Berlin hat ja schon lange den Ruf als unangefochtene deutsche Partyhauptstadt weg. Damit dies so bleibt, leistet selbst die Energiewirtschaft ihren Beitrag: Vergangene Woche feierten das Bündnis Bürgerenergie, die 100 Prozent Erneuerbar Stiftung und der Ökostrom-Anbieter Naturstrom eine Solarparty im und mit dem Berliner Vorzeigequartier Möckernkiez. Bei Getränken und Snacks wollten die Organisatoren den Informationsaustausch in der Nachbarschaft anregen, wie sich Photovoltaikanlagen auch in Mehrfamilienhäusern nutzen lassen. Und auch bundesweit sollen weitere dieser Art Tupper-Partys für Sonnenstrom steigen.

Derartige bürgernahe Aktionen haben Mieterstromprojekte augenscheinlich dringend nötig. Denn bisher ist die Nachfrage nach solchen Vorhaben sehr verhalten, bei denen eine Solaranlage auf dem Dach Elektrizität für die Bewohner in größeren Wohneinheiten produziert. Mitte des Jahres hatte die Bundesnetzagentur gerade einmal 677 derartige Anlagen mit einer Leistung von 13,9 Megawatt (MW) registriert. Tatsächlich hatte der Gesetzgeber eigentlich 500 MW pro Jahr vorgesehen. Er wollte es so auch Menschen ohne Eigenheim in den Städten ermöglichen, von günstig selbstproduzierten Solarstrom zu profitieren. Stattdessen leben die meisten Energiewender auf dem Land, wie jüngst eine Untersuchung der KfW zeigte.

Ein Bündnis von zwölf Verbänden hat daher vergangene Woche Änderungen am Mieterstromgesetz gefordert. Mit dabei sind unter anderen der Verbraucherzentrale Bundesverband, der Deutsche Mieterbund, Hauseigentümerverbände sowie der Bundesverband Solarwirtschaft. In ihrem Sieben-Punkte-Plan verlangen sie den Mieterstromzuschlag zu erhöhen, damit eine Preisdifferenz für die Konsumenten gegenüber konventionellen Anbietern spürbar bleibe. Die sei zuletzt kräftig geschrumpft, unter anderem weil viele Vermieter mitverdienen wollten. Und die Initiative tritt dafür ein, die Genehmigungsverfahren auf zwei Monate zu begrenzen, auch Nachbarschaftshäuser ohne eigene Solaranlage beliefern zu dürfen und die Anlagen für kleinere Mietshäuser mit sechs Wohnungen attraktiver zu machen. Immerhin hat das Bundeswirtschaftsministerium für den Herbst angekündigt, neue Rahmenbedingungen vorschlagen zu wollen.

Wie sich Mieterstromprojekte schon heute umsetzen lassen, werden auch die Teilnehmer der EDISON-Konferenz Smart Home, Smart Building, Smart City am 28. und 29. Oktober in Bochum diskutieren. Welche Vorhaben aus Sicht eines Anbieters von Abrechnungssoftware betriebswirtschaftlich sinnvoll sind, erklärt Lars Ehrler, Leiter Produktentwicklung beim Senftenberger Software-Unternehmen Aktif Technology im Gespräch:

Dialog für Entscheider
Im Bochumer Europäischen Bildungszentrum der Wohnungswirtschaft und Immobilienwirtschaft werden Vermieter und Lösungsanbieter, Handwerk und Datenschützer über Chancen und Herausforderungen von Smart-Home- und Smart-City-Konzepten diskutieren.
© Edison

Herr Ehrler, ab welcher Größenordnung sind Mieterstromprojekte aus Ihrer Sicht heute wirtschaftlich?

Das ist höchst unterschiedlich. Es hängt von ganz vielen Faktoren ab, etwa wie groß die Heizung ist und welche Kosten sie hat. Auch, ob bereits eine Anlage vorhanden ist und jetzt nur der Strom ausgekoppelt wird oder extra eine Anlage zur Stromversorgung errichtet wird, hat einen Einfluss. Wir haben für uns eine Richtgröße von mindestens 100 belieferten Wohneinheiten festgelegt, ab denen es sich lohnen kann, unsere Abrechnungsdienstleistungen zu beauftragen.

Kann man auch mehrere kleinere Mieterstromprojekte zu einem zusammenzufassen?

Das ist durchaus denkbar. Wichtig dabei ist, dass jede Wohneinheit von einer Produktionsanlage über das eigene Netz erreichbar ist. Denn nur so kann ich die Netznutzungskosten und die damit verbundenen Umlagen vermeiden. Erst dann wird es wirklich wirtschaftlich.

Fachmann für Energie-Lösungen
Lars Ehrler ist verantwortlich für die Produktentwicklung beim Senftenberger Software-Anbieter Aktif Technology.
© Copyright Aktif Technology

Was ist wirtschaftlich attraktiver, Mieter mit einem eigenen Blockheizkraftwerk (BHKW) oder mit einer Fotovoltaikanlage zu versorgen?

BHKW haben gegenüber Fotovoltaikanlagen einen unschlagbaren Vorteil: Sie können gesteuert gefahren werden und sich so der Nachfrage durch die Mieter anpassen. Zudem kann der Strom in BHKW deutlich günstiger produziert werden, da parallel Wärme erzeugt wird – und oft hat man hier bereits eine Anlage und muss nur noch den Strom auskoppeln.

Bei Fotovoltaikanlagen kann ich die Produktion nicht dem Bedarf anpassen und muss alle Kosten über den Stromerlös decken. Insbesondere für Mieter mit dem Wunsch, grünen Strom zu verbrauchen, hat das BHKW natürlich den Nachteil, keine erneuerbare Energie zu produzieren.

Welche Pflichten kommen auf Anbieter von Mieterstrom zu?

Wenn ich Mieterstrom verkaufe, werde ich automatisch zum Energielieferanten, unabhängig von der Menge. Dadurch kommen zahlreiche Berichts- und Meldepflichten auf mich zu. So muss ich die Stromsteuer melden, die EEG-Umlage abführen und einen Monitoringbericht erstellen. Das ist umfangreich, lässt sich aber automatisieren. Wir bieten dies auch als Dienstleistung an.

Was ist bei der Abrechnung des Mieterstroms zu beachten?

Zum einen gelten hier die allgemeinen Informationspflichten für Stromrechnungen. Es muss beispielsweise angegeben werden, wer der Netzbetreiber ist und wie hoch der Verbrauch im Vergleich zum Durchschnitt ist. Die spezielle Schwierigkeit im Mieterstrombereich ist, dass ich immer noch Strom mit den entsprechenden Zulagen zukaufen muss. Diese Strommengen muss ich separat aufschlüsseln, da sie mit anderen Umlagen und Netzabgaben versehen sind.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Zudem muss ich die selbst produzierten Strommengen auf die Mieter aufteilen. Denkbar ist, dass ich diese entweder anteilig auf die einzelnen Mieter umlege oder dass jeder die gleiche Menge erhält. Standard ist derzeit eine anteilige Aufteilung, das verhindert auch mathematische Überschussmengen. Häufig ergeben sich zudem bilanzielle Herausforderungen. Die Verbräuche werden in der Regel nach Standardlastprofil abgerechnet. Diese Standardlastprofile müssen aber nicht den Verbräuchen der Mieter entsprechen. Daraus kann sich etwa das Problem ergeben, dass die aufsummierten Standardlastprofile weniger groß sind als meine abgegebenen Energiemengen.

Was verspricht hier Abhilfe?

Hilfreich ist es, wenn alle Mieter einmal jährlich gleichzeitig abzulesen, idealerweise direkt zum Jahreswechsel. Dann kann die Aufteilung der produzierten und eingekauften Strommengen auf die einzelnen Mieter auf Basis von Messwerten erfolgen. Wenn dies nicht möglich ist, muss ich durch sinnvolle Algorithmen rechnerische Zählerstände der einzelnen Mieter ermitteln, die deren üblichen Verbrauch berücksichtigen und sich an den eingekauften und produzierten Strommengen orientieren.

Was ist Ihr Fazit: Welchen Unternehmen würden Sie Mieterstrom empfehlen und wem würden Sie abraten?

Kleine Privatvermieter sollten es sich dreimal überlegen. Sie kommen in der Regel nicht auf die notwendigen Mengen und ihnen fehlt meist das notwendige Fachwissen. Sie sollten sich entsprechend Partner suchen, wenn sie sich für solch ein Geschäftsmodell entscheiden. Für gewerbliche Vermieter ist es hingegen sicherlich interessant, insbesondere, wenn sie mehrere Objekte haben oder ohnehin eine neue Heizungsanlage benötigen.

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