abt vom 15. Dezember an beim Auftaktrennen der fünften Formel-E-Saison in Riad für Audi die Teamweltmeisterschaft verteidigen will.

Diese Elektroautos gibt es derzeit zu kaufen:

Um die Hüften eine Batterie von 52 kWh, die mit ihren 374 Kilogramm mehr als ein Drittel des Fahrzeuggewichts ausmacht, dahinter ein E-Motor, der je nach Rennsituation und Reglement zwischen 200 kW/272 PS und 250 kW/ 340 PS leistet und vor den Augen ein Rennkurs auf Mallorca, der ähnlich verwinkelt ist wie die Stadtkurse, auf denen die 13 Rennen der nächsten Saison ausgetragen werden.

In unter drei Sekunden bei 100 km/h

Dass die Geraden sehr viel kürzer sind als etwa in der Formel 1 und die Kurven enger – das macht dem elektrischen Boliden nichts aus. Weil das maximale Drehmoment beim E-Motor vom ersten Augenblick anliegt, schießt er schneller davon als jeder andere Rennwagen. Und weil die Elektronik die Kraft und das Bremsmoment besser verteilen kann, nimmt er die Kehren viel enger.

Zumal ein Formel-Rennwagen mit seinen Rennreifen, seiner breiten Spur, seinem geringen Gewicht und seinem tiefen Schwerpunkt ohnehin jeden Vergleich mit einem normalen Auto gewinnt und so fährt, als wären die Reifen von Pattex und nicht von Michelin. In weniger als drei Sekunden beschleunigt der Renner von 0 auf 100 km/h und erreicht am Ende der nicht einmal 200 Meter langen Geraden bald 180 km/h. Die sieben Sinne können den Rausch des Rasens kaum verarbeiten.

Zwischendurch aufladen

Die Batterien sind nach einer Renndistanz leer – ein Segen für den Fahrer. Erst recht, wenn er kein Profi ist. Denn dessen Akkus sind schon viel früher erschöpft. Und zwar so sehr, dass man mitunter nicht einmal mehr alleine aus dem Auto kommt. Gut, dass der Wagen deshalb jetzt erst mal 45 Minuten laden muss. Bis die Akkus voll sind, ist auch der Fahrer wieder bei Puste und irgendwie aus dem Wagen geklettert.

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