Als die britische Königin auf der Themse zu langsam vorankam, sah sie sich in Bayern um. Und wurde fündig. Heute besitzt die prunkvolle Ruderbarkasse der Queen einen elektrischen Antrieb von Torqeedo. Dieser kleine Hersteller aus dem Münchener Umland hat sich binnen weniger Jahre zum Weltmarktführer bei E-Antrieben auf dem Wasser entwickelt. Den Firmengründern war früh klar: Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch – auch auf dem Wasser.

Die königliche Lieferung war ein prominenter Spezialfall. Aber nicht nur in England liegen die Vorteile von leisen und sauberen Booten, Yachten oder Fähren auf der Hand. Das hat Torqeedo schon vor mehr als zehn Jahren erkannt. Seither gewinnt die Firma immer mehr Kunden für ihre elektrischen Bootsmotoren.

Die High-Tech-Produkte aus Oberbayern könnten bald in etlichen Metropolen dazu beitragen, dass dort die Luft besser wird. Der öffentliche Transport spielt sich nämlich dort nicht nur auf oder unter der Straße ab. Kommunen wie Vancouver, Bangkok oder Kalkutta betreiben auch Wassertaxis und Fähren, um täglich Menschenmassen auf Flüssen, Seen oder dem Meer zu bewegen. Das ist bislang eine schmutzige Angelegenheit: Ein einziger, knatternder Außenbordmotor mit 80 PS stößt so viel Stickoxid aus wie 350 Autos. „Elektro-Fähren wären ideal für solche Städte“, sagt Christoph Ballin, einer der Gründer von Torqeedo.

Geschäftsidee entstand aus dem eigenen Hobby

Die Firma aus Gilching im Landkreis Starnberg gibt es seit 2005. Damals fühlten sich Ballin und sein Kollege Friedrich Böbel in ihrem Hobby Wassersport eingeschränkt. Aus Umweltschutzgründen ist der Einsatz von Verbrennungsmotoren auf dem Starnberger See nämlich stark reglementiert. Akzeptable Elektroantriebe für ihre Boote konnten die beiden damals aber nicht finden. Ballin und Böbel besaßen lange Management-Erfahrung in verschiedenen Firmen. Also machten sie sich daran, aus der festgestellten Marktlücke eine Geschäftsidee zu entwickeln: Sie gründeten Torqeedo.

Heute arbeiten 130 Menschen auf der ganzen Welt für das Unternehmen. Von Anfang an ging es ausschließlich darum, High-Tech für den Bootsmarkt zu liefern. Das sind meistens Freizeitgeräte, aber auch Segelschiffe, die einen Zusatzantrieb benötigen. Ebenso können kleinere Fähren elektrisch fahren. Wenig sinnvoll ist der E-Antrieb Ballin zufolge bei großen Passagierfähren oder Frachtschiffen. Sie seien zu schwer für die begrenzte Kapazität der Lithium-Batterien.

Eine Voraussetzung für E-Antriebe ist, dass sie besonders effizient arbeiten. Entscheidende Bereiche wie die Steuerungstechnik für ihre Batterien entwickeln die Torqeedo-Ingenieure deshalb selbst. Das Unternehmen will den gesamten Antrieb im Griff haben, den es als Komplettlösung anbietet. Dazu verwenden sie das „Plug and Play“-Prinzip. Es bedeutet, dass Standardkomponenten zum Einsatz kommen. Falls nötig, werden diese nur noch angepasst. Teure Spezialanfertigungen gibt es nicht.

Die Entwicklung ist dennoch komplex, denn es müssen viele unterschiedliche Technikbereiche miteinander verknüpft werden. Forschung und Entwicklung sind der zentrale und kostenträchtigste Bereich der Firma. Über 100 Patente hält sie mittlerweile auf ihre Produkte.

E-Boote für Megacities

Dass ihre Idee ins Schwarze traf, bemerkten Ballin und Böbel bald: In den vergangenen elf Jahren legte der Umsatz jeweils um ein Drittel zu. Die Nachfrage explodierte also geradezu, Kunden gibt es auf der ganzen Welt. „Der Marinemarkt in einem einzelnen Land ist zu klein“, erinnert sich Ballin. „Wir mussten deshalb von Anfang an international agieren.“ Heute fahren Boote mit Torqeedo-Antrieben zwar noch zu 90 Prozent in Europa und den USA. Das soll sich aber ändern, denn gerade in Asien sehen die Manager großen Bedarf.

Dort könnten besonders viele Megacities am Wasser elektrische Boote einsetzen und damit Luft und Leben der Bewohner verbessern. Auch finanziell wäre das sinnvoll. „Für kommerzielle Betreiber sind die Kosten über die gesamte Lebenszeit eines Bootes wichtig“, erklärt Ballin. Niedrige Betriebskosten, wie sie für den E-Antrieb typisch sind, gleichen deshalb einen höheren Anschaffungspreis schon nach wenigen Jahren aus. Künftig sollen deshalb nicht nur große Segelyachten mit E-Motoren ausgerüstet werden. Auch Arbeitsboote und Fähren sind ein Anwendungsfeld. Darüber verhandelt das Management unter anderem mit Vertretern aus Venedig, Dubai und Amsterdam.

Mehr Kraft als konventionelle Antriebe

Das Angebot von Torqeedo startet bei einer elektrischen Leistung, die einem PS entspricht. Sie ist für Kajaks gedacht oder für kleine Boote, wie sie nicht nur auf den Seen im Münchener Umland typisch sind. Die Palette reicht bis zu 160 PS Leistung für Hybrid-Antriebe. Diese Kennzahlen sind allerdings trügerisch. „Bislang berücksichtigt die übliche Leistungsangabe bei Bootsmotoren nicht die hohen Verluste am Propeller“, sagt Christoph Ballin. So brächten etwa die nominell vier PS eines Benzinmotors dem Nutzer tatsächlich wesentlich weniger Power, die dann tatsächlich in Bewegung umgesetzt wird.

Wegen dieser hohen Leistungsverluste sieht Ballin seine E-Antriebe denen der Konkurrenten klar überlegen. „Wir haben sie so ausgelegt, dass sie die höchsten Wirkungsgrade im Markt besitzen“, sagt der Manager. Die vorhandene Energie werde besser in Vortrieb umgesetzt als durch jeden anderen Außenborder. Trotz ihrer begrenzten Batteriekapazität können die Elektromotoren also sogar mehr Kraft und Reichweite bieten als konventionelle Antriebe.

Übernahme durch Deutz

Die Entwicklung einer derart ausgeklügelten Technologie ist teuer. Der Kapitalbedarf war und ist deshalb beträchtlich. Torqeedo will möglichst schnell den gerade erst aufkeimenden Markt besetzen und muss deshalb rasch wachsen. Gewinne seien daher erstmals in zwei Jahren zu erwarten, sagt der Firmenchef.

Inzwischen gibt es für diese Strategie einen starken industriellen Partner. Im Herbst 2017 hatte der Kölner Motorenhersteller Deutz die süddeutsche Firma übernommen. Das bringt Vorteile für beide Seiten: Deutz will von den hochklassigen E-Motoren der neuen Tochter profitieren. Torqeedo wiederum kann im Verbund günstiger einkaufen, den Deutz-Vertrieb weltweit nutzen und besitzt zudem eine finanzstarke Muttergesellschaft.

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