Jules Verne hat es bereits gewusst: In seinem 1870 erschienenen Buch „20.000 Meilen unter dem Meer“ nutzt Kapitän Nemo auch Rohstoffe aus dem Meeresboden. Inzwischen ist aus Fiktion Realität geworden. In den Tiefen der Ozeane schlummern von der High-Tech-Industrie heiß begehrte Metalle. Enthalten sind sie in Manganknollen, kobaltreichen Eisen-Mangankrusten und Massivsulfiden. Ein Multimilliarden-Dollar-Geschäft auf Kosten der Natur.

5000 Meter unter der Meeresoberfläche wachsen die faustgroßen Manganknollen. Einmal geerntet, bleibt eine Spur der Verwüstung zurück. Unter Federführung der Universität Hamburg haben Wissenschaftler im Südostpazifik 1989 eine elf Quadratkilometer große Fläche umgepflügt, den Schlamm aufgewirbelt und die Metallklumpen vergraben.

Heute, 29 Jahre später, haben Wissenschaftler mit einem ferngesteuerten Tauchroboter Proben aus der Tiefe geholt und mit einer Kamera Aufnahmen gemacht. Das Ergebnis ist beklemmend. „Es sieht dort noch genauso aus wie damals“, so Matthias Haeckel vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Zur Überraschung des Meereswissenschaftlers haben sich nicht mal die Mikroorganismen vollständig erholt. Von ihnen sind andere Lebewesen wie Würmer abhängig, die wiederum von Fischen gefressen werden.

Hundert Jahre bis zur Wiederherstellung

Einmal zerstört, ist die Fläche für lange Zeit nachhaltig beeinträchtigt. 50 bis 60 Jahre wird es nach Schätzung von Haeckel dauern, bevor Mikroorganismen sich wieder erholt haben. Erst danach siedeln sich Würmer, Schnecken, Schwämme, Seegurken, Schlangensterne oder kleine Oktopusse an. „In der Tiefsee gibt es eine hohe Biodiversität“, so Haeckel. Viele Lebewesen sind nicht mal bekannt. Auf jeder Forschungsfahrt entdecken die Wissenschaftler mehrere hundert neue Arten.

Roter Seestern
Bis sich der Meeresboden von dem Eingriff erholt hat, können 100 Jahre vergehen.
© Copyright Geomar

In der Tiefe der Meere geht alles etwas langsamer. Die Bewegungen der Tiere genauso wie ihre Entwicklung: Alles läuft im Schongang, denn Nahrung ist rar. „Was in der Tiefsee wächst, braucht Jahrzehnte – manches sogar 100 Jahre“, erklärt Haeckel. Die Manganknollen wachsen förmlich im Zeitlupentempo. Für 10 bis 20 Millimeter im Durchmesser brauchen sie eine Million Jahre.

Manche Knollen erblickten vor 15 Millionen Jahre das Licht der Welt. Lange, bevor die ersten Menschen durch die afrikanische Steppe liefen. Doch für die sind heute das in den Knollen enthaltene Kupfer, Kobalt und Nickel lukrative Rohstoffe. Zusammen mit Manganerzkrusten enthalten die polymetallischen Knollen allein an Kobalt die 21- bis 23-Fache Reserve im Vergleich zu den kontinentalen Vorkommen.

Für die Ernte werden die uralten Knollen aus dem Sediment herausgerissen und damit auch eine 15 Zentimeter dicke Schicht – genau der Bereich, in dem die meisten Arten leben. Unter Wasser wirbelt das Sediment auf und legt sich auf einer Fläche ab, die zwei- bis dreimal so groß wie die abgeerntete Fläche ist und das Ökosystem beeinträchtigt. Ausgelöscht wird auch das Leben auf der Manganknolle, auf der sich ein eigenes Habit bildet.

Kampf um Lizenzen

Abbaulizenzen für Tiefsee-Erzvorkommen außerhalb staatlicher Wirtschaftszonen (200-Seemeilen-Zonen) gibt es noch nicht. Die Bodenschätze in der Tiefsee verwaltet die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) als Erbe der Menschheit. Das Interesse an den Metallen auf dem Meeresgrund ist jedoch groß. 20 Staaten, darunter auch mehrere europäische Länder wie Belgien, Frankreich, Großbritannien, Polen und Russland, haben Lizenzen zur Erkundung von Erzvorkommen im Meeresboden erworben.

Auch Deutschland ist dabei. 2006 hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover im Auftrag der Bundesregierung eine Lizenz zur Exploration für Manganknollen im Zentralpazifik gekauft, um ein 75.000 Quadratkilometer große Gebiet zu erkunden, Proben zu sammeln und dreidimensionale Karten des Meeresbodens zu erstellen.

Ein Manganknollenfeld
Es sieht zwar trist aus – aber im Boden verstecken sich zahlreiche kaum erforschte Lebewesen.
© Copyright Geomar

Die Investitionskosten für die auf dem Boden liegenden Knollen sind nach BGR-Schätzung mit etwa 1,0 bis 1,5 Milliarden Euro hoch. Es locken jedoch die riesigen Mengen. Der Umfang lässt sich bisher nur grob abschätzen. Die Wissenschaftler der BGR entdeckten jedoch allein in einem 2.000 Quadratkilometer großen Teilgebiet des deutschen Lizenzgebiets ein Vorkommen von rund 30 Millionen Tonnen Manganknollen.

Die enthaltenen Metalle Nickel, Kupfer und Kobalt umfassen rund eine Million Tonnen und haben einen Wert von zurzeit etwa 334 Millionen US-Dollar. Daneben gibt es noch mindestens sechs weitere interessante Gebiete, die großflächig dicht mit Manganknollen belegt sind.

Europäische Kooperation?

Wissenschaftler aus ganz Europa arbeiten im Projekt MiningImpact seit Ende 2014 zusammen, um die ökologischen Folgen eines zukünftigen Tiefseebergbaus aufzuzeigen. Die Ergebnisse fließen in die Verhandlungen für den „Mining Code“ der ISA ein, der das internationale Regelwerk für die Gewinnung mineralischer Rohstoffe am Meeresboden sein wird. „Die ISA muss beim Erstellen des ‚Mining Codes‘ von der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft unterstützt werden, damit sie die bestmöglichen Umweltstandards festlegt“, erklärt Haeckel, der das Projekt koordiniert.

Weltweit ist Tiefseebergbau Neuland. Die Herausforderungen sind enorm. Der Abbau findet unter hohem Druck, ohne Licht und bei Temperaturen um die zwei Grad Celsius statt. Bisher gibt es nur vereinzelte Pilotprojekte. Der belgische Kontraktor DEME-GSR will 2019 einen Kollektor-Prototyp am Meeresboden einsetzen, um Manganknollen zu ernten. Mit dabei sind Wissenschaftler um Haeckel mit dem deutschen Forschungsschiff SONNE, um unabhängige wissenschaftliche Daten über die Umweltauswirkungen dieses ersten industriellen Tests eines Knollenkollektors zu sammeln.

Die Forscher wollen auch herausfinden, wie der Mining Code in der Tiefsee in Zukunft überwacht werden kann. Haeckel: „Das internationale Seerecht gibt Staaten die Möglichkeit, mineralische Rohstoffe aus der Tiefsee zu gewinnen. Das steht außer Frage. Doch jetzt haben wir noch die Möglichkeit, die Rahmenbedingungen mitzugestalten, sodass es eben keinen unkontrollierten Raubbau im größten Lebensraum der Erde gibt. Diese Möglichkeit wollen wir nutzen.“

Einen ausführlichen Vortrag von Matthias Haeckel gibt es hier:

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2 Kommentare

  1. deine mom

    ICH FINDE DIE QUELLE SCHEISSE WEIL ICH HIER KEINE ÜBERSICHTLICHE TABELLE ZU DEN PRO UND CONTRAS FINDE. 😉

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    • Seegurke

      Geil!!!

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