Es scheint wirtschaftlich recht simpel: Steigt der Strombedarf stark an, wenn vermehrt Elektroautos geladen werden, wird der Strom teurer. Neue Leitungen und neue Kraftwerke müssten gebaut werden, um die höhere Nachfrage bedienen zu können – und das muss bezahlt werden. Studien von Oliver Wyman oder McKinsey gehen von milliardenschweren Investitionen in die Stromnetze aus, damit der Straßenverkehr elektrisch(er) werden kann.

Dieses Szenario trifft aber nur zu einem kleinen Teil zu, wie das Fraunhofer ISI aus Karlsruhe vorrechnet. Das Ergebnis der Experten: Voraussichtlich werden Investitionen in Stromnetze nötig werden. In Summe aber können die Strompreise für Haushalte sinken, wenn viele Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sind. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI analysiert Entstehung und Auswirkungen von Innovationen.

Als Zeitpunkt für ihre Berechnungen haben die Forscher das Jahr 2030 gewählt, da dann die Transformation des Energiesystems „voraussichtlich weit fortgeschritten“ sei – also die ausreichende Verbreitung von Elektroautos und Sektorkopplungstechnologien wie etwa Wärmepumpen. Für 2030 geht das Forschungsteam bei seinen Berechnungen von vier Millionen Elektrofahrzeugen (etwa 10 Prozent des gesamten Pkw-Bestands) aus, die einen Nettostrombedarf von rund 11,6 Terawattstunden (TWh) haben werden.

Bei den Simulationen fielen einige Posten an, die den Strompreis steigen lassen würden. Der höhere Gesamtstrombedarf führt dazu, dass Kraftwerke mit höheren variablen Kosten benötigt werden. Zudem könnten die Netznutzungsentgelte in einigen Regionen steigen, da laut den ISI-Experten die Situation in den Verteilnetzen in Deutschland stark unterschiedlich sei. Dem stehen einige Faktoren gegenüber, die potenziell den Strompreis drücken: So sorge der höhere Stromabsatz durch Elektrofahrzeuge für eine bessere Auslastung des kapitalintensiven Stromnetzes sorgen – was die spezifischen Entgelte und damit den Strompreis für die Haushalte drücken könnte.

Geringe Ladeleistung bedeutet keinen Netzausbau

Letzteres gilt aber unter einer Bedingung: Es muss „richtig“ geladen werden – und nicht irgendwie. Bei geringerer Ladeleistung oder einer gesteuerten Ladung der Elektrofahrzeuge würden in der Regel keine zusätzlichen Netzinvestitionen anfallen. Die „geringe“ Ladeleistung definieren die Autoren mit 11 Kilowatt (kW) – eine technische Begrenzung der Ladeleistung auf diesen Wert könne laut der Untersuchung sinnvoll sein. In der Studie wurden Szenarien für 3,7, 11 und 22 kW durchgerechnet. Oder umgekehrt: „Relevante zusätzliche Netzinvestitionen“ fallen nur dann an, wenn unkontrolliert und mit höheren Leistungen geladen wird. Das sind Kosten, die nicht die Allgemeinheit über höhere Netzentgelte zahlen muss, sondern nur der Einzelne, der die Leistung haben will.

Die bessere Auslastung des Stromnetzes ergibt sich dann, wenn nicht unkontrolliert geladen wird . Also ein wenig das Szenario, dass viele Skeptiker immer wieder bemühen: Fahren alle abends in das Wohngebiet nach Hause und stecken das Kabel in ihr Elektroauto und laden sofort, kommt es zum Blackout. Bei der gesteuerten Ladung, die den ISI-Experten vorschwebt, stecken auch alle sofort das Kabel in ihr Auto, es wird aber nicht sofort geladen – sondern nach und nach gesteuert, um die Belastung im Netz gering zu halten. Am Morgen sind aber dennoch alle Autos geladen. Ohne teuren Netzausbau, aber mit intelligenten Ladelösungen.

Und: Auch hier würde gesteuertes Beladen dazu führen, dass Mehrkosten auf Seiten der Stromerzeugung niedriger ausfallen, weil dann der Ladevorgang in Zeiten verschoben wird, in denen Strom günstig zu Verfügung steht. „Es hat sich gezeigt, dass in der Regel die entgeltsenkenden Effekte überwiegen und in Summe die Strompreise für deutsche Haushalte um bis zu vier Prozent gesenkt werden können“, sagt Studienautor Martin Wietschel. Dafür sei es entscheidend, bei der Strompreisregulierung künftig die möglichen positiven Effekte der Elektromobilität zu berücksichtigen. „Nur so können die durch die Elektromobilität potenziell sinkenden Strompreise auch bei den Haushalten in Deutschland ankommen.“

Das Schnellladen mit mehr als 50 kW haben die Autoren in der Berechnung nicht berücksichtigt, da die aller Voraussicht nach ans Mittelspannungsnetz und nicht an das für Haushalte relevante Niederspannungsnetz angeschlossen werden.

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