Welches Elektroauto war im Sommer das bestverkaufte in Deutschland? Das Model S von Tesla? Davon träumen Elon Musk und seine Jünger. Über 120 Autos kamen seine Verkäufer im August nicht hinaus. Das Rennen um die Spitzenplätze in der Zulassungsstatistik machten in dem Monat ganz andere Hersteller und Modelle unter sich aus. Bronze ging an den Kia Soul EV (372 Neuzulassungen), Silber an den Renault Zoe (423) – und Gold, wer hätte das gedacht, an den e-Golf von Volkswagen.

Mit 475 Neuzulassungen verwiesen die Wolfsburger ihre ärgsten Konkurrenten aus Frankreich und Südkorea erstmals auf die Plätze, auch wenn diese in der Gesamtjahresbetrachtung noch deutlich vor ihnen liegen (siehe Tabelle). Aber die Steigerung der Motorleistung von 85 auf 100 Kilowatt (kW) hat dem Verkauf des e-Golf ebenso gut getan wie die Erhöhung der Batteriekapazität von 24,2 auf 35,8 Kilowattstunden. Als weiteres Verkaufsargument kam nach dem Dieselgipfel Anfang August noch die Umweltprämie obendrauf: Wer beim VW-Händler einen alten Diesel in Zahlung gibt, kann mit Preisnachlässen von bis zu 12.000 Euro rechnen. Damit reduziert sich der Basispreis von 35.900 Euro auf rund 24.000 Euro. Der Stromer ist damit in etwa genauso teuer wie ein viertüriger VW Golf Comfortline mit einem 96 kW starken Benziner an Bord.

Das Öko-Paket kommt offenbar an. Wie aus der Gläsernen Manufaktur in Dresden zu hören ist, wo der e-Golf seit kurzem montiert wird, ist die Produktion bis weit ins nächste Jahr gut ausgebucht. Haben die Käufer des Wagens eine gute Wahl getroffen? Wie schlägt sich der kompakte Stromer im Alltagsbetrieb? Ein Test über drei Wochen und gut 2000 Kilometer lieferte interessante Aufschlüsse.

Schein & Sein

‚Sie kennen mich‘ lautete die Botschaft von Angela Merkel im Bundestagswahlkampf. Viel Worte verliert sie auf ihren Wahlplakaten nicht über ihre Leistungen und Ziele – es reicht das Markenlogo und der Slogan „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. Volkswagen verwendet wesentlich mehr Worte, um den neuen e-Golf, die „e-Volution des Autos“ zu preisen. Der leistungsstärkere Antrieb wird hervorgehoben, das gestensteuerbare Infotainment-System sowie die „spezielle Lichtsignatur in LED-Technik“ – gemeint ist das grelle Tagfahrlicht in der Frontschürze – sowie das „durchdachte Design“.

Aber ebenso gut hätte man schreiben können: „Sie kennen ihn. Ein Auto, mit dem wir gut und gerne fahren“. Denn tatsächlich ist der e-Golf ein Golf, ein Golf, ein Golf. Ein ansehnlicher, gut geschnittener Kompaktwagen, der dem Fahrer keine Rätsel aufgibt, der solide verarbeitet ist, vier Insassen und ihrem Gepäck ausreichend Platz bietet und der gut auf der Straße liegt.

Wer schon einmal in einem Golf saß, findet sich auf Anhieb zurecht, könnte sich eigentlich auch den Blick in die Bedienungsanleitung sparen – ja, wenn der Elektroantrieb nicht einige Besonderheiten mit sich brächte. Der Ladestecker ist schnell gefunden – er liegt hinter der Klappe an der rechten Seite, wo sich normalerweise die Tanköffnung verbirgt. Aber um die Feinheiten des e-Golf kennen und schätzen zu lernen, lohnt schon eine intensivere Beschäftigung mit den technischen Details.

Schalten & Walten

Das Schalten ist in einem Auto, das nur über ein Eingang-Getriebe verfügt, denkbar einfach – der Knauf auf der Mittelkonsole lässt auf den ersten Blick nur die Wahl in der Vertikalen zwischen Vorwärts, Rückwärts, Leerlauf und Parkposition. Er lässt sich aber auch horizontal bewegen. In drei Stufen lässt sich so die Rekuperation steuern, also Energie beim Bremsen oder Bergabfahren zurückgewinnen. Das funktioniert verblüffend einfach und sorgt dafür, dass man auf der Autobahn oder bei Überlandfahrten die Bremsen kaum mehr benötigt – und man bei bergab einige Kilometer Reichweite zurückgewinnen kann.

Nur leider ist die Erde keine Scheibe mit stetem Gefälle. In der Realität folgt dem Tal schnell auch wieder der Berg, der den Motor fordert und die Energie wieder aus dem Akku saugt. Wer auch hier knausern will, kann im E-Golf per Knopfdruck auf eines der beiden Öko-Fahrprogramme schalten. Das kostet erst Drehmoment, dann durch den Verzicht auf Klima- und Lüftungsanlage Komfort – bringt im Alltag aber immerhin ein paar Kilometer an Reichweite. Ganz hilfreich ist auch der kleine Öko-Fahrtrainer, den die Bordelektronik offeriert: Ein kleines Pedal-Symbol leuchtet im Display vor dem Fahrer auf, wenn der Bordcomputer durch einen Abgleich der Fahrdaten mit dem Navigationsprogramm erkannt hat, dass eine weitere Beschleunigung durch Energiezufuhr keinen Sinn mehr macht, weil es voraus entweder bergab oder in eine Zone mit Tempolimit geht. Hier zeigt sich der Golf als Stromer der schlauen Sorte.

Und wie weit kommt man nun mit all diesen Tricksereien? Volkswagen gibt die Reichweite des neuen eGolf mit 300 Kilometer an. Ermittelt wurde der Wert auf einem Rollenprüfstand nach dem Europäischen Normzyklus. Was von dem zu halten ist, wissen wir inzwischen alle. Im Alltagsverkehr sind Werte um die 250 Kilometer realistisch – je nach persönlichem Fahrverhalten, Streckenprofil und Außentemperatur. Ich kam während der Testperiode auf eine Reichweite von gut 230 Kilometern, der durchschnittliche Energieverbrauch lag dabei zwischen 13,5 und 13,9 Kilowattstunden pro 100 Kilometer Fahrstrecke. Der im Prospekt genannte Normwert von 12,7 kWh kam jedenfalls nie in Reichweite, selbst nicht im Fahrmodus EcoPlus.

Zugegeben: Der Wagen wurde von mir überwiegend im Pendelverkehr und mit einem hohen Anteil Autobahn bewegt, obendrein bei Temperaturen zwischen 15 und 18 Grad. Außerdem mochte ich mich auf der Autobahn nicht permanent auf dem rechten Fahrstreifen bewegen. Dazu besteht auch kein Anlass. Der e-Golf ist immerhin bis zu 150 km/h schnell, fühlt sich bei einer Reisegeschwindigkeit von 120 km/h aber am wohlsten. Das gilt auch für den Fahrer: Die Soundanlage von Dynaudio – oder einfach nur die Stille an Bord – lässt sich dann am besten genießen.

Elektroautos sind Entschleunigungsmaschinen im besten Sinne. Lediglich Anfänger und Halbstarke protzen beim Ampelstart mit dem Drehmoment ihrer Elektromotoren. Mit der Zeit gewöhnt man sich einen anderen, einen lässigeren und energiesparenderen Fahrstil an: Zügig anfahren, dann im Verkehr mitschwimmen. Beinahe perfekt funktioniert dies in einem Auto , das wie unser Testwagen über einen Tempomaten mit Abstandsradar und Spurhaltesystem verfügt: Der Wagen hält auf der Schnellstraße automatisch den Kurs und auch den Abstand zum Vordermann.

Nur wenn der zu heftig bremst oder im Stau ein Lückenspringer in die Quere kommt, ist erhöhte Wachsamkeit und Bremsbereitschaft angesagt. Hier scheint mir das VW-System im Golf noch verbesserungsfähig. Ansonsten aber gilt: Entspannt ankommen. Der Motor ist nicht zu hören, die Windgeräusche beschränken sich bei Tempo 120 auf ein sanftes Säuseln. Und das Fahrwerk des Golf ist trotz eines Mehrgewichts von etwa 400 Kilo (318 Kilogramm wiegt allein die Lithium-Ionen-Batterie im Wagenboden) gegenüber der benzingetriebenen Variante in der Lage, Fahrbahnunebenheiten komfortabel abzufedern.

Laden & Warten

Reichweitenangst habe ich im e-Golf zu keinem Zeitpunkt verspürt, auch nicht bei einem Ausflug ins gut 200 Kilometer entfernte Bielefeld. Allerdings wusste ich beim Start auch schon, dass dort eine CCS-Schnellladesäule auf mich wartete und dass ich wenigstens zwei Stunden in der Stadt sein würde. Das reichte völlig, um den Akku bis zur Rückfahrt wieder komplett aufzuladen. Immerhin lässt sich der neue E-Golf nun zweiphasig mit 7,2 Kilowatt laden – beim Vorgängermodell war die Ladeleistung nur halb so hoch.

Es könnte noch schneller gehen. Etwa mit einem Drehstrom-Lader, wie ihn Tesla anbietet. Aber aus Kostengründen hat VW auf das Onboard-Schnellladegerät verzichtet. Konsequenz: An der heimischen Wallbox oder in der Tiefgarage des Verlages braucht es zwischen sechs und acht Stunden, um die 264 Zellen des Lithium-Ionen-Akkus von Samsung SDI wieder komplett aufzuladen. Gut für den Arbeitgeber, schlecht für die Einsatzplanung.

Damit kommen wir auch schon zur Frage aller Fragen rund um die Elektromobilität: Wie viel Reichweite muss ein Elektroauto haben, um alltagstauglich zu sein? 300 Kilometer, 500 Kilometer, 1000 Kilometer – oder vielleicht auch nur 100 Kilometer? Es hängt, na klar, vom Einsatzzweck ein. Wird der Wagen allein im Stadtverkehr bewegt, rund um die Ladesäule am Arbeitsplatz, reichen 100 Kilometer in der Regel völlig aus. Ein Elektroauto, das mit einer Akkuladung bis zu 1000 Kilometer weit kommt, wäre für Urlaubsfahrten nach Südfrankreich oder Italien ganz nett. Aber ganz ehrlich: Gibt es für solche langen Strecken nicht bessere und schnellere Verkehrsmittel? Nein, ein E-Mobil mit 250 bis 350 Kilometer Reichweite reicht im Alltag vollkommen aus. Vor allem, wenn das E-Mobil so viel Komfort und Fahrspaß bietet wie im e-Golf der neuesten Generation.

Geld & Kapital

Machen wir uns nichts vor: Elektroautos sind in der Anschaffung immer noch verdammt teuer. 35.900 Euro verlangt VW für den e-Golf in der viertürigen Basisausführung. Viele der Extras, die wir während des Tests schätzen gelernt haben – die Radarsensoren für das teilautonome Fahren etwa, die Ledersitze oder auch den e-Sound, der Fußgänger per Knopfdruck mit einem tieffrequenten Brummton vor dem Herannahen des Fahrzeug warnt, lässt sich Volkswagen extra bezahlen. Das gilt merkwürdigerweise auch für das Ladekabel, das nötig ist, um den Akku daheim an einer Haushaltssteckdose aufladen zu können. 175 Euro extra sind dafür zu berappen.

Unser Testwagen kommt so in Summe auf einen Preis von Listenpreis von 44.420 Euro. Das ist eine Menge Holz, sorry, ein kleines Vermögen. Aber dafür bekommt man ein vielleicht langweilig gestyltes, aber dafür hochwertiges Elektroauto mit viel Komfort, hoher Alltagstauglichkeit und hohem Wiederverkaufswert. Und dank der aktuellen Rabatt- und Umweltaktionen ist die Gelegenheit zum Kauf so günstig wie nie zuvor. Eigentlich schade, dass ich keinen alten Diesel in der Garage stehen habe.

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