Christian Thiel ist ein Mann, der Herausforderungen liebt. „Dann ist das Leben nicht so langweilig“, erzählt er. Der Betriebswirt pendelt ständig zwischen Hamburg und Billingstad hin und her. Billingstad ist ein kleiner Ort in der Nähe von Oslo, in dem ein Start-up der Welt zeigen will, dass ein Speicher für Prozesswärme funktioniert und wirtschaftlich ist. Thiel war im Automotive Bereich, im Energiesektor und der Windbranche tätig. Auf Dauer zu langweilig für den Unternehmer. EnergyNest ist ein Projekt ganz nach seinem Geschmack. „Ein Unternehmen mit neuer Speichertechnologie an den Markt zu bringen, finde ich unglaublich spannend und aufregend“, sagt Thiel.

Wärme wurde bisher eher wie ein Stiefkind der Speichertechnologie behandelt. Geforscht wird inzwischen ein wenig, auf den Markt hat es aber bisher kaum etwas geschafft. EnergyNest gehört zu den ersten Unternehmen, die ein funktionierendes System entwickelt haben. Der Speicher basiert auf Beton. Genauer: Einer geheimen Spezialmischung, die der Materialwissenschaftler und Mitgründer des Unternehmens Pål G. Bergan gemeinsam mit HeidelbergCement entwickelte und so gut hütet wie Coca-Cola die Rezeptur seines Getränks.

Module zusammenstecken wie Legosteine

Durchzogen ist der Beton von Stahlrohren, in die Wasserdampf oder Spezialöl mit einer Temperatur von bis zu 500 Grad und unter hohem Druck geleitet wird. Der Beton nimm die Wärme auf und speichert sie. Gelagert werden die Betonspeicher in einer Art Stahlkäfig, der so groß wie ein 20-Fuß-Schiffscontainer ist und in dem eine Megawattstunde (MWh) gespeichert werden kann. Wie bei Legosteinen können die Module ganz einfach zu einem XXL-Speicher zusammen gefügt werden. Ein Schwergewicht: Jedes Modul wiegt 43 Tonnen.

Geeignet ist der Speicher für Industrieunternehmen und Kraftwerke, bei denen Prozesswärme anfällt, die ungenutzt in die Umwelt verpufft. Wird Wärme benötigt, wird sie meist durch das Verbrennen von Erdgas erzeugt – kein klimafreundliches Verfahren. Dabei entsteht wie beim Verbrennen aller fossiler Energieträger CO2. Der Bedarf an Prozesswärme ist enorm. Nach Berechnungen der Unternehmensberatung PwC werden jährlich 473 Terrawattstunden Wärme (Stand 2013) benötigt. Wird diese aus dem Speicher bezogen statt durch die Erdgasverbrennung, ist das also gut für die Umwelt und das Unternehmen.

90 Prozent Energieeffizienz

Die Energieeffizienz der Thermobatterie liegt nach Angaben von Thiel bei 90 Prozent und ist um bis zu 50 Prozent günstiger als andere Speicheralternativen wie beispielsweise elektrochemische Batterien oder Flüssigsalz-Speicher. Die schlüsselfertigen Kosten betragen 50 Euro pro Kilowattstunde. Bereits nach drei bis fünf Jahren würden sich die Module amortisieren, so der CEO. „Deswegen ist der Speicher auch aus wirtschaftlicher Perspektive für Industrieunternehmen sehr interessant.“

Die Module, so Thiel, seien einfach zu installieren, wartungsarm, günstig im Betrieb, können recycelt werden und würden mindestens 50 Jahre lang halten. Außerdem können sie mehr, als Wärme einfach nur abzugeben: Mit ihnen kann über eine Dampfturbine Strom und Prozessdampf erzeugt werden, es kann Kälte produziert oder Fernwärme zur Verfügung gestellt werden. Oder aber sie speichern überschüssigen Windstrom als Hitze im Beton. „Diese Flexibilität ist neu und leistet einen aktiven Beitrag zur CO2-Reduktion.“ Die reine Verstromung der zwischengespeicherten Wärme ist nicht geplant, denn der Wirkungsgrad würde dabei lediglich bei 30 bis 40 Prozent liegen, erklärt Thiel.

Erfolgreicher Test in Abu Dhabi

Dass der Betonspeicher funktioniert, hat das 2011 gegründete Unternehmen in Abu Dhabi bewiesen. In der Zukunftsstadt Masdar City bauten sie einen Speicher mit einer Kapazität von einer MWh auf und ließen sich von der Prüf- und Beratungsgesellschaft DNV GL das Potenzial für die Technik validieren. Masdar City ist für Thiel der optimale Standort, um Innovationen zu implementieren. Die Ökostadt will komplett CO2-frei sein und sich vollständig durch erneuerbare Energien versorgen.

Die ganze Stadt ist nach einer strengen Nachhaltigkeitsleitlinie ausgerichtet und durch konsequentes Recycling nahezu abfallfrei. Frischluftkorridore und Parkanlagen sollen die Bauflächen durchziehen und die Temperatur im Vergleich zur Stadt Abu Dhabi drastisch senken. Auch die Internationale Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) hat ihren Hauptsitz in dem Emirat. Thiel ist von der Stadt begeistert: „Es war ein relevantes Setting und extrem hilfreich für die künftige Kommerzialisierung.“

Entwicklung, Pilotprojekt, Kunden überzeugen: Der Weg von der anfänglichen Idee bis zum Verkauf der Thermobatterie im Gigamaßstab war lang. „Jetzt sind wir an dem Punkt angelangt, wo wir unsere Lösung endlich verkaufen können“, sagt Thiel. Mit einem Strom- und einem Rohstoffkonzern in Italien ist er im Gespräch. Drei Industriekonzerne in Deutschland haben Interesse gezeigt. Außerdem sind ein Stahlwerk und ein Energieversorger in England an dem Betonspeicher interessiert, genauso wie ein Müllverbrennungsunternehmen in den USA.

Speicher so groß wie ein Hochhaus

Das Potenzial ist im wahrsten Sinne des Wortes groß: Der kleinste Speicher fängt bei 20 MWh an. Das sind fünf Blöcke in der Größe eines 20-Fuß-Schiffscontainers in die Höhe, in vier Reihen. Die wirklich großen Speicher gehen bis zu sechs Gigawattstunden und haben dann die Größe eines kleinen Hochhauses.

Eine eigene Fertigung hat EnergyNest nicht. Die Produktion der Thermobatterie-Technologie erfolgt im Europoort Rotterdam zusammen mit Mebin und HeidelbergCement. Ende des Jahres werden die ersten beiden Speicher gebaut und verkauft. Für Thiel ist Rotterdam logistisch ein idealer Standort, um ganz Europa beliefern zu können.

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1 Kommentar

  1. Bagusche

    Warum nur die großen Megaanlagen produzieren?
    Es gibt bestimmt genügend alternative Mitmenschen, welche mit diesem System und Solarmodulen ihr Haus CO2 frei heizen und Warmwasser bereiten möchten.
    Ansonsten: Eine Topidee, weiter so 👍

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