Die ersten 25 von 500 dieselbetriebenen Oldtimer-Bussen, die in Berlin Touristen chauffieren, werden 2019 auf emissionsfreien Elektroantrieb umgerüstet. Ein Jahr später sollen es 75 Doppeldecker sein und ab 2021 ein Bus pro Tag. Die Vorbereitungen für das zig Millionen Euro teure Projekt laufen auf Hochtouren.

Sämtliche 500 Berliner Busse stammen aus dem Linien- und Reiseverkehr und wurden für touristische Zwecke umgewidmet. Die Retro-Busse, die häufig nur die Euro2- oder Euro3-Norm erfüllen, fahren alle mit Sondergenehmigung. Und da die Oldtimer fast immer unter 30 km/h fahren – dazu mit häufigen Stopps bei laufendem Motor –, laufen die Dieselmotoren nur im unteren Drehzahlbereich, weshalb sie extrem ineffizient sind und verhältnismäßig mehr Feinstaub ausstoßen.

„In Krakau erlassen die Polen ab Oktober für diese Busse ein Fahrverbot“, sagt Roland Prejawa, Aufsichtsratsvorsitzender der Tassima AG und Mitbegründer von der Busvermietung „Gullivers Reisen“ in Berlin. Auch anderenorts, etwa in London, Hamburg, Dresden oder Stuttgart, drohen solche Verbote. Und selbst in den Alpen verkehren im Sommer diese Doppeldecker-Oldtimer zu Touristikzwecken noch zu Dutzenden. „Europaweit ist der Markt unübersehbar groß“, sagt Vorstandsvorsitzender Rainer Nobereit, der mit Prejawa die AG im September gegründet hat, um Busse umzurüsten.

Weitere Gesellschafter sind Dirk Poguntke, seit 1996 geschäftsführender Gesellschafter der Berlin City Tour GmbH, und Tassilo Soltkahn: Der Architekt für Industrieanlagen bringt das Grundstück am Flughafen Schönefeld mit 30.000 Quadratmetern ein und Nobereit die Mobilhalle und die Nürnberger Leasing als Finanzier, die auf E-Mobilität spezialisiert ist und neuerdings auch Lokomotiven finanziert.

Der gesetzliche Rahmen im Kontext des Feinstaubalarms wird immer rigider und die technischen Alternativen sind vorhanden. „Die Umrüstung halbiert die Betreiberkosten auf 75 Cent je Kilometer“, sagt Prejawa, der viele Jahre verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Senat der Stadt Berlin war und bestens in der Metropole und bundesweit in seiner Partei vernetzt ist.

Die Umrüstung kostet bis zu 500.000 Euro pro Fahrzeug

Er kalkuliert die Kilowattstunde mit 23 Cent. Zum Vergleich: Solarparks in Deutschland liefern mittlerweile die kWh zu sechs Cent. Dazu muss man wissen, dass die Touristikbusse 250 Tage im Jahr im Einsatz sind, 120 Kilometer pro Tag zurücklegen und bis zu 40 Liter Diesel auf 100 Kilometer verbrauchen.

In einer 6000 Quadratmeter großen Leichtbauhalle beim Flughafen Schönefeld beginnen 2019 die Umrüstungen, für die vier Partner das Konsortium Tassima AG gegründet haben. „Wir kaufen die alten Busse zum Restwert auf, rüsten sie auf E-Antrieb um und verleasen sie an deren Betreiber zurück“, sagt Nobereit, der aus dem Geschäft mit Leichtbauhallen kommt und in Baden-Baden die HaLog MCI betreibt. Die Kosten pro Fahrzeug betrügen bis zu 500.000 Euro.

Die Antriebseinheiten liefert die VW-Tochter IAV, die elektrische Antriebsachse als Plug&Play-Umrüstsatz der Hohenloher Ventilatorenhersteller Ziehl-Abegg. E-Motor und Leistungselektronik werden je in die Radnaben integriert, nachdem der alte Antrieb ausgebaut und die ausgeräumte Karosserie zunächst runderneuert wurde. Auch die verschlissenen Sitze und das Interieur der Oldtimer werden erneuert.

Steuervorteile durch Leasing, Sicherheit vor Fahrverboten, Imagegewinn und Vorteile bei öffentlichen Vergaben sind weitere Gründe fürs Umrüsten. Denn nach der Touristik könnten ÖPNV-Linien und Müllfahrzeuge für weitere Nachfrage sorgen. In der Anlaufphase schafft Tassima 35 Jobs für Hochvoltspezialisten, Schweißer, Tischler oder Polsterer.

Die Halle ist auf bis zu 150 Busse pro Jahr ausgelegt, die zwischen zwei und zwölf Wochen hier umgerüstet werden. Dann braucht es mindestens 50 Mitarbeiter. Auch vier Hebebühnen und Lackierkabinen werden dann benötigt. Um die Durchlaufzeit gering zu halten, sollen möglichst viele Arbeiten vor Ort erfolgen.

Ein weiterer Schritt ist perspektivisch, den benötigten Strom regenerativ zu erzeugen – entweder auf PV-Dach- und Fassadenflächen in der Stadt oder Solarparks im Umland und entlang von Autobahnen. Dann fahren die Busse mit Wechselbatterien: Während die eine das Fahrzeug antreibt, speichert die andere tagsüber den PV-Strom aus der Anlage, was die Rentabilität weiter verbessert und die Netzinfrastruktur entlastet.

Durch die Umrüstung werden die Busse gut eine Tonne leichter und frisch aufbereitet können die Oldtimer weitere 15 bis 20 Jahre fahren, was sich positiv auf die Ökobilanz auswirkt, argumentiert Nobereit. Für 2019 lautet das Ziel, 25 Busse umzurüsten, im Jahr darauf 75 und ab 2021 pro Werktag einen. Die Nachfrage komme dann aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland, zumal den Tassima-Betreibern Mitbewerber noch nicht bekannt sind.

Immerhin: Bei der Innotrans diesen September in Berlin stellte Alstom den Elektrobus Aptis vor und Solaris einen batteriebetriebenen Stadtbus. Im chinesischen Shenzhen wurden bereits binnen weniger Jahre 17.000 Diesel- durch E-Busse ersetzt. Daimler stellt auf der aktuellen IAA in Hannover seinen E-Stadtbus E-Citaro vor. Seit Juli gingen bereits 50 Bestellungen ein und aktuell bereitet Mercedes-Benz die Serienproduktion vor.

Für Tassima ist das keine Konkurrenz. Je mehr E-Busse auf dem Vormarsch sind, desto eher sinke die Bereitschaft politischer Entscheider, auch künftig Sondergenehmigungen für Dieselstinker zu erteilen. Nobereit: „Die Alternative bieten wir bereits und die Kapazitäten bauen wir aus.“

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