Den Klimawandel kann man spüren, wie der extreme Sommer im vergangenen Jahr gezeigt hat. Man kann ihn sehen, beispielsweise an den schmelzenden Polarkappen und dem steigenden Meeresspiegel. Was mehr überrascht, ist, dass man ihn auch hören kann.

Einer der Lautsprecher des Klimawandels? Der Hyla Cinerea. Oder, für Laien ausgedrückt, der amerikanische Laubfrosch. Der ist nicht größer als ein Daumen und lebt in den Wäldern Nordamerikas, von Florida bis Alaska. Menschen bekommen ihn selten zu Gesicht, da er schreckhaft und gut getarnt ist. Dafür kann man sein Quaken aber umso besser hören.

Oder konnte es zumindest, denn die Stimmen der Laubfrösche werden immer weniger, weil der Klimawandel ihren Lebensraum angreift. Das Verstummen der Frösche ist eine Art Frühwarnsystem einer sich verändernden Umwelt. Das Unternehmen Wildlife Acoustics möchte diesen Wandel nun durch Akustik untersuchen. Mehrere Zehntausend Rekorder der Firma lauschen mittlerweile dem Klimawandel. Die Geräte verfolgen die Bewegungen der Tiere und deren Geräusche – von den Fröschen Nordamerikas bis zu den Vögeln, die dem Eispack des Nordpols trotzen.

Datenschatz für die Wissenschaft

„Wir haben eine Nische für etwas gefunden, das niemand sonst verfolgen wollte“, sagt Ian Agranat, Gründer und Chief Executive Officer von Wildlife Acoustics. „Unsere Geräte sammeln heute über eine Milliarde Tondokumente pro Jahr ein. Das ist ein gewaltiger Datenschatz, den wir nutzbar machen wollen.“

Dabei ist der Erfinder nur aus Versehen auf den Ansatz mit den Aufnahmegeräten geraten. Vor 18 Jahren interessierte sich Agranat nicht für Vögel und deren Gesang. Er hatte gerade sein Unternehmen für gutes Geld verkauft und suchte nach einer neuen Geschäftsidee. Ein Jahr überlegte der Amerikaner, doch der zündende Einfall bleibt aus.

Dann heiratete Agranat und machte eine Bergwanderung mit seinem neuen Schwager. Der erkannte sämtliche Vögel und Frösche an deren Rufen. Agranat war beeindruckt und hatte die Idee, ein Gerät zu bauen, das die Tiere anhand des Gesangs automatisch identifiziert. Nach gut eineinhalb Jahren Grübelei kam schließlich sein erstes Produkt auf den Markt: der „Song Meter“.

Amphibienforscher statt Vogelliebhaber

Eine Million US-Dollar hat Agranat investiert. Auf einen beliebigen Singvogel gerichtet, zeigt der Bildschirm des Geräts vier mögliche, passende Arten auf. Doch Ian verkaufte nur einige Hundert Geräte, denn der Preis von gut 600 Euro ist für Vogelbeobachter einfach zu hoch. Diese Liebhaber kaufen sich laut Agranat lieber „ein Fernglas für 20 Euro“.

Die Rettung für seine Idee brachten die für die Geräte geschalteten Werbeanzeigen, auf die der U.S. Geological Survey aufmerksam wurde. Dort arbeiteten sie an einem Projekt, das Amphibien überwacht. Die Mitarbeiter der Regierungsbehörde suchten damals ein simples Aufnahmegerät, um damit den Lebensraum der amerikanischen Laubfrösche und die Veränderungen, die der Klimawandel für die Tiere mit sich bringt, zu untersuchen. Die Geräte der zweiten Generation des Song Meters sind billiger und arbeiten besser als die bisher von den Forschern genutzten, digitalen Rekorder.

60 Prozent aller Geräte zeichnen im Ausland auf

So gelingt es der Firma mit den Jahren, dass mehr und mehr Wissenschaftler die Klänge der Natur studieren. Denn die robusten Lauscher kommen nicht nur in Nordamerika zum Einsatz. Im Amazonas-Dschungel finden sie sich ebenso wie in der Antarktis, wo Forscher damit das Ächzen der Gletscher aufzeichnen. Laut Ian Agranat machen internationale Kunden heute 60 Prozent des Umsatzes aus.

Für 2019 sollen die rohen Daten Tausender Einheiten auch in der Firmencloud gespeichert werden, damit Wissenschaftler sie nutzen. Nicht kostenlos, versteht sich. Bis zu 400 Stunden Audio lassen sich mit dem aktuellen Song Meter SM4 aufnehmen – und das in einem frei gewählten zeitlichen Abstand von beispielsweise einer Minute Aufnahme pro 60 Minuten.

Netter Nebeneffekt: Früher wäre das spätere Anhören der Aufnahmen per Kopfhörer sehr aufwendig gewesen. Das übernimmt nun die passende Software, die die über Monate entstandenen Aufnahmen sortiert und darauf achtet, wann die Baumfroschrufe aus dem Durcheinander der Laute erklingen. So lauschen heute gut 50.000 Geräte in über 70 Ländern allerlei Walen, Vögeln und natürlich den quakenden Fröschen.

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert