Der Verkauf eines Gebrauchtwagens kann ein frustrierendes Geschäft sein. Zuerst müssen Inserate auf den einschlägigen Online-Seiten erstellt werden, die dann womöglich zwielichtige Gestalten anziehen. Sie locken einen Verkäufer zum Beispiel morgens auf einen leeren Parkplatz, umstellen den Gebrauchten zu dritt und reden ihn schlecht. Der eingeschüchterte Besitzer verkauft unter diesem Druck nicht selten zu einem viel zu niedrigen Preis.

Wer sich dem nicht aussetzen möchte, überlässt sein Fahrzeug einem Autohaus zur Vermarktung – und bekommt auch hier letztlich weniger Geld als erhofft. Schließlich hat der Händler hohe Kosten, die er weitergibt. Die Alternative gibt es im Internet: Dort wollen immer mehr Unternehmen etwas vom Multi-Milliardenmarkt mit Gebrauchtwagen abhaben. Das Start-up Abracar versucht, sich von einem umkämpften Feld abzuheben. Anders als viele Konkurrenten vermitteln die Münchener nur, statt die Fahrzeuge selbst zu verkaufen. Und sie haben dabei einen großen Partner im Rücken.

Halb Autofirma, halb IT-Unternehmen

Abracar gehört zu Allianz, einem der weltgrößten Versicherer mit riesiger Finanzkraft. Gerade kündigte der Konzern weitere gut elf Millionen Euro für die Expansion seiner Gebrauchtwagen-Tochter an. Die wird von Sebastian Jost und Orhan Köroglu geleitet. Beide Gründer erkannten 2016 in dem meist noch analog betriebenen Markt ein großes Potenzial für digitalisierte Prozesse. „Wir sind zur Hälfte ein Automobil-Unternehmen, zur Hälfte aber eine IT-Firma“, sagt Jost. Der 32-jährige weiß, wie man Verkaufsprozesse digitalisiert. Er hat unter anderem für Rocket Internet Online-Firmen aufgebaut.

Automatisierung ist deshalb bei Abracar das Zauberwort. Nur so lässt sich das Geschäft mit bislang 22 Mitarbeitern bewältigen. Derzeit vermitteln sie nach eigenen Angaben Fahrzeuge für zehn Millionen Euro pro Monat.

Preisvorschlag vom Computer

Wer hier sein Auto verkaufen will, lässt zunächst auf Kosten von Abracar ein unabhängiges Gutachten erstellen. Danach läuft alles fast von selbst: „Innerhalb von fünf Minuten produzieren wir auf dieser Basis ein Verkaufsangebot und veröffentlichen es auf mehreren Online-Marktplätzen“, sagt Jost. Alles geschieht auf Knopfdruck, selbst den Preisvorschlag hat ein Computer errechnet. Der Algorithmus verarbeitet dazu tatsächliche Transaktionspreise sowie Preise aus anderen Offerten. „So erhalten wir einen sehr realistischen Vorschlag“, sagt Jost.

Auch die weiteren Schritte nimmt Abracar dem Verkäufer ab: Die Kommunikation mit Interessenten, deren Vorauswahl und schließlich die Terminvereinbarung für eine Besichtigung. Offenbar unseriöse Nachfragen werden abgewiesen, erst dann kommt der Besitzer wieder ins Spiel. „Bei uns gibt es im Schnitt nach 1,8 Besichtigungen einen Abschluss“, sagt Gründer Jost. Dann wird die Provision an die Plattform fällig: 399 bis 999 Euro – je nach Verkaufspreis.

Beratung übernehmen noch Menschen

Im Schnitt gehen die Autos Jost zufolge für 16.000 Euro weg. Das liegt deutlich über dem sonstigen Schnitt auf dem Gebrauchtwagenmarkt. „Wir konzentrieren uns auf höherwertige Fahrzeuge“, bestätigt der Gründer.

Bei aller Computerunterstützung glauben die Münchener Jungunternehmer, dass ein Bot noch nicht alles kann: Eine wirklich kompetente Beratung liefern etwa und damit Vertrauen schaffen. „Für unsere Kunden sind hohe Summen im Spiel. Sie wollen daher am Telefon mit einem menschlichen Partner sprechen“, sagt Jost. Deshalb melden sich bei dem Start-up ausgewiesene Automobilfachleute, wenn Kunde oder Käufer Fragen zu Gutachten oder Fahrzeug haben.

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