Ein echter Hingucker ist das Gebilde an der Oldenburger Klingenbergstraße schon aus architektonischer Sicht. Drei ineinander greifende runde Baukörper ergänzen sich hier zum neuen Stadtteilzentrum Kreyenbrück.

Das Kernstück, der jüngste „aktiv & irma“-Supermarkt der regional tätigen Händlerfamilie Frerichs, stellt zudem das dar, was Experten als die nahe energetische Zukunft der Lebensmittelmärkte erkennen: Klimagerecht bauen, energieeffizient bewirtschaften, Ökostrom selbst erzeugen und diesen sogar noch an die Kundschaft abgeben.

Auch wenn in Lebensmittelmärkten inzwischen moderne Technik Einzug hielt, Wärmetauscher, LED-Beleuchtung und energiesparende Kühltheken fast zum Standard gehören, ist die Stromrechnung der zweitgrößte Kosten-Posten nach dem Wareneinkauf. „Je nach Marktgröße fließen 500.000 bis eine Million Kilowattstunden pro Jahr durch den Zähler“, sagt Folke Mitzlaff vom Produktmanagement des Kasseler Wechselrichter-Marktführers SMA.

Zur Veranschaulichung: So viel verbrauchen etwa 250 Familienhaushalte mit all ihren elektrischen Geräten. Fast so wichtig wie der absolute Verbrauch ist die maximale Stromaufnahme, die vom Energielieferanten viertelstündlich ermittelt wird. Denn danach richten sich die Netzanschluss-Kosten – je höher die Jahresspitze ausfällt, desto teurer wird es. Beim ungeplanten „Reißen“ der vorher vereinbarten Lastspitzen-Grenze sogar extrem teuer.

40 Tonnen weniger CO2 im Jahr

In Oldenburg realisieren „aktiv & irma“, SMA Solar und der Kältetechnik-Spezialist Danfoss gerade ein Pilotprojekt, das aus mehreren Komponenten besteht. Am ehesten von außen erkennbar ist eine 100-kW-Photovoltaikanlage auf dem Dach, die jährlich 95.000 Kilowattstunden Solarstrom für den Eigenbedarf des Supermarktes erzeugt.

Ein zusätzlicher Batteriespeicher sorgt dafür, dass überschüssige Sonnenenergie vom Sonn- oder Feiertag auf Abruf eingesetzt werden kann. Und schließlich regelt das „ennexOS“-SMA-Energiemanagement auch die Danfoss-Kühlung ab, etwa wenn der im Markt angesiedelte Bäcker seine Öfen anwirft: „Die Kühlregale können problemlos eine kleine Weile mit minus sechs statt minus acht Grad laufen“, versichert Danfoss-Experte Dirk Leinweber.

Ergebnis der kombinierten Anwendung: Die teuren Verbrauchs-Lastspitzen werden durch Eigenstrom-Erzeugung und intelligente Verschiebung netz- und etatschonend erheblich nach unten korrigiert. Und noch dazu werden 40 Tonnen CO2 pro Jahr vermieden.

Abwärme statt Heizung

Als zusätzliche Option überlegt „aktiv & irma“, den Kundenparkplatz mit einer weiteren Solarstromanlage zu überdachen. Erster Vorteil: Die Autos der Kunden parken im angenehmen Schatten. Zudem würde solch ein „Energie-Carport“ die Eigenversorgung mit Ökostrom fast verdoppeln und auch den Betrieb der Strom-Ladesäulen für Kundschaft mit Elektro-Pkw absichern. Zwei davon werden gerade errichtet, bis zu sechs sollen es demnächst werden. „Wir versuchen halt, diesen Supermarkt so energieeffizient wie nur möglich zu gestalten“, sagt Markt-Geschäftsführer Günter Walter. „Deshalb haben wir auch keine Heizung – die Abwärme der Kühlung reicht völlig.“

Die mittelfristige Zukunft bietet weitere Möglichkeiten, für die das Pilotprojekt bereits gerüstet ist. Sobald Energieversorger ihren Gewerbekunden flexible Tarife einräumen, mit denen etwa nächtliche Windstrom-Überschüsse zur Netzentlastung billig bezogen werden können, lohnt sich die Speicherbatterie doppelt. Auch die Kühltechnik kann dann als Puffer herhalten, wenn man die Regale von ursprünglich minus acht Grad in der Nacht „auf Vorrat“ billig auf minus zwölf Grad Celsius herunterkühlt und die Stromaufnahme im Tagesverlauf vermeidet. Sogar die umgekehrte Stromeinspeisung aus Batterie und Photovoltaik zur reaktionsschnellen Netz-Stabilisierung wäre dann möglich.

„Die Idee ist gut, der Effekt beim einzelnen Supermarkt eher klein“, meint SMA-Experte Folke Mitzlaff. „Aber stellen Sie sich das mal bei einer Kette mit 500 oder 1000 Märkten vor. Da kann eine solche Netzleistung schon systemrelevant sein.“

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