Es gibt unzählige Studien und Bedarfsanalysen rund um die Elektromobilität. Die Zahlen selbst mögen variieren, das Ergebnis aber ist klar: 80 bis 95 Prozent aller Ladevorgänge werden zuhause stattfinden, so die Prognosen. Die Batterie wird langsam und schonend über Nacht geladen, dazu reicht eine Wallbox mit 7,2 Kilowatt – oder je nach Akkugröße auch weniger – reicht vollkommen aus. Das große Aber: Dieses Szenario trifft nur auf Eigenheimbesitzer zu oder jene Mieter, deren fester Stellplatz über eine Ladestation verfügt.

In Großstädten ist die Lage meist etwas anders. Viele Autofahrer haben hier gar keinen eigenen Stellplatz (die sogenannten Laternenparker) oder selbst wenn zur Mietswohnung ein Tiefgaragenplatz gehört, fehlt diesem die Ladestation – einfach selbst eine Wallbox zu installieren ist nicht erlaubt, die Rechtslage mit Vermietern und Eigentümerversammlungen komplex. Ohne feste Lademöglichkeit fehlt jedoch eine der wichtigen Voraussetzungen, damit ein Großstädter ein Elektroauto ohne größere Herausforderungen im Alltag nutzen kann – und mit seinem lokal emissionsfreien Auto dazu beiträgt, die Luftqualität in den Städten zu verbessern.

In Duisburg bieten der Energieversorger Innogy und die örtlichen Stadtwerke bald eine Lösung: einen Schnellladepark. Bislang entsteht die Infrastruktur zum schnellen Laden vor allem entlang der Autobahnen, um der Reichweitenangst vorzubeugen und das Elektroauto langstreckentauglich zu machen. Die Ladesäulen, die viele Stadtwerke und Unternehmen in den Stadtgebieten errichtet haben, sind jedoch nur relativ langsame Wechselstrom-Lader – es kann Stunden dauern, bis der Akku voll ist.

Der bundesweit erste Schnellladepark in einer Großstadt soll hier Abhilfe schaffen. Das etwa 1000 Quadratmeter große Gelände liegt im Duisburger Norden, nur zwei Fahrminuten von einem Autobahnkreuz entfernt – und direkt gegenüber einem großen schwedischen Möbelhaus. Die Anlage verfügt über vier Gleichstrom-Schnellladestationen, die jeweils 150 Kilowatt Ladeleistung bieten. Zwei der Stationen kommen von Porsche Engineering, „die ersten beiden Porsche-Lader außerhalb deren eigenem Werksgelände“, betont Norbert Verweyen, Chief Technical Officer für E-Mobility bei Innogy. Später können die beiden Ladesäulen sogar auf 350 Kilowatt nachgerüstet werden, erklärt Innogy-Projektleiter Björn Gropengießer. Aber erst, wenn der Markt reif ist. Denn noch fehlen die Autos, die überhaupt mit solchen Leistungen umgehen können. Der Audi e-tron schafft als erster 150 Kilowatt, der erste 350-kW-Lader wird der Porsche Taycan sein, der frühestens Ende 2019 auf den Markt kommt.

Tesla kann nur langsamer laden

Die anderen beiden Schnelllader kommen von Delta und verfügen über je einen CCS- und Chademo-Anschluss – letzterer ist allerdings nur auf 50 Kilowatt begrenzt. Der Chademo-Anschluss ist mit Adapter auch die einzige Möglichkeit, einen Tesla in dem Ladepark mit Gleichstrom zu laden. Die beiden Porsche-Stationen haben einen CCS-Anschluss, und der ist mit dem Tesla nicht kompatibel. Sind alle Gleichstrom-Lader belegt (oder man fährt einen Renault Zoë), sind auch noch vier Wechselstrom-Ladesäulen mit jeweils 22 Kilowatt in den Ladepark integriert. Kostenlos gibt es den Strom aber nicht: Während an den Wechselstrom-Ladern der Verbrauch kilowattstundengenau abgerechnet wird, kostet eine Ladung an der Gleichstrom-Säule bei Innogy noch einen Pauschalpreis – je nach Vertrag 6,95 Euro oder 7,95 Euro.

Diese Elektroautos sind in Deutschland auf dem Markt:

Mit den Schnellladern sollen E-Autofahrer aus der Umgebung in 20 bis 30 Minuten nachladen können – je nach Fahrprofil reicht das einmal pro Woche. Audi spricht davon, dass der e-tron in einer halben Stunde Strom für etwa 320 Kilometer nachladen kann – bei einer täglichen Pendelstrecke von 40 Kilometern reicht das für acht Tage. „Mit dem Ladepark in direkter Nähe zur A42 und A59 schaffen wir auch ein Angebot für den Autobahnverkehr“, sagt Andreas Gutschek, Vorstand für Infrastruktur und Digitalisierung der Stadtwerke Duisburg.

Solardach und Batteriespeicher helfen der Netzstabilität

Die Besonderheit des Innogy-Projekts ist jedoch nicht nur die Lage der Schnellladestation zwischen Stadtgebiet und Autobahn, sondern auch die Energieerzeugung. Die vier Gleichstrom-Stationen werden von einem 180 Quadratmeter großen Solardach überspannt, das pro Jahr 26.000 kWh Ökostrom erzeugen soll. Das reich etwas plastischer ausgedrückt für etwa 200.000 elektrische Fahrkilometer. Der Ökostrom wird aber nicht ins Netz eingespeist, sondern vor Ort in einer 210-kWh-Batterie gespeichert. Die Akkuzellen von Samsung sind jenen in den Autos sehr ähnlich.

Gesteuert wird die Anlage vor Ort von einem selbstlernenden Algorithmus. Dieser sammelt Erfahrungen über das Nutzerverhalten, kennt mit der Zeit besondere Nachfragespitzen (zum Beispiel Freitagabends nach Dienstschluss) und rechnet auch die Wetterprognose (und die damit verbundene Leistung der Solaranlage) mit ein. Ist etwa ein sonniger Morgen angesagt, hält der Computer die Batterie bei 80 Prozent – mehr als genug, um Kunden Strom bieten zu können und zugleich noch genügend Kapazität für frischen Solarstrom. Soll es regnen, bleibt der Ladestand über Nacht deutlich höher.

Der eigene Solarstrom-Batteriespeicher bietet mehrere Vorteile. Zum einen gibt es regional erzeugten Ökostrom. Zum anderen hilft der per Algorithmus gesteuerte Speicher, die Anschlussleistung des Schnellladeparks zu verringern. Sind alle Ladestationen gleichzeitig belegt, können bis zu 680 Kilowatt auf einmal anfallen. Auf diese Leistung müsste der Netzanschluss des Ladeparks und das Stromnetz allgemein vorbereitet sein. Der Innogy-Ladepark benötigt aber maximal 400 Kilowatt aus dem Netz – der Rest wird über die Batterie abgefangen. Verweyen hält die Diskussion über Sinn und Unsinn des angeschlossenen Batteriespeichers und dessen Kosten für „eine sehr deutsche Debatte“. „In anderen Ländern ist die Netzstabilität ein deutlich größeres Thema als hierzulande“, sagt der Innogy-Manager. „Ein Batteriespeicher ist ein wichtiger Schritt, um auch in ländlicheren Regionen mit schwächerem Netz Ladeparks aufbauen zu können.“ Dabei müsse man nicht einmal Europa verlassen.

Mit dem Batteriespeicher hat Innogy derzeit ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem Standort in der Großstadt nicht mehr lange und die Kombination mit Solaranlage gibt es schon. Das niederländische Unternehmen Fastned hat in Deutschland zwar gerade einmal zwei Stationen entlang von Autobahnen im Betrieb. Diese sind jedoch alle mit einem Solardach (auf charakteristischen gelben Säulen) ausgestattet. Künftig soll es auch in die Stadt gehen: Bei der Expansion auf zunächst 14 Standorte arbeitet Fastned auch mit der Hotelkette Van der Valk zusammen, die mehrere Häuser in deutschen Großstädten betreibt. In den Niederlanden betreibt Fastned über 60 Schnellladeparks, teilweise auch in Großstädten wie Den Haag.

Auch Ionity, das Joint-Venture von Daimler, BMW, Ford, Audi, Porsche und VW, ist mit seinen Schnellladestationen derzeit auf europäische Autobahnen beschränkt. Bis 2020 sollen 400 Stationen errichtet sein, an denen im Schnitt sechs Autos gleichzeitig mit bis zu 350 kW geladen werden können. Für die Zeit nach 2020 kann sich Ionity-Chef Michael Hajesch mehrere Expansionsmöglichkeiten vorstellen. „Wenn ich mir die Tankstellendichte an wichtigen Ausfallstraßen in Großstädten anschaue, kann das für Elektroautofahrer mit einer Schnellladestation ein interessanter Fall werden“, sagte Hajesch kürzlich im Gespräch mit EDISON auf dem Pariser Autosalon. Noch sei aber nichts entschieden.

Wie Schnellladeparks in Großstädten angenommen werden, können bald alle E-Autofahrer in Duisburg verfolgen. In wenigen Tagen geht die Innogy-Anlage in die Pilotphase, bis Jahresende soll der Wechsel in den Regelbetrieb erfolgen. Während des Probebetriebs arbeitet das Unternehmen mit der TU Dortmund an einer wissenschaftlichen Begleitung. So wollen die Betreiber der Duisburger Anlage Erkenntnisse gewinnen, wie das Konzept an weiteren Standorten verfeinert und umgesetzt werden kann.

Hinweis: Innogy ist Partner von Edison. Dieser Text ist nicht im Rahmen dieser Kooperation, sondern redaktionell unabhängig entstanden.

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