Wer joggen geht, will weder Portemonnaie noch Smartphone einpacken. Eine Flasche Wasser kann man künftig trotzdem kaufen: Einfach die Smartwatch ans Lesegerät halten, bezahlen – fertig.

Etwa so wird das Ende August am Timmendorfer Strand ablaufen: Im Rahmen der dreitägigen Beachvolleyball-Meisterschaft erhalten die Besucher ein Armband – mit dem sie kontaktlos Bezahlen können. Dafür kooperieren der Finanzdienstleister Wirecard und die Direktbank Comdirect miteinander.

Schön übrigens, dass die beiden Unternehmen kooperieren können: Wirecard dürfte die Comdirect-Mutter Commerzbank bald aus dem Dax drängen, so wertvoll ist der E-Payment-Spezialist mittlerweile. Es zeigt, wie viel Potenzial der digitale Finanzmarkt hat.

Jetzt ist die Smartwatch dran

Aktuell bringen immer mehr Anbieter ihre Zahlungsdienste für die Smartwatch auf den Markt. Unter anderem der Schweizer Navigationssystem-Hersteller Garmin: Seit Juni ist „Garmin Pay“ in Deutschland auf fünf verschiedenen Smartwatch-Modellen verfügbar.

Kurz danach ist Google Pay in Deutschland gestartet: Seit Ende Juni können Besitzer von Wearables mit dem Betriebssystem Wear OS bezahlen. Dafür benötigt man die Kreditkarte einer Bank, die Google Pay unterstützt. Besitzer einer Fitbit Versa oder Ionic können seit August dieses Jahres kontaktlos bezahlen. Dafür müssen sie Inhaber einer Visa- oder MercedesCard sein – und Kunde der BW-Bank, die als erste deutsche Bank „Fitbit Pay“ anbietet.

Bis Jahresende soll außerdem Apple Pay in Deutschland verfügbar sein – unter anderem auch für die Smartwatch. Weitere Zahlungsverfahren wie Amazon Pay oder Samsung Pay, sowie PayPal oder Paydirekt gibt es in Deutschland bislang nicht für Wearables. Noch ist es auf Anbieterseite also ein ganz schöner Flickenteppich, kritisiert Prof. Jürgen Moormann.

Der Professor für Bank- und Prozessmanagement an der Frankfurt School of Finance & Management, sagt: „Viele Smartphones sind noch nicht für das kontaktlose Zahlen ausgestattet.“ Und bei den Smartwatches sähe es ganz ähnlich aus. Ein noch größeres Problem: die Software. „In Deutschland haben wir einen völlig fragmentierten Markt“, sagt Moormann. Es gibt viele konkurrierende Systeme und Anbieter – eine einheitliche Mobile Payment- Lösung fehlt bislang.

Erst vernetzen, dann bezahlen

Damit das kontaktlose Bezahlen per Smartwatch klappt, müssen zunächst entsprechende Bezahl-Apps mit Kreditkarten oder Bankverbindungen verknüpft werden. Garmin kooperiert dafür mit den Finanzdienstleister Wirecard und VIMPay. Die Kontodaten werden dann über die Connect-App von Garmin mit Garmin Pay und dem dort integrierten Geldbeutel, dem Wallet, vernetzt.

Der Rest läuft ab wie auch beim kontaktlosen Zahlen per Smartphone: Zum Zahlen die Smartwatch ans Lesegerät der Kasse halten, die entsprechende Kreditkarte auswählen – und den Kauf bestätigen. Bei Garmin Pay muss dafür ein PIN-Code eingegeben werden, andere verlangen eine Touch-ID. Manche Anbieter und Banken wollen für kleinere Beträge von bis zu 25 Euro keine Authentifizierung – bei Visa liegt die Grenze sogar bei 50 Euro.

NFC wie beim Smartphone

Jene Grenze nennt sich „NFC-Grenze“. NFC steht dabei für Nahfeldkommunikation. Diese Technik ermöglicht durch elektromagnetische Wellen (RFID) den kontaktlosen Zahlungsvorgang – und das, wie der Name schon sagt, über eine Distanz von wenigen Zentimetern. Verarbeitet ist die Funktion im NFC-Chip, der in Tablets, Smartphones, Kreditkarten und eben auch in Smartwatches vorhanden ist.

Durch NFC können Daten mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 424 KByte/s von der Smartwatch und dem Lesegerät gesendet und empfangen werden.

So sicher wie Kartenzahlung

Kann man der Technik vertrauen? Nun, theoretisch lassen sich die Daten durch die Funkübertragung abgefangen. Doch dafür müsste ein Hacker bis auf wenige Zentimeter nah herankommen, um Daten auf jener kurzen Distanz abzugreifen. Für Smartphones und Kreditkarten gibt es spezielle Hüllen, die den Datenaustausch der NFC-Technik unterbinden. Für Wearables gibt es die bislang nicht. Große Smartwatch-Diebestouren gab es bislang aber ebenso wenig.

Ansonsten ist kontaktloses Zahlen aber so sicher wie die bisherige Kartenzahlung. Denn beim kontaktlosen Bezahlen werden nicht direkt die Bankdaten übertragen: Sie werden zuvor durch Tokenisierung verschlüsselt und erst vom Lesegerät entschlüsselt. Zuvor erfolgt – zumindest bei größeren Beträgen – eine Authentifizierung, etwa durch Pin-Codes, Touch- oder Face-ID.

Bezahlen per Smartwatch bringt keine neuen Vorzüge

Was das Bezahlen per Smartwatch angeht, fehlt Bankenexperte Moormann der entscheidende Zusatznutzen. Lediglich der Bequemlichkeitsfaktor spiele vielleicht für manche eine Rolle. „Das Portemonnaie muss nicht immer mit, weil ich ja mein Smartphone oder meine Smartwatch habe.“

Für die meisten Deutschen stellt sich die Frage, ob per Smartphone oder Smartwatch allerdings erst gar nicht: Bei einer Umfrage von Bitkom gaben knapp 60 Prozent der 1.006 Teilnehmern an, nie kontaktlos zu bezahlen. Weitere 18 Prozent nutzen die Möglichkeit selten.

„Mental sind die Deutschen noch nicht so weit“, sagt Moormann. Dabei sei die technische Ausstattung mit NFC-fähigen Lesegeräten mittlerweile auch in Deutschland größtenteils vorhanden. Bekanntlich zahlen die meisten aber noch immer am liebsten mit Cash. Von einem flächendeckenden Einsatz kontaktlosen Zahlens, sieht er Deutschland daher noch weit entfernt.

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