William Li tänzelt ein wenig herum, schaut nervös in Richtung der digitalen Uhr, die auf dem 30 Meter großen Bildschirm hinter ihm die Sekunden hochzählt. Dann bleibt sie bei 2:56 Minuten stehen. Li tut so, als sei er erleichtert. Dabei haben die Ingenieure hinter ihm die Show unzählige Mal geprobt.

Das 2014 gegründete Start-up Nio hat ein System entwickelt, bei dem man die Autobatterien in einer Art befahrbaren Garage austauschen lassen kann. In unter drei Minuten, so verspricht das Unternehmen, soll der Wechsel gelingen.

Bei der Premiere des neuen Systems hat es nun schon einmal geklappt. Die Stationen, die jeweils so groß wie drei Parkplätze sind, sollen die Antwort auf das Batterieproblem von E-Autos in großen Städten werden. Die Batterien werden vom Kunden nur geleast und ohne die Hilfe von Mitarbeitern in den Wechselstationen ständig ausgetauscht. Im Durchschnitt sollen sie rund 355 Kilometer weit halten.

Li zeigte bei der Premiere im Dezember bereits einen Plan mit entsprechenden Standorten für die Batteriewechsel-Stationen in Peking. Bis 2020 soll es chinaweit 1.200 solcher Anlagen geben. Das Motto des Shanghaier Unternehmens: Blue sky is coming – der blaue Himmel kommt. Oder für China passender: Der blaue Himmel kommt zurück. Die Luft ist in vielen chinesischen Städten so verschmutzt, dass viele Eltern ihre Kinder mit Masken auf den Weg zur Schule schicken und sie nur selten draußen spielen lassen. An einigen Tagen haben die Schüler sogar Smog-frei, wenn man auf der Straße die eigene Hand nicht mehr vor Augen sieht.

Zielgruppe: Umweltfreundliche Gutverdiener

Solche Kunden will Li für sich gewinnen: junge, urbane Gutverdiener – mit Interesse an der Umwelt, in der ihre Kinder aufwachsen. Viele von ihnen waren im Dezember in Peking dabei, als Li das neue Auto vorstellte, bei dem der Batterietausch bereits möglich sein soll. Teil des Batterie-Services sind nicht nur die Tauschstationen, sondern auch ein mobiler Dienst mit 1100 geplanten Fahrzeugen, den die Kunden über die App rufen können, um die Batterie kurzfristig aufzuladen. Bis zu 100 Kilometer weit soll das Auto kommen, wenn der Strom-ADAC mit seiner Tankstelle auf Rädern nachgeladen hat. Dazu kommen die Ladestationen zu Hause. Das reiche, ist sich Li sicher, um bereits heute flexibel mit seinem Auto unterwegs sein zu können.

Der ES8 SUV, ein Familien-Van mit sieben Sitzen, soll rund 58.000 Euro kosten. Durch die staatlichen Subventionen sinkt der Preis noch einmal um rund 10.000 Euro. Bereits 10.000 Vorbestellungen soll es laut Li geben. „Das Auto hat 635 PS und kann in 4,4 Sekunden auf 100 Kilometer beschleunigen“, sagt Li, obwohl die Zeit der Pferdestärken ja eigentlich vorüber sein soll. Er ist sichtlich stolz auf sein erstes Modell für den Massenmarkt.

Wie Steve Jobs mit seinen Rollkragen-Pullovern tritt der Gründer immer mit dem gleichen Outfit auf: dunkle Hose, Jackett und ein helles Hemd darunter. Er spricht frei, wirkt sympathisch. Jeder seiner Gesten, jede Pause ist geplant. Bei der Premiere in Peking tragen die Fans bunte Armreifen, die mit dem Rhythmus der Musik die Farbe ändern, dazu verteilen Helfer Popcorn und Tee. Das Unternehmen hat eine amerikanische Rockband einfliegen lassen. Einige der Zuschauer halten Plakate mit Leuchtdioden hoch. Darauf steht das Versprechen des Unternehmens an seine Kunden: ein neuer Lebensstil für ein glückliches Leben. Millionen Euros sind in die Premiere geflossen.

Think big

Der 43-jährige Li nennt seine Firma gerne ein „globales E-Mobilitäts-Start-up“. Von Anfang an hatte das Unternehmen Standorte weltweit. Inzwischen sind es über 4000 Mitarbeiter an 19 Standorten. Darunter das inzwischen rund 130-köpfige Design und PR-Team in München und ein Entwicklerteam in London. Investoren sind unter anderem Messenger-Entwickler Tencent sowie mehrere duzend nationale und internationale Geldgeber. Dem Start-up stehen Milliarden zur Verfügung.

Aber auch wenn Li gerne international tut. In Peking verkauft er es anders: Nio ist nicht nur eine junge Marke, die es mit einem Giganten wie Tesla aufnehmen will. Das Unternehmen ist auch eine chinesische Firma. Li will, dass seine Kunden darauf stolz sind. Als er sagt, dass Apple nicht innerhalb von weniger Tagen die App des Unternehmens in seinen App-Store aufgenommen hätte, buht das Publikum. Zu arrogant sei dieses amerikanische Unternehmen, sagt Li. Die Zuschauer grölen.

Und er könnte Erfolg haben mit seiner Strategie. Ab diesem Jahr beginnt die Serienproduktion des E-Vans. Ab 2020 könnten die Autos auch nach Europa und in die USA kommen. „Aber China ist unser Heimatmarkt“, sagt Li. China treibt die Förderung von E-Autos massiv voran. 2016 wurden bereits 507.000 E-Autos und Hybride in China verkauft, über die Hälfte mehr als im Jahr zuvor. Zum Vergleich: In Deutschland waren es lediglich 11.000 Elektrofahrzeuge und 48.000 Autos mit Hybridantrieb. (2017 immerhin mit dreistelligen Wachstumsraten.)

Noch mindestens bis 2020 gibt es großzügige Subventionen für den Kauf eines E-Autos. Außerdem sind in den meisten Großstädten wie Shanghai und Peking der Kauf von Nummernschildern streng reguliert. In Peking liegt die jährliche Pkw-Zulassungsquote 2018 bei 100.000 Autos, die per Losverfahren verteilt werden. Das sind 50.000 weniger als vergangenes Jahr. 60.000 Zulassungen sollen an E-Autos gehen, der Rest an Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Li wird das gefallen.

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