Der September ist nicht zuletzt wegen der IAA oft einer der wichtigsten Monate für die Autobranche. Vor zwei Jahren legte die US-Umweltschutzbehörde EPA ihre Diesel-Enthüllungen auf diesen Termin, „Dieselgate“ nahm seinen Anfang. Natürlich ist der 11. September auch ein Tag des Gedenkens an die Anschläge von New York. Aber an diesem 11. September wollte VW eine gute Nachricht verkünden, den Weg in die Elektromobilität nämlich.

Der Dieselskandal hat das Unternehmen bis heute einen zweistelligen Milliardenbetrag gekostet – und Dutzende von Automanagern ihren Job. Matthias Müller, der als Nachfolger von Martin Winterkorn seit bald zwei Jahren an der Spitze des Volkswagen-Konzern steht, wollte am späten Montagabend, bei der Volkswagen Group Preview Night in Halle 3 der Automesse, gegenüber Journalisten deshalb auch ungerne über dieses Jubiläum sprechen. Sondern eben den verbalen Startschuss zur „Roadmap E“ geben.

Es soll die „umfassendste Elektrifizierungsoffensive in der weltweiten Automobilindustrie“ werden. Bis 2025 werde der Konzern über 80 neue elektrifizierte Modelle auf den Markt bringen, davon 50 reine Elektromobile, die mit einer Akkuladung bis zu 600 Kilometer weit kommen. Und bis 2030 soll das Modellportfolio durchgängig elektrifiziert sein. Soll heißen: Jedes Modell wird wenigstens mit einem Hybridantrieb lieferbar sein.

„Das ist keine unverbindliche Absichtserklärung, sondern eine Selbstverpflichtung, an der wir uns ab heute messen lassen“, erklärt Müller vollmundig. „Die Transformation in unserer Industrie ist durch nichts aufzuhalten. Und wir werden diese Transformation anführen.“ Eine späte Einsicht.

Batterien werden größte Herausforderung

Müller schlägt damit ein neues Kapitel in der über 70-jährigen Geschichte des Autokonzerns auf – „ohne Dieselgate wären wir heute sicher nicht so weit“, vermutete ein Manager. Er und seine Kollegen stehen nun vor einem gewaltigen Kraftakt. Denn mit vollmundigen Ankündigungen und der Entwicklung von zwei völlig neuen Plattformen für Elektromobile ist es nicht getan.

Es gilt, die Werke auf die neue Zeit vorzubereiten, die Mitarbeiter zu schulen – und vor allem in der Batterietechnik den Anschluss zu finden: Wer den Weltmarkt für Elektroautos anführen will – nichts anderes kommt für den Volkswagen-Konzern in Frage – kann bei der Schlüsselkomponente nicht von Zulieferer aus Korea, China oder womöglich gar vom Emporkömmling Tesla abhängig sein. Müller nannte den kalifornischen Autobauer zwar nicht beim Namen, sondern nur von „selbsternannten Pionieren“, die gerade einmal 200.000 Fahrzeuge bauten. Aber jeder wusste, wer gemeint war.

Also sollen nun schnellstmöglich die Batterie-Kompetenzen ausgebaut werden, mit einer Pilotfertigung im „Center of Excellence Salzgitter“ sowie mit der Ausschreibung von langfristigen strategischen Partnerschaften in China, Europa und Nordamerika. Volkswagen lockt mit einem Auftragsvolumen von über 50 Milliarden Euro – dem „größten Beschaffungsvorhaben in der Geschichte der Automobilindustrie“. Also wieder: wahrhaft historisch. Strategisches Ziel sei die Entwicklung einer neuen Feststoffbatterie, die Elektroautos eine Reichweite von über 1000 Kilometern ermöglichen soll.

Wie dieser Kraftakt gelingen soll – nicht nur finanziell, sondern auch personell – ließ Müller zumindest an diesem Abend offen. Die Vorstände des Konzerns, na klar, gaben sich zuversichtlich. Ein Externer, der lange Jahre für einen süddeutschen Autobauer tätig war und heute in führender Position für ein chinesisches Start-up wirkt, zeigte sich skeptisch: „Je größer das Unternehmen, desto geringer ist normalerweise der Mut zum Risiko. Revolutionen scheitern hier meist daran, dass alle Entscheidungen an Kennzahlen gekoppelt werden“. Im Klartext: Die Angst der Aktionäre vor Kursverlusten lässt nur einen Fortschritt in Trippelschritten zu.

VW-Chef Müller wird also noch beweisen müssen, wie ernst es ihm ist mit dem Systemwechsel. Dieser soll nach seinen Worten „geordnet“ verlaufen, begleitet auch noch von Investitionen zur Verbesserung des Emissionsverhaltens von Verbrennungsmotoren: „Das ist ein Gebot der Vernunft“. Aber Revolutionäre hören sich anders an.

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